Lebensversicherung im Erbrecht – Auswirkungen auf Pflichtteil, Pflichtteilsergänzung und Ausschlagung
Im Rahmen der Nachlassplanung, aber auch nach dem Erbfall, spielen Lebensversicherungen eine große Rolle.
Wurden in den letzten Jahren Lebensversicherungen vor allem für die Kapitalanlage abgeschlossen, rückt in Zeiten niedriger Verzinsung die Absicherung von Risiken wieder in den Vordergrund. Bei der Auswahl und Ausgestaltung der Lebensversicherung gibt es auch im Hinblick auf das Erbrecht einiges zu beachten.
Im Rahmen der Nachfolgeplanung muss man vor Abschluss von Lebensversicherungen über deren Ausgestaltung nachdenken, insbesondere wegen etwaiger Pflichtteilsansprüche und der Erbschaft- und Schenkungsteuer.
Insbesondere bei nichtehelichen Beziehungen ohne Kinder können – trotz Erbeinsetzung des Partners – hohe Pflichtteils– und Pflichtteilsergänzungsansprüche der Eltern sowie – wegen der geringen Freibeträge – hohe Erbschaftsteuerforderungen entstehen. Aber auch für alle anderen Familienkonstellationen gehört der Punkt Lebensversicherung zur Nachlassgestaltung wie ein gutes Testament und eine gute Vorsorgevollmacht.
Anwaltliche Beratung zur Lebensversicherung im Erbrecht
- Beratung zur Gestaltung der Lebensversicherung in Hinblick auf Pflichtteilsergänzungsanspruch, Steuern und spätere Anfechtbarkeit
- Einsatz von (Risiko-) Lebensversicherung zur Schaffung von Liquidität nach dem Erbfall, z. B. zur Bezahlung von Pflichtteilsansprüchen
- Reaktion auf Anfechtung von Lebensversicherungen in der Nachlassinsolvenz
Wichtige Fragen im Zusammenhang mit einer Lebensversicherung im Erbfall
Wann ist eine Lebensversicherung als Vorsorge sinnvoll?
In der Nachfolgeplanung und Absicherung können Sie mit einer Lebensversicherung folgende Ziele erreichen:
- Muss die Familie finanziell abgesichert werden, ist eine Risikolebensversicherung sinnvoll, mit der – anders als bei der Kapitallebensversicherung – nichts angespart wird. Damit wird – entsprechend deutlich billiger – nur das Risiko, dass ein Hauptverdiener der Familie ausfällt, abgemildert. Insbesondere junge Familien mit minderjährigen Kindern und ohne Vermögen müssen für den Todesfall eines Elternteils vorsorgen, um den Lebensstandard halten und die Ausbildung der Kinder sichern zu können. Bei nicht verheirateten Paaren erhält der überlebende Partner keine Witwenrente. Eine Lebensversicherung kann dann den überlebenden Partner absichern.
- Wurde ein Haus oder eine Eigentumswohnung gekauft, kann der Überlebende die Kreditraten häufig nicht allein bezahlen. Auch dafür ist eine Lebensversicherung sinnvoll.
- Eine Lebensversicherung zugunsten des Erben kann sinnvoll sein, um dem Erben nach dem Tod schnell Geld zu verschaffen, damit er z. B. die Beerdigung oder andere Ausgaben bezahlen kann, ohne dass er auf das Konto des Verstorbenen zugreifen muss. Wenn der Erbe keine Kontovollmacht hat, bräuchte er dazu erst einen Erbschein.
- Eine Lebensversicherung verschafft dem Erben Liquidität auch in Bezug auf geforderte Pflichtteilsansprüche und Forderungen des Finanzamtes wegen der Erbschaftssteuer. Insbesondere wenn der Nachlass nur aus einem einzigen schwer verkaufbaren Gegenstand, z. B. einem Hausgrundstück, besteht, werden Zahlungsschwierigkeiten des Erben verhindert.
Was ist die Lebensversicherung rechtlich?
Im Normalfall ist die Lebensversicherung ein Vertrag zu Gunsten Dritter. Versicherungsfall ist normalerweise der Tod des Versicherten.
Im Vertrag wird ein Bezugsberechtigter benannt. Beim Tod des Versicherten hat der Bezugsberechtigte einen Zahlungsanspruch gegen die Versicherung.
Grundlage der Benennung als Bezugsberechtigter des Lebensversicherungsvertrages ist in der Regel eine Schenkung des Versicherungsnehmers an den Bezugsberechtigten.
Die aus meiner Sicht sinnvollste Form ist die Risikolebensversicherung, bei der nur das Risiko versichert und die Angehörigen im Todesfall mit Geld versorgt werden.
Darüber hinaus gibt es noch viele langlaufende Lebensversicherungen, die auch der Kapitalanlage dienen. Hier wird Risikovorsorge und Kapitalanlage vermischt, was aus meiner Sicht wenig sinnvoll ist.
Egal in welcher Form: Lebensversicherungen sollten in die langfristige Nachlassplanung einbezogen werden.
Wann gibt es Streit um Lebensversicherungen im Nachlass?
Im Zusammenhang mit einer Lebensversicherung gibt es mehrere typische Streitkonstellationen, an die man bei der Vorsorgeplanung denken muss, um solche Konflikte zu verhindern:
- Können Erben vom Bezugsberechtigten die Versicherungssumme verlangen?
- Besteht ein Pflichtteilsergänzungsanspruch, da die Versicherungssumme nicht zum Nachlass gehört, aber als Schenkung erworben wurde?
- Besteht die Gefahr der Anfechtung von Lebensversicherungen im Rahmen einer Nachlassinsolvenz?
- Eheleute setzen normalerweise ihren Ehepartner als Bezugsberechtigten ein. Im Fall der Scheidung wird dann manchmal vergessen die Bezugsberechtigung zu ändern. Weil das Bezugsrecht – anders als das gesetzliche Erbrecht oder die testamentarische Einsetzung des Ehegatten- nicht automatisch durch die Scheidung erlischt, kann der Ex-Ehegatte erstmal die Auszahlung verlangen. Streit entsteht dann darüber, ob die Versicherungssumme an die Erben herausgegeben werden muss. Das ist laut BGH davon abhängig, ob die Versicherung auf einer sogenannten „ehebedingten Zuwendung“ beruhte oder nicht.
Gehört die Lebensversicherungssumme zum Nachlass?
Die Versicherungssumme fällt normalerweise nicht in den Nachlass. Immer wenn jemand als Bezugsberechtigter benannt ist und die Ansprüche aus der Versicherung nicht an Dritte abgetreten sind (z. B. an eine Bank zur Sicherung eines Kredits) bekommt der Bezugsberechtigte die Zahlung – nicht als Erbe, sondern aus dem Versicherungsvertrag. Die Erben gehen leer aus (außer sie sind gleichzeitig Bezugsberechtigter).
Bezugsberechtigter ist der, der bei Eintritt des Versicherungsfalls die Lebensversicherungssumme erhalten soll und als solcher bei der Lebensversicherung benannt ist.
Für den Fall, dass der Bezugsberechtigte vor dem Versicherten verstirbt, kann man einen Ersatzberechtigten benennen. Sonst gibt es keinen Bezugsberechtigten. Die Lebensversicherungssumme fällt dann in den Nachlass.
Manchmal werden als Bezugsberechtigte „die Erben“ benannt. Dann sind nach dem Versicherungsvertragsgesetz (VVG § 160 Abs. 2) im Zweifel die Erben bezugsberechtigt. Aber selbst wenn diese Erben das Erbe ausschlagen, bleiben sie Bezugsberechtigte und erhalten die Versicherungssumme.
Kann der Erbe die Zahlung der Versicherungssumme an den Bezugsberechtigten verhindern?
Findet der Erbe im Nachlass Unterlagen über eine Lebensversicherung, die einen anderen begünstigt, will er häufig die Auszahlung an den Bezugsberechtigten verhindern.
Dann kann es zu einem Wettlauf zwischen Begünstigtem und Erben kommen.
Ist die Grundlage der Lebensversicherung eine Schenkung an den Begünstigen, von der er auch nichts weiß, wird die Schenkung erst wirksam, wenn die Lebensversicherung den Begünstigten informiert.
Da die Lebensversicherung das rechtlich als Bote des Verstorbenen macht, kann es der Erbe verhindern, indem er das Widerrufsrecht gegenüber der Versicherung ausübt. Dann gibt es keine Schenkung. Der Begünstige muss die Lebensversicherungssumme an den Erben herausgeben.
Ist die Lebensversicherungssumme bei der Berechnung des Pflichtteils zu berücksichtigen?
Da die Lebensversicherungssumme in der Regel nicht in den Nachlass fällt, erhöht sie den Pflichtteilsanspruch nicht.
Allerdings löst die Lebensversicherung Pflichtteilsergänzungsansprüche aus, wenn ihr eine Schenkung zu Grunde liegt, § 2325 BGB. Die Frage ist dann, wie hoch der Wert der Lebensversicherung für die Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs ist.
Bis zu dem klärenden Urteil des Bundesgerichtshofes im Jahre 2010 war immer umstritten, ob der Pflichtteilsergänzungsanspruch wegen einer Lebensversicherung aus den eingezahlten Prämien oder auf die ausgezahlte Versicherungssumme zu berechnen ist.
Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 28. April 2010 – IV ZR 73/08) kommt es weder auf die eingezahlten Prämien noch auf die ausgezahlte Versicherungssumme an, sondern auf den so genannten Rückkaufswert. Dieser Rückkaufswert zum Zeitpunkt kurz vor dem Tod des Versicherten kann bei der Versicherung erfragt werden. Je nach Lage des Einzelfalls kann auch ein objektiv belegter höherer Veräußerungswert der Lebensversicherung heranzuziehen sein.
Was passiert mit der Lebensversicherung bei Erbausschlagung?
Wenn ein Erbe gleichzeitig Begünstigter einer Lebensversicherung des Verstorbenen ist, stellt sich bei einem knappen oder überschuldeten Nachlass die Frage, welche Folgen die Ausschlagung des Nachlasses auf die Lebensversicherungssumme hat.
Da die Lebensversicherungssumme nicht in den Nachlass fällt, hat die Ausschlagung der Erbschaft keine unmittelbare Auswirkung auf die Auszahlung des Geldes an den ausschlagenden Erben. Ist der ausschlagende Erbe Bezugsberechtigter, verbleibt ihm trotz Ausschlagung des überschuldeten Erbes der Anspruch aus dem Lebensversicherungsvertrag.
Allerdings sollte bedacht werden, dass der durch die Ausschlagung dann eintretende Erbe, den der Lebensversicherung zugrundeliegenden Schenkungsvertrag durch Widerruf gegenüber der Lebensversicherung noch verhindern kann. Daher sollte vor Ausschlagung zumindest die Annahme der Lebensversicherung erklärt werden.
Ebenso sollte bedacht werden, dass es bei einem überschuldeten Nachlass zu einer Anfechtung der Auszahlung der Lebensversicherungssumme durch den Nachlassinsolvenzverwalter kommen kann (siehe unten).
Warum Anfechtung der Lebensversicherung in der Nachlassinsolvenz?
Problematisch für den Bezugsberechtigten der Lebensversicherung ist, wenn über den Nachlass ein Nachlassinsolvenzverfahren durchgeführt wird.
Zu einer Nachlassinsolvenz kann es beispielsweise kommen, wenn alle Erben den überschuldeten Nachlass ausschlagen und der Staat als Fiskus Erbe wird. Da der Staat – als einziger gesetzlicher Erbe – ein Erbe nicht ausschlagen kann, aber natürlich nicht für die Schulden des Verstorbenen haften will, muss er eine Haftungsbeschränkung auf den Nachlass bewirken. Das erfolgt durch eine Nachlassinsolvenz.
Im Rahmen der Nachlassinsolvenz versucht der Insolvenzverwalter, Geld für die Masse zu finden und in den Nachlass zu leiten. Das passiert so:
Die Leistung der Lebensversicherung gilt als unentgeltliche Leistung des Verstorbenen. Der Nachlassinsolvenzverwalter erklärt die Anfechtung des Bezugsrechts aus der Lebensversicherung nach § 134 Insolvenzordnung (InsO).
Die Anfechtbarkeit ist für unentgeltliche Leistungen nur innerhalb der letzten vier Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens möglich.
Daher kommt es auch bei der Lebensversicherung darauf an, wann hier eine unentgeltliche Leistung im Sinne von § 134 Absatz 1 InsO rechtlich als vorgenommen gilt. Maßgeblich ist nach dessen § 140 Absatz 1 InsO der Zeitpunkt, in dem die rechtlichen Wirkungen einer Rechtshandlung eintreten.
Hier kommt es auch darauf an, ob ein widerrufliches oder ein unwiderrufliches Bezugsrecht gegeben wurde.
Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 27. September 2012 – IX ZR 15/12, Rz. 28, ist bei einem unwiderruflich Bezugsberechtigten die Zuwendung der Versicherungsleistung im Todesfall normalerweise bereits mit der Bezeichnung als Bezugsberechtigter vorgenommen. Die aufgrund einer rechtzeitigen unwiderruflichen Benennung als Bezugsberechtigter erlangte Versicherungssumme unterliegt dann nicht der Schenkungsanfechtung nach § 134 Abs. 1 InsO.
Wird jemandem – wie fast immer – nur ein widerrufliches Bezugsrecht eingeräumt, gilt die Schenkung erst ab dem Tod, weil die Rechtswirkungen des Bezugsrechts erst im Versicherungsfall (dem Tod des Versicherten) eintreten. Die Anfechtung ist dann – weil es sich um eine unentgeltliche Leistung handelt – innerhalb von vier Jahren möglich.
Der Anfechtungsanspruch richtet sich nach Eintritt des Versicherungsfalls gegen den Begünstigten auf Auszahlung der vom Versicherer geschuldeten Versicherungssumme, nicht nur auf Rückgewähr der vom Schuldner geleisteten Prämien, BGH, Urteil vom 23. Oktober 2003 – IX ZR 252/01, Rz 34.
Wurde noch nichts ausgezahlt (bzw. die Schenkung noch nicht angenommen) kann der Insolvenzverwalter die Wirkungen der Bezugsberechtigung durch Ausübung des vom Versicherungsnehmer auf ihn übergegangenen Widerrufsrechts beseitigen.
Mehr dazu: Lebensversicherung und Pflichtteilsergänzungsanspruch –
Lebensversicherung und Nachlassinsolvenz
Muss für die Lebensversicherungssumme Erbschaftsteuer gezahlt werden?
Gibt es keinen Bezugsberechtigten, fällt die Versicherungssumme in den Nachlass und wird aus diesem Grund von der Erbschaftsteuer erfasst.
Aber auch wenn der Begünstige kein Erbe ist oder die Versicherungsumme nicht als Erbe, sondern als Bezugsberechtigter bekommt, unterliegt die gesamte Versicherungssumme der Erbschaftsteuer, § 3 Absatz 1 Nummer 4 ErbStG.
Achtung: Setzen sich nicht verheiratete Partner gegenseitig als Bezugsberechtigte einer Lebensversicherung ein, führt das schnell zu Erbschaftsteuer. Nichtverheiratete haben bei der Erbschaftsteuer nur den geringen Freibetrag von 20.000 Euro. Ist die Lebensversicherungssumme höher, muss Erbschaftsteuer gezahlt werden. Das kann man durch eine andere Gestaltung vermeiden, etwa eine Benennung der Kinder.
Für Eheleute werden „gekreuzte Lebensversicherungen“ empfohlen. Beide Partner versichern in ihren Lebensversicherungsverträgen nicht das jeweils eigene Leben, sondern das Leben des anderen.
Die versicherte Person ist damit der andere Ehegatte. Beim Tod des anderen Ehegatten wird die Versicherungssumme an den überlebenden Ehegatten aus dem eigenen Vertrag ausbezahlt und kommt damit (erschaftsteuer-) rechtlich nicht vom Verstorbenen.
Das dürfte auch für nicht verheiratete Partner – für die das Steuerproblem wegen des geringen Freibetrags ja noch viel größer ist – ein richtiger Weg sein, nicht in die Steuerfalle zu tappen.
Beispiel: Anna und Benno sind nicht verheiratet. Sie möchten eine Lebensversicherung abschließen, um sich gegenseitig abzusichern. Zur Vermeidung der Erbschaftsteuer wird über Kreuz abgesichert. Anna gestaltet einen Lebensversicherungsvertrag, in dem sie gleichzeitig Versicherungsnehmerin, Bezugsberechtigte und Beitragszahlerin ist. Die versicherte Person ist aber Benno. Wenn Benno stirbt, wird die Versicherungssumme an Anna gezahlt. Da sie aber als Versicherungsnehmerin ihre eigene Versicherungsleistung erhält, bleibt die steuerfrei. Benno schließt ebenfalls einen Vertrag ab, in dem wiederum Anna die versicherte Person wird. Bei ihrem Tod bekäme Benno die Leistung aus seinem Lebensversicherungvertrag ebenfalls steuerfrei.
Nachteil der gekreuzten Lebensversicherungen ist, dass das Bezugsrecht des jeweils anderen nicht geändert werden kann, beispielsweise im Fall der Scheidung oder Trennung.
Fazit: Eine (Risiko-) Lebensversicherung kann auch in der Nachlassplanung sehr sinnvoll sein. Um hier Streit zu vermeiden und zu erreichen, dass die gewünschten Vorteile der Lebensversicherung auch den richtigen Menschen zu Gute kommen, sollte die Konstruktion der Lebensversicherung gut durchdacht sein und auf Ihre sonstigen Nachfolgeregelungen abgestimmt sein. Ich helfe Ihnen gern, vereinbaren Sie einfach eine Termin zur Erstberatung!
Ihr Ansprechpartner im Erbrecht:
Rechtsanwalt Alexander Grundmann, LL.M., Leipzig