aktualisiert am 30. April 2024
Was passiert wenn mein Erbe vor mir stirbt?
Wenn Sie sich mit der schwierigen Aufgabe beschäftigen, Ihren Nachlass zu regeln und ein Testament schreiben, gehen Ihnen wahrscheinlich viele Fragen durch den Kopf. Dies ist richtig und wichtig, denn nach Ihrem Tod kann Sie keiner mehr danach fragen, wie Sie sich die Verteilung Ihres Nachlasses vorgestellt haben. Deshalb ist es absolut wichtig, dass Sie Ihren letzten Willen möglichst genau und rechtlich präzise darstellen, damit nachher keine Zweifel mehr bestehen und Ihr Nachlass und Ihre Familie nicht durch Erbschaftsstreitigkeiten belastet werden.
Wichtig ist aber auch, für den Fall vorzusorgen, in dem nicht alles so läuft wie geplant. Ihr letzter Wille, sollte möglichst alle Eventualitäten abdecken, Sie müssen um die Ecke denken.
Eine solche Frage wäre zum Beispiel:
Was soll mit Ihrem Nachlass geschehen, wenn derjenige, den Sie als Erben eingesetzt haben, vor Ihnen verstirbt?
Diese Frage können Sie in Ihrem Testament durch die Einsetzung eines Ersatzerben beantworten.
Der Ersatzerbe ist diejenige Person, die den Nachlass erhalten soll, wenn der eigentliche Erbe nicht mehr als Erbe zur Verfügung steht, weil er beispielsweise selbst schon verstorben ist oder das Erbe ausgeschlagen hat.
Warum brauche ich einen Ersatzerben?
Die Situation, in der Ihr eigentlicher Erbe ausfällt und Sie einen Ersatzerben benötigen, kann aus vielen Gründen entstehen.
- Der Erbe kann zum Beispiel vor Ihrem Tod versterben,
- er kann das Erbe ausschlagen (§ 1953 BGB) oder
- sich als erbunwürdig (§ 2344 BGB) herausstellen.
- Es kann auch sein, dass seine Erbeinsetzung wirksam angefochten (§§ 2078ff. BGB) wird.
Was passiert, wenn ich keinen Ersatzerben eingesetzt habe?
Wenn Sie keinen Ersatzerben eingesetzt haben, sind zwei Situationen zu unterscheiden. Sind mehrere Erben vorhanden, oder wurde nur ein Erbe eingesetzt?
Einer von mehreren Miterben weggefallen
Haben Sie mehrere Personen in Ihrem Testament bedacht und fällt einer dieser Erben weg, dann erhöht sich der Erbteil der anderen Personen entsprechend ihres Erbteils („Anwachsung“ gemäß § 2094 BGB).
Beispiel: Sie haben Ihre drei Geschwister als Erben benannt. Ein Bruder verstirbt bereits vor dem Erbfall.
In diesem Fall würde der Erbteil des bereits vorverstorbenen Bruders auf die anderen beiden Geschwister aufgeteilt werden. Allerdings könnte sich im Rahmen einer Testamentsauslegung ergeben, dass doch die Nichten und Neffen (die Kinder des Verstorbenen) erben sollen. Auslegung bedeutet im Zweifel Unsicherheit und Streit.
Tipp: Wollen Sie sicher sein, dass in so einem Fall auch die Kinder des verstorbenen Kinds erben, sollten Sie das entsprechend durch klare Einsetzung von Ersatzerben regeln.
Das Erbrecht im BGB regelt ausdrücklich: Die Anwachsung kann man ausschließen, § 2094 Absatz 3 BGB. Und: Ersatzerbe geht der Anwachsung vor, § 2099 BGB.
Alleinerbe im Testament weggefallen
Haben Sie nur eine Person als Erben bedacht und fällt diese ohne Ersatzerben weg, dann muss das Testament zunächst ausgelegt werden. Hierbei sind wiederum drei Fälle voneinander zu unterscheiden. Sie haben einen Nachkommen bedacht, Sie haben einen anderen Verwandten (keinen Nachkommen) bedacht oder Sie haben eine Person bedacht, die nicht mit Ihnen verwandt ist.
Kind oder Enkelkind als Alleinerbe
In dem Fall, dass Sie eines Ihrer Kinder oder Enkelkinder als Alleinerben eingesetzt haben, geht das Gesetz davon aus, dass Sie dessen Nachkommen als Ersatzerben einsetzen wollten (§ 2069 BGB).
Beispiel: Haben Sie eine Ihrer Töchter als Alleinerben eingesetzt und diese Tochter fällt als Erbin aus, dann werden nach Auslegung Ihres Testaments deren Kinder erben.
Schwester oder Bruder als Alleinerbe
Sollten Sie einen anderen nahen Verwandten, beispielsweise Ihre Schwester oder Ihren Halbbruder als Alleinerben eingesetzt haben, dann gilt etwas Ähnliches. Die Auslegung der Gerichte (z.B. Bayerisches Oberstes Landesgericht Beschluss vom 25.01.2000, Az.: 1Z BR 181/99) geht in solchen Fällen davon aus, dass Sie deren Nachkommen als Ersatzerben einsetzen wollten. Eine solche Auslegung ist aber nicht ohne weiteres möglich, sondern müsste im Testament eine Andeutung finden.
Freund als Alleinerbe
Eine solche Auslegung findet allerdings nicht statt, wenn Sie einen Alleinerben eingesetzt haben, der mit Ihnen in gar keinem oder nur in einem entfernten Verwandtschaftsverhältnis steht. Hier muss davon ausgegangen werden, dass Sie keinen Ersatzerben bedenken wollten.
Kein Ersatzerbe – gesetzliche Erbfolge!
Wenn das Nachlassgericht Ihren letzten Willen nicht dahingehend auslegen kann, dass Sie einen Ersatzerben einsetzen wollten, dann tritt an die Stelle Ihres Testaments die gesetzliche Erbfolge.
Fazit: Es äußerst wichtig, seinen letzten Willen möglichst genau und ohne offene Frage zu verfassen. Dazu gehört auch, über Ersatzerben nachzudenken. Haben Sie eine genaue Vorstellung davon, wer Erbe werden soll oder wer auf gar keinen Fall Erbe werden soll, sollten Sie sich auch über mögliche Alternativen Gedanken machen.
Formulierungsbeispiele für die Einsetzung von Ersatzerben im Testament:
Alleinerbe
Zu meiner Erbin berufe ich meine Tochter Maria Mustermann geb. Musterfrau. Als Ersatzerben sollen meine beiden Schwestern Martha und Louise zu gleichen Teilen erben.
Ersatzerben bei mehreren Erben
Zu meinen Erben berufe ich meine beiden Schwestern Martha und Louise. Ersatzerbe für Martha soll meine Freundin Susanne sein. Ersatzerbin für Louise soll mein Freund Max sein.
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