Pflichtteilsentziehung

Wird ein naher Verwandter oder der Ehegatte/eingetragener Lebenspartner enterbt, entstehen Pflichtteilsansprüche. Da das Pflichtteilsrecht durch die Verfassung geschützt ist, kann es im Normalfall auch nicht entzogen werden. Das bedeutet, dass ein pflichtteilsberechtigter Verwandter im Grundsatz immer vom Nachlass profitiert.

Nur in bestimmten, vom Gesetz definierten Ausnahmefällen, ist eine Pflichtteilsentziehung möglich.

Welche Gründe für eine Entziehung des Pflichtteils gibt es?

Die Gründe, bei denen ausnahmsweise die Entziehung des Pflichtteils möglich ist, sind in § 2333 BGB abschließend aufgezählt.

Eine Pflichtteilsentziehung ist danach nur bei sehr schwerwiegendem Fehlverhalten gegenüber dem Erblasser, oder gegenüber ihm nahestehenden Personen möglich.

Das Gesetz nennt als Grund, dass der Pflichtteilsberechtigte dem Erblasser oder ihm nahe stehenden Personen nach dem Leben trachtet oder sich gegenüber diesem Personenkreis eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens schuldig gemacht hat. Eine Strafanzeige oder gar eine strafrechtliche Verurteilung ist in diesem Fall für die Pflichtteilsentziehung nicht notwendig.

Bei letzterem Fall muss ein schwerwiegendes Fehlverhalten, das dem Erblasser unzumutbar ist, vorliegen. Letztlich kommt es damit auf die konkrete Lebenssituation an und wie ein Gericht das im Nachhinein beurteilt.

Voraussetzung ist aber immer, dass der Pflichtteilsberechtigte bei einer dieser Taten schuldhaft und rechtswidrig gehandelt hat, sowie im Zeitpunkt der Tat zurechnungsfähig war. Darlegungs- und beweispflichtig für die Schuldunfähigkeit ist in entsprechender Anwendung von § 827 BGB derjenige, der sich auf seine Unzurechnungsfähigkeit beruft, also derjenige (BGH, Urteil 25.11.1987 – IVa ZR 160/86 für einen Fall der Erbunwürdigkeit von § 2339 Abs. 1 BGB- Tötung des eigenen Vaters).

Die Pflichtteilsentziehung ist auch erlaubt, wenn der Pflichtteilsberechtigte seine gegenüber dem Erblasser bestehenden Unterhaltsverpflichtungen böswillig verletzt hat.

Ausnahmsweise reicht auch eine Straftat, die sich nicht gegen den Erblasser oder eine ihm nahestehende Person für die Pflichtteilsentziehung: Wenn der Pflichtteilsberechtigte wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung rechtskräftig verurteilt wurde oder wenn der Pflichtteilsberechtigte wegen einer ähnlich schwerwiegenden vorsätzlichen Tat in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Erziehungsanstalt untergebracht ist. Zusätzliche Voraussetzung der Pflichtteilsentziehung in diesen Fällen ist, dass es für den Erblasser unzumutbar wäre, dass der Pflichtteilsberechtigte angesichts dieser  Straftat vom Nachlass des Erblassers profitiert. Die Unzumutbarkeit wird angenommen, wenn die Straftat den Wertvorstellungen des Erblassers in hohem Maße widerspricht. Das wird normalerweise gegeben sein bei besonders schweren Straftaten, die mit hohen Strafen bestraft werden. Das Kriterium der Unzumutbarkeit ist nicht erfüllt, wenn der Erblasser selbst gegen Strafgesetze verstoßen hat oder sich gar an der Straftat des Pflichtteilsberechtigten beteiligt hat.

Da es sich bei den ausdrücklich im Gesetz genannten Fällen um Ausnahmen handelt, ist eine Pflichtteilsentziehung aus anderen Gründen nicht möglich.

Wie wird der Pflichtteil entzogen?

Die Pflichtteilsentziehung geht nur in einer Verfügung von Todes wegen, sie muss also im Testament (oder Erbvertrag) ausgesprochen werden. Zwar muss die letztwillige Verfügung nicht zwingend den Begriff Pflichtteilsentziehung verwenden. Es genügt zwar, wenn laut Testament eindeutig feststeht, dass der Betroffene nicht nur enterbt werden soll, sondern auch keinen Pflichtteil bekommen soll. Um aber Auslegungsschwierigkeiten zu vermeiden, empfiehlt es sich, diesen ausdrücklichen Begriff im Testament zu nehmen.

Der Grund für die Pflichtteilserziehung muss bei der Testamentserrichtung gegeben sein.

Bei der Pflichtteilsentziehung muss gemäß § 2336 der Grund für die Pflichtteilsentziehung im Testament auch angegeben werden.

Für die Pflichtteilsentziehung, die wegen einer schweren Straftat ausgesprochen wird, muss zusätzlich noch der Grund für die Unzumutbarkeit einer Teilhabe des verurteilten Pflichtteilsberechtigten am Nachlass im Testament genannt werden, der Erblasser muss also seine Motive erläutern.

Der Erblasser muss im Testament konkret die Entziehungsgründe benennen und belegen, auf die er die Entziehung stützt (BGH 27.2.85, NJW 85, 1554; OLG Düsseldorf 28.4.95, NJW-RR 96, 520). Auf den Gebrauch der Worte „Pflichtteilsentziehung oder -entzug“ kommt es nicht an. Es genügt, wenn eindeutig feststeht, dass der Betroffene nicht nur enterbt werden, sondern auch keinen Pflichtteil erhalten soll.

Die Beweislast für das Bestehen des Entziehungsgrundes, liegt bei dem, der sich auf die Pflichtteilsentziehung beruft (§ 2336 Abs. 3 BGB), also z.B. der Erbe, der bei Vorliegen des Entziehungsgrundes keinen Pflichtteil zahlen muss.

Ist die Pflichtteilsentziehung angreifbar?

Ja, bei allen im Gesetz genannten Gründen für eine Pflichtteilsentziehung gibt es einen Beurteilungsspielraum für eine nachträgliche Kontrolle durch ein Gericht. Es kommt auf jeden Einzelfall an. Es bleibt daher  – auch wenn die Voraussetzungen für eine Pflichtteilsentziehung vorliegen – immer ein Restrisiko, dass die Entziehung nicht klappt.

Die Pflichtteilsentziehung erlischt auch durch Verzeihung, § 2337 BGB.

Verzeihung wird angenommen, wenn der Erblasser nach Außen zum Ausdruck gebracht hat, dass er das schwere Fehlverhalten nicht mehr als unzumutbar für eine Teilhabe am Nachlass empfindet.

Die Verzeihung muss nicht ausdrücklich, sondern kann auch formlos durch ein bestimmtes Verhalten des Erblassers erfolgen. Aus der Rechtsprechung ergibt sich als Beispiel für eine solche Verzeihung, dass der Erblasser vor seinem Tod im Interesse des Pflichtteilsberechtigten einen erheblichen Kredit aufgenommen hat. Daraus wurde eine Verzeihung abgeleitet.

Diese Verzeihung muss von Pflichtteilsberechtigten, dem der Pflichtteil entzogen wurde, bewiesen werden.

Was ist der Unterschied zwischen Pflichtteilsentziehung und Pflichtteilsbeschränkung?

Die Pflichtteilsentziehung ist eine Bestrafung des Pflichtteilsberechtigten für sein Verhalten. Die Pflichtteilsbeschränkung in guter Absicht hingegen dient dem Schutz des Familienvermögens. Die Pflichtteilsbeschränkung geht – anders als die Pflichtteilsentziehung – auch nur gegenüber einem Kind (bzw. Enkel oder Urenkel), nicht aber gegenüber anderen Pflichtteilsberechtigten.

Gegenüber dem Kind kann der Erblasser den Pflichtteil in guter Absicht beschränken, wenn er entweder überschuldet ist, also etwa bei einer Insolvenz, oder „der Verschwendung ergeben“.

Um das Familienvermögen vor dem Verlust zu bewahren, dass das Geld, dass der Pflichtteilsberechtigte erhält, sofort wieder verloren ist, kann der Erblasser dem Pflichtteilsberechtigten bestimmte Beschränkungen im Testament auferlegen:

Der Erblasser kann den Pflichtteilsberechtigten nur zum Vorerben einsetzen, Nacherben werden bei seinem Tod dessen Kinder, und/oder Dauertestamentsvollstreckung auferlegen, mit der dem Erben die Verfügungsmacht über den Erbteil entzogen wird.

Da der Erblasser sowohl die vor-/Nacherbschaft als auch die Testamentsvollstreckung auch außerhalb einer Pflichtteilsbeschränkung anordnen darf, gilt die Pflichtteilsbeschränkung auch dann, wenn der Pflichtteilsberechtigte seinen Erbteil ausschlägt, um den Pflichtteil geltend zu machen.

Im Rahmen der Pflichtteilsbeschränkung gelten die angeordneten Beschränkungen nämlich auch und gerade in dem Fall, wenn der Pflichtteilsberechtigte die Erbschaft ausschlägt und seinen Pflichtteil verlangt.

Die Vorschrift zur Pflichtteilsbeschränkung im BGB wird ergänzt durch die Anordnung einer Pfändungsbeschränkung in § 863 ZPO.

Ich berate Sie bei der Testamentsgestaltung zur Pflichtteilsentziehung und zur Wirksamkeit der Pflichtteilsentziehung im Erbfall.

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