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Testament und Erbrecht bei Scheidung – Das Geschiedenentestament

Trennung und Scheidung sind auch bei Familien mit Kindern leider keine Ausnahmeerscheinungen. Neben den emotionalen Schwierigkeiten in Patchwork-Familien ist – auch wenn dies vielleicht für viele nicht das Naheliegende ist – über die erbrechtliche Situation nachzudenken und über testamentarische Verfügungen einzugreifen.

Da ohne Testament die gesetzliche Erbfolge gilt, die zum Erbrecht der Verwandten und des Ehegatten führt, besteht häufig Handlungsbedarf.

Auch nach Scheidung wollen die geschiedenen Ehegatten nicht, dass der geschiedene Ehegatte nach dem Tod des Ex Partners etwas von seinem Nachlass bekommen soll, auch nicht indirekt durch den Tod eines gemeinsamen Kindes.

Erbt der Ex-Partner? Vor Scheidungsantrag erbt der Ehegatte

Solange die Ehe nicht geschieden ist und auch kein Scheidungsantrag gestellt wurde, ist der Ehepartner gesetzlicher Erbe.

Bei einer Enterbung im Testament ist der Ehegatte pflichtteilsberechtigt. Soll der Pflichtteilsanspruch verhindert werden, geht das nur über die Scheidung.

Ist beispielsweise wegen einer akuten Krankheit mit dem Versterben zu rechnen, muss schnellstmöglich die Scheidung beantragt werden. Liegen die Voraussetzungen der Scheidung vor und wird der Scheidungsantrag dem Ehepartner vor dem Tod auch zugestellt, entfällt seine gesetzliche Erbenstellung und damit auch sein Pflichtteilsrecht.

Was passiert bei der Scheidung mit dem Testament zugunsten des Ehegatten?

Häufig erstellen Ehepaare ein gemeinsames Testament als minderjährige Kinder, hat der Ex-Ehegatte über sein Sorgerecht für die Kinder Zugriff auf das von den Kindern geerbte Vermögen. Wenn beide Eltern das Sorgerecht hatten und ein Elternteil verstirbt, steht die elterliche Sorge dem überlebenden Elternteil allein zu, § 1680 BGB.

Hier kann Testamentsvollstreckung ein Weg sein, den Zugriff des Ex-Partners zu verhindern.

Gesetzliches Erbrecht des Ex-Partners beim Tod des gemeinsamen Kindes

Noch unerwünschter werden die Rechtsfolgen, wenn eines der gemeinsamen Kinder vor dem geschiedenen Ehegatten stirbt:

Hat das Kind noch keine eigenen Kinder, ist der Ex-Partner gesetzlicher Erbe und Pflichtteilsberechtigter. Auf diesem Umweg erbt der Ex-Partner dann trotz Scheidung.

Beispiel:  Eheleute Anna und Benno wurden geschieden, sie haben zwei gemeinsame Kinder. Stirbt der Vater Benno, werden die Kinder gesetzliche Erben zu je ein halb. Stirbt eines der Kinder, ohne selbst schon Kinder zu haben, erbt nach der gesetzlichen Erbfolge die Mutter Anna zusammen mit dem anderen Kind, dem Geschwisterkind des verstorbenen Kindes. Im Vermögen und damit im Nachlass des verstorbenen Kindes ist dann auch der Nachlass des verstorbenen Vaters.

Was ist ein Geschiedenentestament?

Diese unerwünschten Erbfolgen kann man durch ein Testament ausschließen. Die verschiedenen testamentarischen Regelungen, um das zu erreichen, werden auch „Geschiedenentestament“ genannt.

Im Geschiedenentestament werden folgende erbrechtliche Verfügungen miteinander kombiniert:

Vorerbschaft/Nacherbschaft

Indem die Kinder jeweils nur Ergänzungspfleger bestellen, § 1909 Abs. 1 Satz 2 BGB.

Die Person des Pflegers, der die Vermögenssorge hinsichtlich des Nachlasses für das minderjährige Kind vornimmt, kann im Testament bestimmt werden, § 1917 Abs. 1 BGB. An diese testamentarische Anordnung ist das Gericht im Normalfall gebunden.

Formulierungsbeispiel: Soweit meine Kinder aus der Ehe mit meinem geschiedenen Ehegatten … bei meinem Tod noch minderjährig sind, entziehe ich meinem geschiedenen Ehegatten gemäß § 1638 BGB das Recht, den Erwerb der Kinder von Todes wegen zu verwalten. Als Pfleger zur Ausübung des Verwaltungsrechts für meine Kinder bestimme ich…, ersatzweise… .

Zusätzlich kann, für den Fall, dass auch der andere Elternteil verstirbt, wenn die Kinder noch minderjährig sind, ein Vormund benannt werden.

Widerruf aller Testamente während der Ehe

Zudem muss der Widerruf bisheriger letztwilliger Verfügungen erfolgen, wenn notwendig auch in notarieller Form. Wenn sich beide Partner einig sind, ist das auch durch eine einvernehmliche gemeinsame Aufhebung des gemeinsamen Testaments, etwa in einer Scheidungsfolgenvereinbarung, möglich.

Was ist bei einer Scheidung für den Erbfall noch wichtig?

Besteht eine Lebensversicherung, ist häufig der Partner bezugsberechtigt, d.h. beim Todesfall erhält sein Partner die Lebensversicherungssumme. Diese Bezugsberechtigung endet nicht unbedingt automatisch durch die Scheidung.

Tipp: Um hier klare Verhältnisse zu schaffen und Streit zu vermeiden, sollte die Bezugsberechtigung des Ehepartners in der Lebensversicherung widerrufen werden.

Nach einer Scheidung sollten Sie auch die Erbfolge neu regeln! Lassen Sie sich dazu beraten!

Rechtsanwalt Alexander Grundmann, Leipzig

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