Pflichtteil

Das Erbrecht und die Gestaltung der Erbfolge sind von der Frage möglicher Pflichtteile nicht zu trennen. Werden die Regelungen des Pflichtteilsrechts nicht beachtet, kann dies zu unerwünschten Ergebnissen in der Erbfolge und viel Streit führen.

Wer seinen Erben etwas Gutes tun will, muss daher das Pflichtteilsrecht im Rahmen des Testaments oder bei Überlegungen zu lebzeitigen Schenkungen berücksichtigen.

Deshalb sollten Sie schon bei der Nachfolgegestaltung möglichst früh fachkundige Beratung einholen, ob Pflichtteilsrechte bestehen und wie man damit umgeht.

Aber auch nach dem Erbfall lauern beim Pflichtteilsrecht viele Fallen. Lassen Sie sich beraten!

Beratung im Pflichtteilsrecht vom Rechtsanwalt

Eine weitsichtige Planung dient nicht nur der Verwirklichung des letzten Willens des Testierenden, sondern auch dem Schutz der Wunsch-Erben. Wird das Pflichtteilsrecht nicht ausreichend vorab bedacht, dann sehen sich die Erben Pflichtteilsansprüchen ausgesetzt, die sie möglicherweise nicht erfüllen können, weil gar nicht soviel Barvermögen im Nachlass ist.

Insbesondere wenn ungeliebte Pflichteilsberechtigte zu berücksichtigen sind, empfielt sich immer eine anwaltliche Beratung, damit Sie überhaupt die zahlreichen Fallstricke erkennen und entsprechend rechtssicher handeln können.

Zur weitsichtigen Planung des Erbes unter Berücksichtigung von Pflichtteilsansprüchen gehören auch ganz praktische – unjuristische – Fragen. Beispielsweise ist es sinnvoll, wenn Ehegatten, die späteren Streit mit Pflichtteilsberechtigten erwarten, klar ihre Gelddinge trennen, etwa durch getrennte Konten. Dann ist klar, was zum Nachlass gehört und was nicht.

Auch der testamentarische Erbe und der Pflichtteilsberechtigte müssen – wegen der weit reichenden Folgen – ihre Rechte und Pflichten kennen.

Auch vor der Wahl des Güterstandes bei Eheleuten in einem Ehevertrag ist das spätere Pflichtteilsrecht mit zu bedenken.

Die häufigsten Fragen für die anwaltliche Rechtsberatung im Pflichtteilsrecht sind:

  • Identifizierung von Pflichtteilsberechtigten und Ermittlung der Pflichtteilsquote unter Berücksichtigung der gesetzlichen Erbfolge und des Güterstandes des Ehegatten
  • Berücksichtigung der Pflichtteilsansprüche bei der Gestaltung des Testaments, Beratung zur rechtssicheren Vermeidung von Pflichtteilsansprüchen
  • Auswirkungen von Schenkungen zu Lebzeiten auf den Pflichtteil (Anrechnung bzw. Ausgleichung von Schenkungen, Pflichtteilsergänzung)
  • Durchsetzung von Auskunftsanspruch und Zahlungsanspruch zwischen Erben und Pflichtteilsberechtigtem
  • Vermittlung und Regelungen zwischen Pflichtteilsberechtigtem und Erben zur streitvermeidenden Lösung zum Pflichtteil
  • Beratung und Vertretung bei Überleitung/Geltendmachung des Pflichtteils durch Sozialhilfebehörde/Jobcenter

Warum gibt es einen Pflichtteil und Pflichtteilsanspruch im Erbrecht?

Im Erbrecht gilt Testierfreiheit. Testierfreiheit bedeutet, dass jeder für den Todesfall den Übergang seines Vermögens nach seinen eigenen Wünschen und Vorstellungen durch ein Testament oder einen Erbvertrag regeln kann. Die gesetzliche Erbfolge muss nicht eingehalten werden. Es gibt auch keine Verpflichtung, den nächsten Angehörigen etwas zu vererben. Man kann sie enterben.

Die Testierfreiheit gilt aber nur begrenzt: Im deutschen Erbrecht sollen die nächsten Angehörigen und der Ehegatte immer einen Mindestanteil am Nachlass erhalten – den Pflichtteil. Eine komplette „Enterbung“ der Pflichtteilsberechtigten – damit sie gar nicht vom Nachlass profitieren – ist im Normalfall nicht möglich.

Warum gibt es im deutschen Erbrecht einen Pflichtteil?

Einen Pflichtteil gibt es nicht in allen Ländern. Dass es im deutschen Erbrecht ein Pflichtteilsrecht gibt, wird mit verschiedenen rechtlichen Argumenten begründet:

Die wichtigsten Argumente sind der Schutz der Familie und Schutz der nächsten Angehörigen vor Willkür des Erblassers, die Sicherung des Unterhalts der nächsten Angehörigen (für die dann der Staat nicht über Sozialhilfe aufkommen muss) und die Sicherung der Verteilung des Nachlasses unter allen gesetzlichen Erben.

Das Pflichtteilsrecht bezweckt in erster Linie aber nicht den Unterhalt bedürftiger naher Angehöriger. Daher ist eine Bedürftigkeit des Pflichtteilsberechtigten nicht Voraussetzung für einen Pflichtteilsanspruch.

Das Pflichtteilsrecht beruht auch auf der starken eigentumsrechtlichen Stellung der gesetzlichen Erben. Das Pflichtteilsrecht – so das Bundesverfassungsgericht (Beschluss des vom 19. Februar 2005, 1 BvR 1644/00) – ist Teil der Erbrechtsgarantie des Grundgesetzes und steht damit unter dem Schutz der Verfassung.

Das bedeutet, dass es immer im Kern ein Pflichtteilsrecht im deutschen Erbrecht geben muss und der Gesetzgeber nur die genauen Ausgestaltungen beim Pflichtteil ändern darf.

Pflichtteil verringern, (wie) geht das?

Wenn Eltern pflichtteilsberechtigte Kinder komplett “enterben” wollen, funktioniert das meist nicht. Denn das deutsche Erbrecht erlaubt nur im absoluten Ausnahmefall, dass jemand seine Verwandten vom Pflichtteil ausschließt. Es gibt mehrere Wege, dass zu versuchen:

Versuch eins ist, den Pflichtteilsberechtigten einfach nicht zu enterben, damit er keinen Pflichtteilsanspruch hat. Das führt zum Thema Zusatzpflichtteil bzw. Restpflichtteil.

Versuch 2 ist, das Erbe vor dem Tod durch Schenkung so zu verringern, dass der Pflichtteilsberechtigte seine Quote nur vom entwerteten Nachlass bekommt. Eine Untervariante ist, den Pflichtteilsberechtigten zum (Allein-)Erben am entwerteten Erbe zu machen.  Hier greift dann das Thema Pflichtteilsergänzungsanspruch.

Versuch 3: Den Pflichtteil des Enterbten dadurch verringern, dass die Erbmasse durch hohe Vermächtnisse geschmälert wird, funktioniert ebenfalls nicht.

Denn Ansprüche auf Zahlung des Pflichtteils sind grundsätzlich vorrangig vor einem Vermächtnis zu erfüllen. Dieser allgemeine Grundsatz wird aus § 327 Insolvenzordnung geschlussfolgert, vgl. Palandt/Weidlich, 2017, BGB § 2311 Rn. 5. (BGH 16. September 1987 – IVa ZR 97/86 – NJW 1988, 136, 137, bestätigt und zitiert durch BGH Urteil vom 27.08.2014 – XII ZB 133/12, Rn. 20). Der Pflichtteil berechnet sich also aus der vollen Erbmasse. Oder anders ausgedrückt: Für die Berechnung des Pflichtteilsanspruchs gilt ein Vermächtnis nicht als Nachlassverbindlichkeit.

Versuch 4 ist, wenn man Pflichtteilsberechtigte als Erbe einsetzt, gleichzeitig aber hohe Vermächtnisse an Dritte ausbringt. Hier greift dann § 2318 BGB.

Vor- und Nacherbschaft zur Verringerung von Pflichtteilsansprüchen

Gerade in Patchwork-Familien ist folgende Gestaltung möglich, um Pflichtteile ungeliebter Kinder zu reduzieren:

Der Vater oder die Mutter des Kindes, dessen Erbteil verringert werden soll, erbt nichts, wenn der Ehepartner stirbt. Dann erhöht dessen Vermögen auch nicht den späteren Nachlass des überlebenden Ehegatten. Der Pflichtteil des Kindes berechnet sich nur aus dem Vermögen des eigenen Elternteils.

Wenn eine Enterbung des Ehegatten nicht gewollt ist, erreicht man das gleiche Ergebnis auch durch eine Beschränkung des überlebenden Ehegatten: Er wird zwar Erbe, aber nur als Vorerbe. Details finden Sie hier.

Da die Vorerbschaft kompliziert und streitanfällig ist, insbesondere wenn es um Grundstücke im Nachlass geht, und auch ungünstige Steuerfolgen hat, sollten Sie sich für solche Regelungen immer fachkundig beraten lassen.

Kann man den Pflichtteil durch Schenkungen reduzieren?

Ja, bei langfristiger Planung kann das klappen. Zu beachten ist aber der Pflichtteilsergänzungsanspruch und die in diesem Zusammenhang wichtige 10-Jahres-Frist.

Kann man den Pflichtteil durch ein Vermächtnis reduzieren?

Ein Vermächtnis reduziert zwar den Nachlass, wirkt sich aber nicht auf die Höhe des Pflichtteilsanspruchs aus. Warum das so ist lesen Sie hier.

Was ist der Pflichtteil genau?

Der Pflichtteilsanspruch ist ein Mindestanspruch von nahen gesetzlichen Erben am Nachlass, wenn er nicht Erbe wird. Nur im Ausnahmefall kann der Erblasser auch den Pflichtteilsanspruch entziehen.

Da der Pflichtteilsberechtigte von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen wurde, wird er nicht Erbe. Der Pflichtteilsberechtigte tritt somit auch nicht in eine Erbengemeinschaft mit den Erben ein.

Der Pflichtteilsanspruch richtet sich auch nicht auf einen Anteil am Erbe, sondern ist ein Zahlungsanspruch gegen die Erben. Da der Pflichtteilsanspruch nur auf die Zahlung einer Geldsumme gerichtet ist, kann im Einzelfall ein Pflichtteilsrecht sogar günstiger sein als ein Anteil am Erbe, dass kompliziert verwertet werden muss oder bei dem es Streit zwischen den Miterben gibt:

Die Vorteile des Pflichtteilsberechtigten zusammengefasst:

(1)       Er muss sich nicht in einer Erbengemeinschaft oder mit den Gläubigern des Verstorbenen auseinandersetzen oder sogar streiten.

(2)       Der Pflichtteilsberechtigte erhält sein Geld auch bei einem schwer verwertbaren Erbe.

(3)       Ein Wertverfall des Erbes, der beispielsweise aus langwierigen Erbstreitigkeiten resultieren kann, hat keine Auswirkungen auf die Höhe des Pflichtteils: Für die Bewertung des Nachlasses, der Grundlage für die Berechnung des Pflichtteils ist, kommt es nur auf den Verkehrswert zur Zeit des Erbfalles an. Ein Wertverlust (allerdings auch ein Wertgewinn wie etwa beim geerbten Aktiendepot, dessen Börsenwert steigt ) ist für die Höhe des Pflichtteils nicht zu berücksichtigen.

Nachteilig ist natürlich, dass der Pflichtteilsberechtigte  – im Vergleich zum gesetzlichen Erbteil – wertmäßig nur die Hälfte „erbt“.

Wann gibt es einen Pflichtteil?

Der Pflichtteilsanspruch kann nur entstehen, wenn der Verstorbene seinen Ehegatten oder einen Verwandten, der pflichtteilsberechtigt ist, durch Testament  oder Erbvertrag enterbt. Gibt es keine letztwillige Verfügung, wird nach gesetzlicher Erbfolge vererbt. Die eigentlich Pflichtteilsberechtigten werden gesetzliche Erben und haben keinen Pflichtteilsanspruch.

Daher stellt sich die Frage was passierte, wenn ein pflichteilsberechtigter Erbe so benachteiligt wird, dass er im Testament nur einen Bruchteil seines Erbes bekommt:

Hat auch der Erbe einen Pflichtteilsanspruch?

Den eigentlichen Pflichtteilsanspruch hat ein Erbe zwar nicht.

Hat der pflichtteilsberechtigte Erbe aber durch Testament weniger als die Hälfte des gesetzlichen Erbteils erhalten,  hat er einen so genannten Pflichtteilsrestanspruch bzw. Zusatzpflichtteil (§ 2305 BGB),

Beispiel: Statt der gesetzlichen Erbquote von 1/2 neben der überlebenden Ehefrau erhält der einzige Sohn als Erbe durch Testament nur 1/5 des Erbes. Die Differenz zwischen 1/5 und 1/4 als Hälfte des gesetzlichen Erbteils ist dann der Pflichtteilsrestanspruch.

Über diesen Pflichtteilsrestanspruch hinaus kann der Erbe noch einen Pflichtteilsergänzungsanspruch haben, wenn das Erbe vorher durch Schenkungen verringert wurde.

Diesen Zusatzpflichtteil bis zur Höhe des Pflichtteilsanspruchs kann der Erbe zusätzlich zum Erbteil von den anderen Erben verlangen.

Fazit: Ein Pflichtteilsanspruch entsteht auch, wenn der Pflichtteilsberechtige zwar formal Erbe wird, aber sein testamentarischer Erbteil geringer als die Hälfte seines gesetzlichen Erbteils ist. Der Pflichtteilsanspruch lässt sich also auch nicht dadurch verhindern, indem man einen Pflichtteilsberechtigten formal nicht enterbt, ihm aber nur ein kleines Erbteil hinterlässt.

Mehr zum Restpflichtteil (=Zusatzpflichtteil)

Welche Familienmitglieder haben ein Pflichtteilsrecht?

Ein Pflichtteilsrecht haben nur der Ehegatte (oder der eingetragene Lebenspartner), ein Abkömmling des Erblassers und die Eltern des Erblassers, § 2303 BGB.

Die Geschwister des Verstorbenen haben kein Pflichtteilsrecht und gehen bei einer Enterbung durch Testament leer aus. Sie haben auch dann kein Pflichtteilsrecht, wenn sie gesetzliche Erben wären – weil der Verstorbene keine eigenen Kinder hat und die mit den Geschwistern gemeinsamen Eltern verstorben sind. Daher lässt sich das Erbrecht von Geschwistern durch ein Testament komplett verhindern.

Pflichtteilsrecht der Abkömmlinge: Wer sind Abkömmlinge?

Das Erbrecht gibt ein Pflichtteilsrecht in erster Linie den „Abkömmlingen“ des verstorbenen Erblassers.  Die „Abkömmlinge“ des Erblassers sind seine Kinder, Enkel, Urenkel etc..

Beim Tode eines Vaters oder einer Mutter sind nicht nur die ehelichen, sondern auch die nichtehelichen Kinder Abkömmlinge und damit pflichtteilsberechtigt. Stiefkinder – also die Kinder des Partners – sind nur dann rechtlich Abkömmlinge, wenn sie adoptiert wurden.

Ein Abkömmling ist dann pflichtteilsberechtigt, wenn er enterbt ist und kein näherer Verwandter zwischen ihm und dem Erblasser steht, der den Pflichtteil verlangen kann, § 2309 BGB. Der Ausschluss durch nähere Verwandte gilt deswegen, da auch bei gesetzlicher Erbfolge der weiter entfernte Erbe durch die näheren Verwandten ausgeschlossen wird.

Beispiel für Pflichtteilsrecht: Sohn und Enkel sind beide durch Testament von der Erbfolge ausgeschlossen. Wie beim gesetzlichen Erbrecht erhält der Enkel auch keinen Pflichtteil, weil sein Vater noch lebt und ihn rechtlich ausschließt. Ob der Vater seinen Pflichtteil tatsächlich verlangt, ist unerheblich.

Der Sohn hätte nur dann einen Pflichtteilsanspruch, wenn der Vater vorab auf seinen Pflichtteil oder das Erbe (der Erbverzicht führt zum Pflichtteilsverzicht, § 2346 Abs. 1 S. 2 BGB) verzichtet hätte, er pflichtteilsunwürdig wäre (§ 2345 Abs. 2 BGB) oder ihm der Pflichtteil entzogen wurde (§§ 2333 ff. BGB).

Achtung: OLG Koblenz Urteil vom 06.06.2011 -10 U 150/11 – § 2349 BGB analog auch auf nur Pflichtteilsverzicht, damit gilt Verzicht des Kindes auch für seine Kinder, also für die Enkel. Daher Achtung beim Notarvertrag: Klarstellung, ob Erstreckung auf Enkel ja oder nein.

BGH Urteil vom 27.06.2012, IV ZR 239/10: Die Tochter verzichtet auf ihre Erb- und Pflichtteilsansprüche. Der Vater setzt sie – nach dem Tod seiner Ehefrau – trotzdem testamentarisch als Alleinerbin ein. Die Enkelin hat einen Pflichtteilsanspruch gegen ihre Mutter (=die Tochter des Verstorbenen), weil die Tochter gemäß § 2346 als vorverstorben gilt.

Ein Pflichtteilsanspruch der Enkel stünde auch im Raum, wenn deren Elternteil pflichtteilsunwürdig wäre (§ 2345 Abs. 2 BGB) oder ihm der Pflichtteil entzogen wurde (§§ 2333 ff. BGB), dazu BGH v. 13.4.11 – IV ZR 204/09 – § 2309 BGB greift hier nicht, weil die Norm nur die Vervielfältigung der Pflichtteile verhindern will.

Pflichtteilsrecht des Ehegatten und eingetragenen Lebenspartners

Der Ehegatte des Erblassers ist ebenfalls pflichtteilsberechtigt. Ein Pflichtteilsanspruch entsteht in zwei Konstellationen:

a)         wenn der Ehegatte enterbt wurde oder

b)         wenn der Ehegatte zwar nicht enterbt ist, aber der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft bestand und er die Erbschaft ausschlägt.

Ein Pflichtteilsrecht kann somit auch durch den nicht enterbten Ehegatten geltend gemacht werden, der das Erbe ausschlägt („Taktische Ausschlagung“).

Hintergrund: Lebten die Ehegatten im Güterstand der Zugewinngemeinschaft  kann der Ehegatte sein Erbe ausschlagen und stattdessen den Zugewinn und den Pflichtteil fordern, § 1371 Abs. 3 BGB. Der Güterstand Zugewinngemeinschaft ist in Deutschland der Normalfall und gilt immer dann, wenn kein Ehevertrag beim Notar geschlossen wurde.

Das gleiche gilt für den gleichgeschlechtlichen Lebenspartner, der zum Zeitpunkt des Erbfalles eine rechtsgültige Lebenspartnerschaft mit dem verstorbenen hatte. Dies ergibt sich aus dem Lebenspartnerschaftsgesetz, § 10 Abs. 6 LPartG.

Pflichtteilsrecht der Eltern

Die Eltern des Erblassers sind bei Enterbung nur dann pflichtteilsberechtigt, wenn keine erbberechtigten Abkömmlinge (Kinder, Enkel, Urenkel) des Erblassers mehr leben oder diese das Erbe ausgeschlagen haben oder erbunwürdig sind, § 2309 BGB. Die Eltern sind also nur pflichtteilsberechtigt, wenn sie ohne Enterbung auch gesetzliche Erben geworden wären und nicht durch nähere Verwandte in der Erbfolge verdrängt worden wären.

Auch der Vater eines nichtehelichen Kindes ist pflichtteilsberechtigt, wenn die Vaterschaft anerkannt oder gerichtlich festgestellt ist.

Besonderheiten bei Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs bei Testamentsvollstreckung

Übertragung des Pflichtteilsanspruches auf Dritte?

Der Anspruch auf den Pflichteil ist vererblich und kann auf Dritte vom Pflichteilsberechtigten übertragen werden, § 2317 Abs. 2 BGB. Daher kan der Pflichtteil auch gemäß § 398 BGB abgetreten werden.

Gläubiger des Pflichteilsberechtigten können Pflichtteilsanspruch nicht pfänden

Der Pflichteilsanspruch ist zwar abtretbar, er kann aber nicht gegen den Willen des Pflichtteilsberechtigten geltend gemacht werden (Achtung: Sonderregelungen bei Sozialhilfe, siehe unten)

Im Grundsatz können abtretbare Forderungen auch gepfändet werden, § 851 Abs. ZPO.   § 852 I ZPO regelt als Ausnahme für den Pflichteilsanspruch, dass der Pflichtteilsanspruch erst pfändbar, wenn er durch Vertrag anerkannt oder rechtshängig geworden ist. § 852 Abs. 1 ZPO.  Sinn dieser Regelungin der Zivilprozesssordnung ist, dass der Pflichtteilsanspruch wegen seiner familienrechtlichen Grundlage nicht gegen den Willen des Pflichteilsberechtigten geltend gemacht werden kann.

Der Pflichtteilsberechtigte kann selbst bestimmen, ob der Pflichteilsanspruch geltend gemacht wird oder nicht. Damit kann ein Pflichteilsberechtigter, der wegen Überschuldung enterbt wurde, selbst bestimmen, ob seine Gläubiger was vom Nachlass verwerten können oder nicht.

Achtung: Pflichtteilsanspruch des Sozialhilfeträgers

Der Pflichtteilsanspruch kann bei einem Pflichtteilsberechtigten auch vom Sozialhilfeträger/dem Jobcenter auf sich übergeleitet werden bzw. der Anspruch geht sogar automatisch über. Zu Sozialrecht/Hartz IV und Erbrecht lesen Sie hier weiter.

Der mögliche Pflichtteilsanspruch etwa eines sozialhilfeberechtigten Kindes oder eines verarmten Elternteils in einem Pflegeheim muss auch dann beachtet werden, wenn klar ist, dass der Pflichtteilsberechtigte seine Ansprüche nicht geltend machen wird, weil ihn das Jobcenter oder die Sozialhilfebehörde bei der Geltendmachung dieser Ansprüche nicht fragen wird.

Hier hilft bei der Nachlassplanung weder eine Enterbung (führt zu Pflichtteil) noch einer Verschenkung (führt zu Pflichteilsergänzungsanspruch), sondern nur ein durchdachtes Testament! Wir beraten Sie dazu! Alternativ kommt auch ein Pflichtteilsverzicht in Betracht.

Kein Pflichtteilsrecht bei Ausschlagung des Erbes

Andere Angehörige, wie Geschwister oder Großeltern, haben kein Pflichtteilsrecht. Ein Pflichtteilsanspruch steht – bis auf eine Ausnahme – auch demjenigen Verwandten nicht zu, der die Erbschaft ausgeschlagen hat.  Die Ausnahme gilt dann, wenn ein Erbe ausschlägt, weil sein Erbteil belastet ist entweder durch eine Nacherbschaft, Testamenstvollstreckung oder eine Teilungsansordnung, § 2306 BGB.

Nur der Ehegatte im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft darf das unbelastete Erbe ausschlagen und erhält dann neben seinem Zugewinn aus der Ehe auch einen Pflichtteil. Diese Besonderheit erklärt sich aber aus dem güterrechtlichen Konzept im Eherecht.

Beide Ausnahmen können nach dem Erbfall wichtig sein, um z.B. die Rechtsfolgen eines „verunglückten“ Testament zu korrigieren, oder wenigstens abzumildern. Das betrifft insbesondere nicht bedachte Erbschaftssteuer, die man mit einer „taktischen Ausschlagung“ und Geltendmachung des Pflichtteils optimieren kann.

Wie hoch ist der Pflichtteil?

Der Pflichtteil besteht in der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils am Nachlass. Für den Wert des Nachlasses zählt der Todestag des Erblassers.

Die Höhe des Pflichtteils errechnet sich somit aus zwei Faktoren:

a)         der Pflichtteilsquote (das ist immer die Hälfte der gesetzlichen Erbquote) und

b)         dem Bestand und Wert des Nachlasses zum Todestag.

Die Pflichtteilsquote (als Hälfte der gesetzlichen Erbquote) wird für jeden Pflichtteilsberechtigten extra abstrakt bestimmt. Bei der Feststellung der gesetzlichen Erbquote werden auch die gesetzlichen Erben berücksichtigt, die enterbt wurden, ausgeschlagen haben oder erbunwürdig sind. Nur wer durch Erbverzicht von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen ist, wird bei der Berechnung nicht berücksichtigt (oder anders ausgedrückt: erbrechtlich so behandelt, als hätte er nie gelebt).

Beispiel: Ein verwitweter Mann verstirbt und hinterlässt zwei Kinder. In einem Testament hat er ein Kind enterbt. Das andere Kind wird Alleinerbe.

Wären beide Kinder gesetzliche Erben geworden, hätten sie zu je 1/2 geerbt. Der Pflichtteil davon ist die Hälfte, also 1/4. Das enterbte Kind kann vom anderen Kind, das Erbe geworden ist, ein 1/4 des Nachlasses in Geld verlangen.

Beim enterbten Ehegatten bzw. beim Ehegatten, der taktisch sein Erbe ausgeschlagen hat, ist die Berechnung des gesetzlichen Erbteils und damit der Pflichtteilsquote komplizierter als bei den Verwandten, weil sie von ehelichen Güterstand (entweder Zugewinngemeinschaft, Gütertrennung oder Gütergemeinschaft) und dem Verwandtschaftsgrad der Erben zum Erblasser abhängen.

Der Wert des Nachlasses wird in drei Schritten ermittelt:

Schritt 1: Ermittlung des Aktivbestandes (Guthaben) mit Wert zum Todestag

Schritt 2: Ermittlung des Passivbestandes (Verpflichtungen) mit Wert zum Todestages

Schritt 3: Die Differenz zwischen Aktiva und Passiva ist dann Grundlage der Pflichtteilsberechnung. Ist das Ergebnis negativ, gibt es auch keinen Pflichtteilsanspruch.

Zu beachten sind für die Höhe des Pflichtteils auch Schenkungen des Erblassers an den Pflichtteilsberechtigten (siehe unten: Pflichtteilsergänzung)

Der Pflichtteilsanspruch ist ein Anspruch auf Zahlung von Geld gegen den Erben, der Pflichtteilsberechtigte wird weder Miterbe noch hat er einen Anspruch auf konkrete Gegenstände im Erbe.

Pflichtteilsberechnung bei Miteigentumsanteil an Hausgrundstück

Für die Berechnung des Wertes eines Miteigentumsanteils an einem Hausgrundstück zur Berechnung des Pflichteilsanspruchs kommt es im Regelfall auch auf den Verkehrswert des Hauses an,  BGH – Urteil vom 13.05.2015 – IV ZR 138/14.

Ist kein weiteres Vermögen vorhanden, kann der Pflichtteilsanspruch dazu führen, dass der Erbe das Hausgrundstück verkaufen muss, um den Pflichtteil  bezahlen zu können.

Verzinsung des Pflichtteils

Muss der Erbe auf den Pflichtteil Zinsen zahlen?

Der Pflichtteil ist zwar mit dem Erbfall zur Zahlung fällig

Aber erst eine Mahnung durch den Pflichtteilsberechtigten setzt den Erben in Verzug.

Erst als Folge des Verzuges schuldet der Erbe Zinsen auf den Pflichtteil.

Fazit: Ohne Inverzugsetzung  schuldet der Erbe keine Zinsen auf den Pflichtteil!

Stundung der Auszahlung des Pflichtteils

Der Pflichtteilsanspruch ist ein Anspruch auf Geld. Besteht das Erbe beispielsweise nur aus einem Hausgrundstück, kann das für den Erben zu einer großen Härte führen, weil er das notwendige Geld nicht hat. Er müsste, um den Pflichtteilsanspruch zu bezahlen, das Haus verkaufen. Eine besondere Härte ist das allein aus Sicht der Rechtsprechung wohl nicht, siehe BGH.

Nach dem neuen § 2331a BGB kann der Erbe bei „unbilliger Härte“ eine Stundung der Zahlung des Erbteils verlangen. Das Gesetz nennt beispielhaft als „unbilliger Härte“ die Aufgabe des Familienheims oder die Veräußerung eines Unternehmens, von dem der Erbe lebt.

Über eine Stundung entscheidet auf Antrag des Erben das Nachlassgericht.

Muss man sich Schenkungen auf den Pflichtteil anrechnen lassen?

Häufig werden Kinder im Testament der Eltern enterbt, weil sie zu Lebzeiten schon erhebliche Schenkungen erhalten haben. Eltern wollen dann ein faires Testament schaffen, dass die Kinder, die keine Schenkungen bekommen haben, zum Erben macht.

Hier entstehen Pflichtteilsansprüche des enterbten Kindes. Die Schenkungen, die das enterbte Kind zu Lebzeiten von den Eltern bekommen hat, sind – anders als dies die Eltern vielleicht bei der Testamentserstellung gedacht haben – auf den Pflichtteil nur dann anzurechnen, wenn das schon im Zeitpunkt der Schenkung so bestimmt wurde.

Die eindeutige Regelung in § 2315 BGB kann man auch nicht im Nachhinein „reparieren“.

Auch andere Zuwendungen an Kinder zu Lebzeiten des Verstorbenen (nach § 2050 BGB) sind zwischen den Kindern bei der Berechnung des Pflichtteils zu berücksichtigen und auszugleichen.

Auch Pflegeleistungen von Kindern, die dafür als Erben einen Ausgleich gemäߧ 2057a BGB verlangen können, müssen bei der Pflichtteilsberechnung gegen diese Erben berücksichtigt werden, § 2316 BGB.

Ist der Pflichtteilsberechtigte verpflichtet, den Pflichtteil geltend zu machen?

Der Pflichtteilsberechtigte ist nicht verpflichtet, seinen Pflichtteil geltend zu machen. Auch Gläubiger des Pflichtteilsberechtigten können ihn nicht dazu zwingen.

Aber Achtung: Die Träger der Sozialhilfe sind privilegiert: Nach § 93 I SGB XII kann das Sozialamt durch schriftliche Anzeige an den Erben erreichen, dass der Pflichtteilsanspruch bis zur Höhe der Sozialleistungen auf den Träger der Sozialhilfe übergeht.

Bei der Nachfolgeplanung muss beachtet werden, wenn Familienmitglieder Sozialhilfe oder Bürgergeld beziehen. Eine bloße Enterbung reicht häufig nicht, da dies den Pflichtteilsanspruch auslöst, den der Sozialhilfeträger auch ohne den Willen des Enterbten geltend machen kann.

Kann man den Pflichtteil schon zu Lebzeiten des Erblassers verlangen?

Es besteht zwar ein Pflichtteilsrecht (auf das man durch Vertrag mit dem Erblasser verzichten kann), aber es gibt zu Lebzeiten noch keinen Pflichtteilsanspruch, also das Recht, die Auszahlung des Pflichtteils zu verlangen.

Zu Lebzeiten kann jeder mit seinem Vermögen machen, was er will. Man muss auch nicht auf Pflichtteilsberechtigte Rücksicht nehmen und kann sein Vermögen ausgeben.

Wird aber das Erbe gezielt durch Schenkungen ausgehöhlt, besteht ein gewisser Schutz des Pflichtteilsberechtigten. Der Pflichtteilsberechtigte kann Pflichtteilsergänzungsansprüche, die einen Ausgleich für Schenkungen zu Lebzeiten des Erblassers schaffen, geltend machen.

Muss für den Pflichtteil Erbschaftssteuer bezahlt werden?

Ja, auch Pflichtteilsansprüche unterfallen der Erbschaftssteuer. Häufig haben die Pflichtteilsberechtigten als nahe Angehörige aber hohe Freibeträge bei der Erbschaftssteuer. Im Ergebnis muss dann keine Steuer gezahlt werden.

Bei großem Vermögen und damit großem Pflichtteil kann aber Erbschaftssteuer anfallen.

Achtung: Die Erbschaftssteuer entsteht mit der Geltendmachung des Pflichtteils, nicht erst bei tatsächlicher Auszahlung!

Kann man auf seinen Pflichtteil verzichten?

Ein gesetzlicher Erbe kann freiwillig sowohl auf sein Erbe als auch nur auf seinen Pflichtteil verzichten. Der Pflichtteilsverzicht kann ein wirksames Mittel der weitsichtigen Vorsorgeplanung sein. Auf seinen Pflichtteil kann man – durch notarielle Erklärung – schon vor dem Todesfall oder durch einfaches Nichtgeltendmachenn nach dem Tod – verzichten. Details zum lebzeitigen Pflichtteilsverzicht finden Sie hier.

Kann der Pflichtteilsberechtigte bereits zu Lebzeiten Zahlung des Pflichtteils fordern?

Nein, ein Anspruch auf den Pflichtteil entsteht erst mit dem Tod des Erblassers. Das ist ausdrücklich klargestellt in § 2317 Absatz 1 BGB. Vor dem Tod hat der Pflichtteilsberechtigte keine Ansprüche.

Wenn sich der spätere Erblasser und der Pflichtteilsberechtigte schon zu Lebzeiten einigen, kann der Pflichtteilsberechtigte bereits vorab Geld als Abfindung erhalten, wenn er im Gegenzug auf den Pflichtteil verzichtet. Das kann für beide Seiten vorteilhaft sein. Der spätere Erblasser ist bei der Nachlassgestaltung viel freier. Schenkungen, die nur gemacht würden, um Pflichtteile zu vermindern, braucht man nicht mehr.

Der Pflichtteilsberechtigte bekommt einen planbaren Betrag Geld zu einem Zeitpunkt, an dem er es braucht und nicht irgenwann in der Zukunft, vielleicht geschmälert durch Schenkungen.

Achtung: Der Pflichtteilsverzicht muss in notarieller Form gemacht werden.

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