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28. Mai 2020 – Verkauf eines Grundstücks mit Wohnrecht oder Nießbrauch im Pflichtteilsrecht

Gemischte Schenkungen sind eine komplizierte rechtliche Konstruktion, die im allgemeinen Zivilrecht, aber auch bei der Pflichtteilsergänzung im Erbrecht eine große Rolle spielt. Was eine gemischte Schenkung ist und wie sie rechtlich konstruiert ist, erläutere ich in einem weiteren Artikel. Wie sich Schenkungen auf den Pflichtteil auswirken, stelle ich hier dar. Im Folgenden zeige ich anhand eines konkreten Beispiels, wie eine gemischte Schenkung hinsichtlich des Pflichtteils bewertet wird.

Ist der Verkauf eines Grundstücks mit Wohnrecht oder Nießbrauch eine gemischte Schenkung?

Wird ein Grundstück gegen die Einräumung eines Wohnrechts oder eines Nießbrauchs übertragen, kann es sich um eine gemischte Schenkung handeln. Dann würde sich ein Pflichtteilsanspruch erhöhen. Ob aber eine gemischte Schenkung gegeben ist, hängt im Einzelfall von den Werten der Gegenstände ab.

Eine gemischte Schenkung ist in der Regel dann gegeben, wenn die vereinbarten Leistungen – der Kaufpreis und das mit dem Wohnrecht oder Nießbrauch belastete Grundstücks – in einem groben Missverhältnis stehen. Dafür kommt es auf den Wert der Leistungen im Zeitpunkt des Vertragsvollzugs an.

Die maßgeblichen Werte: Kaufpreis, Grundstück samt Wohnrecht oder Nießbrauch

Der Wert des Wohnrechts oder Nießbrauchs ergibt sich aus dem Mietwert der Wohnung oder des Hauses und dem voraussichtlichen Lebensalter derjenigen Person, welcher das Recht zugute kommen soll. Der Wert eines Wohnrechts ist nicht so hoch wie der eines Nießbrauchs, da ein Nießbrauch noch mehr Befugnisse gewährt.

Beispiel: Die 64-jährige Witwe Anna verkauft ihr Hausgrundstück zum Preis von 5.000 Euro an ihren Lebensgefährten. Das Grundstück hat einen Wert von 127.000 Euro. Die beiden vereinbaren ein lebenslanges Nießbrauchsrecht für Anna, die noch bis zu ihrem Tod in dem Haus leben will (angelehnt an OLG Koblenz, Beschluss vom 06. März 2006, Az.: 6 W 114/06).

Anna erhält hier den Kaufpreis. Ihr Lebensgefährte erhält das Grundstück. Allerdings behält Anna an dem Grundstück noch ein lebenslanges Nießbrauchsrecht.

Die Werte der einzelnen Positionen sind gegenüberzustellen. Besteht zwischen ihnen ein grobes Missverhältnis, wird eine gemischte Schenkung vermutet. Besteht hingegen kein grobes Missverhältnis, liegt keine gemischte Schenkung vor.

Anna hat von ihrem Lebensgefährten einen Kaufpreis von 5.000 Euro bekommen. Der Wert des Grundstücks beträgt 127.000 Euro. Hier läge ein grobes Missverhältnis vor. Der Lebensgefährte hat aber ein Grundstück bekommen, an dem Anna ein Nießbrauchsrecht behält. Es kommt also darauf an, wie sich der Wert des Nießbrauchs auswirkt.

Der Wert des Nießbrauchs richtet sich nach dem Mietwert und der Lebenserwartung von Anna. Diese liegt nach den Sterbetafeln bei 86 Jahren, sodass die 64-Jährige voraussichtlich noch 22 Jahre in dem Haus wohnen wird. Der Mietwert des Hauses beträgt monatlich 400 Euro. Demnach ergibt sich für den Nießbrauch ein Wert von 22 (Jahren) x 12 (Monaten) x 400 Euro, also 105.600 Euro.

Folglich hat der Lebensgefährte ein Grundstück (im Wert von 127.000 Euro) erhalten, dessen Wert durch den Nießbrauch (im Wert von 105.600 Euro) gemindert ist. Im Ergebnis wird ihm also ein Wert von 21.400 Euro (=127.000 Euro-105.600) übertragen.

Im Ergebnis haben Anna einen Kaufpreis von 5.000 Euro und ihr Lebensgefährte ein Grundstück im Wert von 21.400 Euro erhalten.

Keine gemischte Schenkung, keine Ergänzung des Pflichtteils

Die Werte stehen nach Auffassung des Oberlandesgerichts nicht in einem groben Missverhältnis. Eine Differenz von weniger als einem Fünftel des Grundstückswertes (der 25.400 Euro entspricht und hier nicht erreicht ist) genüge dafür noch nicht. Eine gemischte Schenkung wurde nicht vermutet (OLG Koblenz, Beschluss vom 06. März 2006, Az.: 6 W 114/06).

Da hier vom Gericht keine gemischte Schenkung angenommen wurde, würde sich ein Pflichtteilsanspruch nicht erhöhen. Denn das Gericht ging davon aus, dass die Parteien keine teilweise Schenkung beabsichtigt haben, sondern einen Vertrag schlossen, in dem Leistung und Gegenleistung gleichwertig sind. Folglich bestünde kein Pflichtteilsergänzungsanspruch.

Lassen Sie sich bei Schenkungen von mir beraten!

Rechtsanwalt Alexander Grundmann.

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