Als gemischte Schenkung wird ein Vertrag bezeichnet, der zum Teil unentgeltliche Schenkung und zum anderen Teil entgeltlich ist. Im Folgenden zeige ich, wie sich eine gemischte Schenkung auf den Pflichtteil auswirkt. In einem weiteren Artikel stelle ich anhand eines konkreten Falles dar, wie das Vorliegen einer gemischten Schenkung im Hinblick auf den Pflichtteil geprüft wird. Außerdem erläutere ich hier, was gemischte Schenkungen rechtlich sind.
Gemischte Schenkung kann nur teilweise auf den Pflichtteil angerechnet werden
Pflichtteilsberechtigte haben Anspruch auf die Hälfte ihres gesetzlichen Erbes, den Pflichtteil. Verschenkt der Erblasser vor seinem Tod Gegenstände, reduziert sich der Pflichtteil, da das Vermögen des Erblassers abnimmt. Solche Schenkungen werden nach § 2325 BGB auf den Pflichtteilsanspruch angerechnet, damit der Erblasser den Pflichtteil nicht willkürlich reduzieren und so die Berechtigten davon ausschließen kann. Schenkungen sind auf den Pflichtteil mit dem Wert anzurechnen, den der verschenkte Gegenstand zum Zeitpunkt seiner Übertragung hatte.
Bei gemischten Schenkungen ist das anders. Da sie nur zum Teil Schenkungen sind, erhöht sich der Pflichtteil nach § 2325 BGB nur um den Wert dieses Teils. Der entgeltliche Teil der gemischten Schenkung bleibt unberücksichtigt (BGH, Urt. v. 21. Juni 1972, Az.: IV ZR 221/69, juris-Rn. 15; Mayer/Süß/Tanck/Bittler/Wälzholz, Handbuch Pflichtteilsrecht, 3. Aufl. 2013, § 7 Rn. 107, MüKo/Lange, BGB, 8. Aufl. 2020, § 2325 Rn. 20; Palandt/Weidlich, BGB, 76. Aufl. 2017, § 2325 Rn. 9).
Mit welchem Wert sind gemischte Schenkungen auf den Pflichtteil anzurechnen?
Folgende Schritte prüft ein Gericht bei der Berechnung des Pflichtteils:
- Welchen objektiven Wert haben die ausgetauschten Leistungen?
- Welche Vorstellung hatten die Parteien von den Werten der Leistungen?
- Ist die Abweichung der Vorstellungen von den objektiven Werten vertretbar?
Entscheidend für die Ergänzung des Pflichtteils ist, welchen Wert der geschenkte Teil der gemischten Schenkung hat. „Normale“ Schenkungen werden bei der Ermittlung des Pflichtteils mit dem objektiven Wert des geschenkten Gegenstands berücksichtigt, also mit dem sog. Verkehrswert. Dies ist bei gemischten Schenkungen anders. Hier haben die Vertragsparteien Einfluss darauf, welche Werte im Pflichtteil berücksichtigt werden. Sie können die Parteien in gewissem Rahmen selbst bestimmen, wie hoch der Wert der Schenkung ist. So können sie sich auch einig sein, dass keine Schenkung vorliegt, sondern zum Beispiel ein „Schnäppchen“. Dann handelt es sich um einen Kauf, ohne dass eine anteilige und somit gemischte Schenkung vorliegt.
Beispiel: Anna verkauft ihr Hausgrundstück im Wert von 1.000.000 Euro an ihre Nichte zu einem Preis von 200.000 Euro. Dabei sind sich beide einig, dass das Hausgrundstück gekauft und nicht verschenkt wird.
Im Beispiel haben Anna und ihre Nichte vereinbart, dass das Hausgrundstück zum vereinbarten Preis gekauft wird und gerade keine teilweise Schenkung im Wert von 800.000 Euro vorliegen soll. Diese Vorstellung der Vertragsparteien ist für die rechtliche Bewertung der Ausgangspunkt.
Die Parteien können also grundsätzlich eine Schenkung ausschließen. Problematisch ist, dass sich dann der Pflichtteil nicht erhöht – es ist ja nach dem Willen der Vertragspartner keine teilweise Schenkung gegeben. Das ist etwas überraschend, da die Rechtsprechung darauf bedacht ist, den Pflichtteil zu schützen.
Achtung: Kontrolle der Wertvorstellungen durch die Gerichte
Die Rechtsprechung schützt die Pflichtteilsberechtigten davor, dass der Erblasser den Pflichtteil durch eine solche Vertragsgestaltung missbräuchlich reduziert.
Eine gemischte Schenkung wird dann vermutet, wenn zwischen Leistung und Gegenleistung ein grobes Missverhältnis besteht, das den Beteiligten nicht verborgen geblieben sein kann (BGH, Urt. v. 21. Juni 1972, Az.: IV ZR 221/69, juris-Rn. 15).
Wann ein solches grobes Missverhältnis vorliegt, ist im Einzelfall zu bewerten. Grundsätzlich ist von einem groben Missverhältnis auszugehen, wenn der Verkehrswert der Gegenstände um mehr als 20 – 25% von den Vorstellungen der Personen darüber abweicht (OLG Koblenz, Beschl. v. 06. März 2006, Az.: 6 W 114/06, juris-Rn. 16; Krug/Rudolf/Kroiß/Bittler, Anwaltformulare Erbrecht, 5. Aufl. 2015, § 1 Rn. 29).
Diese Wertgrenze kann sich aber durch die konkreten Umstände verschieben. Bei engen persönlichen Bindungen – wie etwa unter Familienmitgliedern – haben die Parteien einen besonders weiten Spielraum. Höhere Abweichungen von den Verkehrswerten werden dort von der Rechtsprechung gebilligt (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 26. Oktober 2009, Az.: 3 U 22/09, juris Rn. 20). Im Ergebnis ist entscheidend, ob die von den Parteien zugrunde gelegten Werte bei verständiger Würdigung der konkreten Umstände vertretbar sind.
Liegt demnach ein grobes Missverhältnis vor, wird eine gemischte Schenkung vermutet, der Pflichtteil erhöht sich um den Wert der teilweisen Schenkung.
Wer muss beweisen, dass eine gemischte Schenkung vorliegt?
Der Pflichtteilsberechtigte muss im Verfahren vor Gericht beweisen, dass der Vertrag teilweise unentgeltlich war, also eine gemischte Schenkung vorliegt. Denn dieser Teil würde seinen Pflichtteil erhöhen. Er muss also zeigen, dass der Leistung des Erblassers wenigstens zum Teil keine Gegenleistung gegenüberstand. Er muss auch beweisen, dass die Parteien eine Schenkung beabsichtigt haben. Außerdem muss er beweisen, wie die Leistungen (objektiv) zu bewerten sind (BGH, Urteil vom 17. Januar 1996 – IV ZR 214/94 –, juris, OLG Oldenburg, Urt. v. 18. Februar 1992, Az.: 5 U 102/91, juris-Rn. 89)
Der Erbe muss hingegen aufzeigen, welche Vorstellungen für die Bewertung der Leistungen subjektiv maßgeblich waren, also bei Vertragsschluss von den Parteien zugrunde gelegt wurden. Außerdem muss er etwaige Gegenleistungen vor Gericht darlegen, z. B. dass eine Pflege als Gegenleistung vereinbart war.
Wenn die Werte von Leistung und Gegenleistung voneinander abweichen, prüft das Gericht die Wertdifferenz auf ihre Vertretbarkeit. Liegt ein grobes Missverhältnis vor, wird das Vorliegen einer teilweisen Schenkung vermutet. Dies kommt dem Pflichtteilsberechtigten zugute, da er dann die Schenkung nicht mehr beweisen muss – sie wird vom Gericht angenommen.
Für den Erben wird es hingegen schwierig sein, die Vermutung durch Beweise zu entkräften, wenn die Wertvorstellungen der Parteien im Vertrag nicht festgehalten wurden. Zu empfehlen ist deshalb, die Werte und wertbildenden Faktoren des übertragenen Gegenstands und etwaiger Gegenleistungen im Vertrag festzuhalten. Sind diese Werte vertretbar, kann damit bewiesen werden, dass keine Schenkung vorlag (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 26. Oktober 2009, Az.: 3 U 22/09, juris Rn. 20). Die Vermutung einer Schenkung wäre dann entkräftet, der Pflichtteilsanspruch erhöht sich nicht. Dadurch ist die Beweisführung im Verfahren einfacher.
Allerdings entfällt nicht die Prüfung der persönlichen Wertvorstellungen durch das Gericht. Die Erhöhung des Pflichtteils kann also nicht durch die Aufnahme der Werte in den Vertrag ausgeschlossen werden. Die Gerichte prüfen die Werte in jedem Fall auf ihre Billigkeit.
Tipp: Es empfiehlt sich, im Vertrag mit anzugeben, welche Werte die Parteien den einzelnen Leistungen beimessen und die Bemessungsgrundlagen hierfür zu erläutern. Die Grundlagen einer Schätzung - zum Beispiel der Wert benachbarter Grundstücke - sollten nachvollziehbar gemacht werden, um zu zeigen, dass realistische, vertretbare Werte zu Grunde lagen. Auch professionelle Wertgutachten können eingeholt werden.
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Rechtstipps und Urteile