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25. März 2019 – Fallstricke des Ehegattentestaments – Die wechselbezügliche Verfügung

(Artikel aktualisiert am 15. Juni 2022)

Grundsätzlich kann jeder sein Testament jederzeit ändern. Das gilt auch bei Testamenten, die Ehepartner unabhängig voneinander erstellen. Möchten Sie jedoch verhindern, dass Ihr Ehepartner sein Testament, in dem er Sie oder einen nahen Verwandten von Ihnen begünstigt, jederzeit ändern kann, gibt es zwei Möglichkeiten:

Erbvertrag oder gemeinschaftliches Ehegattentestament

Der Erbvertrag, der für beide Vertragspartner bindend ist, hat den Nachteil, dass er immer notariell geschlossen werden muss und damit Kosten verursacht.

Einfacher ist ein so genanntes „gemeinschaftliches“ Testament. Dieses kann nur von Ehegatten und Lebenspartnern errichtet werden (Achtung: Lebenspartner sind nur solche nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz, also nicht unverheiratete Paare) . Es kann wie ein normales Testament handschriftlich verfasst und von beiden Ehe- oder Lebenspartnern unterzeichne werdent. Dafür müssen Sie nicht zu einem Notar, es reicht für handschriftliche Form, wenn einer schreibt und beide unterschreiben.

Vorteil des gemeinsamen Testaments ist, dass die Eheleute hier eine gegenseitige Bindung wie im Erbvertrag schaffen können.

Diese Bindung kann aber auch gleichzeitig ein Nachteil sein. Nachteilig ist eine solche Bindung immer, wenn sie gar nicht gewollt ist und ungeahnte Folgen hat.

Die in der Praxis wichtigste, aber häufig von den Eheleuten nicht gesehene Folge ist: Eine „wechselbezügliche Verfügung“ in einem gemeinsam verfassten Ehegattentestament (gemeinschaftliches Testament) kann nach dem Tod eines Ehegatten nicht mehr widerrufen werden! Das ergibt sich aus § 2271 Abs. 2 S. 1 1. HS. BGB.

Änderungsmöglichkeiten im Testament ausschließen?

Nur durch die Bezeichnung des Testaments als „gemeinschaftlich“, bzw. den schlichten Fakt, dass ein Testament von Ehepartnern gemeinsam gemacht wird, ist jedoch die nachträgliche Änderung beispielsweise durch ein neues Testament, welches das gemeinschaftliche aufhebt, noch nicht ausgeschlossen.

Um die willkürliche Änderung des letzten Willens durch den Ehe- oder Lebenspartner auszuschließen, müssen die Verfügungen in dem Testament „wechselbezüglich“ formuliert sein. Wechselbezüglich bedeutet, dass die Verfügung des einen Ehe- oder Lebenspartners nur deshalb getroffen wird, weil auch die Verfügung des anderen Ehe- oder Lebenspartners eintreten soll.

Das können Sie einfach durch einen abschließenden Satz bestimmen, welcher beinhaltet, dass alle getroffenen Verfügungen wechselbezügliche Verfügungen sein sollen.

Fehlt diese Bestimmung, müssen die Erben für jede einzelne Verfügung ermitteln, ob diese wechselbezüglich gemeint war. Eine solche spätere Auslegung ist immer problembehaftet und kann zu Streit führen.

Wechselbezüglichkeit am Beispiel des Berliner Testaments

Die Ehegatten setzen sich gegenseitig als Erben ein und bestimmen einen weiteren (Schluss-)Erben für den Fall, dass beide Ehegatten verstorben sind (das sog. Berliner Testament). Zu unterscheiden sind verschiedene Konstellationen.

Problematisch sind die Ehegattentestamente, bei denen die Ehegatten nichts zur Bindung gesagt haben. Dann muss das Testament im Streitfall ausgelegt werden. Für die Auslegung gelten folgende Grundregeln:

Mutter, Vater, (gemeinsames) Kind

Beispiel:  Die Ehegatten Anna und Benno haben ein 
Berliner Testament. Sie haben sich gegenseitig zu Alleinerben 
eingesetzt. Der Längerlebende soll vom gemeinsamen Sohn Daniel beerbt werden.

Hier ist es relativ eindeutig: Die gegenseitige Erbeinsetzung ist im Zweifel wechselbezüglich und damit bindend, § 2270 Abs. 2 Alternative 1 BGB.

Auch die Erbeinsetzung des gemeinsamen Kindes für den Tod des Längerlebenden ist in der Regel bindend, § 2270 Abs. 2 Alternative 2 BGB.

Von einem Wechselbezug zwischen gegenseitiger Alleinerbeneinsetzung und Schlusserbeneinsetzung ist auszugehen, wenn Ehegatten sich ohne nähere Angaben gegenseitig zu Alleinerben einsetzen und ein gemeinsames Kind zum Schlusserben bestimmen (vgl. BGH FamRZ 1958, 275 (276); OLG München, Beschluss vom 01.12.2011 – 31 Wx 249/10, Rn. 26 ff.)

Wenn aber besondere Umstände vorliegen, kann ausnahmsweise keine Bindung gewollt sein:

OLG Saarbrücken Urteil v. 17.12.2021 – 5 U 22/21: Die Ehefrau war schon bei Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments schwer erkrankt und starb kurz danach im Alter von 40 Jahren. Sie hatte kein nennenswertes Vermögen in die Ehe eingebracht und auch seit der Heirat nicht mehr gearbeitet. Außerdem waren beide Ehegatten verhältnismäßig jung, was die Möglichkeit einer Wiederheirat des Überlebenden nahelegte.

Achtung: Die Einsetzung eines gemeinsamen Kindes von Eheleuten ist nicht bindend, wenn diese sich nicht vorher gegenseitig zum Alleinerben eingesetzt haben. Das ist dann auch kein klassisches Berliner Testament!

Ehemann, Ehefrau und einseitiger Verwandter

Wechelbezüglich und damit bindend ist ein Berliner Testament auch, wenn der Schlusserbe ein Kind nur der Ehefrau ist und die Ehefrau zuerst stirbt. Dann kann der überlebende Ehemann nach dem Tod der Ehefrau diesen Schlusserben nicht mehr nachträglich ändern.

Das ergibt sich auch aus § 2270 Abs. 2 Alternative 2 BGB.

Hier geht man davon aus, dass die Ehefrau nur deshalb ihren Ehemann als Erben einsetzt, weil er ihr Kind als Schlusserben einsetzt.

Auch die Einsetzung nahe stehender Menschen, die nicht verwandt sind kann wechselbeüglich sein, wenn z.B. langjährige Dienstleistung oder enge persönliche Verbundenheit der Ehegatten zum Schlusserben vorliegen.

OLG München Beschluss vom 16.04.2007 – 31 Wx 108/06, ist es nicht bindend, wenn ein Ehepaar eine Bekannte als „Schlusserben“ einsetzt.

Keine wechselbezügliche Verfügung gemäß § 2270 BGB ist aber Einsetzung der Ehefrau als Alleinerbin des Mannes einerseits und Einsetzung der Cousine der Frau als Alleinerbin der Frau. Beide hätten die Verfügung auch getroffen ohne die Verfügung des anderen. Diese Verfügungen wären gemäß  §§ 2254 BGB frei widerruflich.

Anders ist es auch, wenn die Eheleute als Schlusserben niemanden konkretes einsetzen, sondern schreiben:

„unser Nachlass nach dem Tode des Überlebenden soll an die eventuellen Erben fallen .“

Wechselbezüglich ist diese Regelung im Testament nur, wenn beide Ehegatten ihre gesetzlichen Erben bedenken wollten, wenn also – egal wer zuerst stirbt – alle gesetzlichen Erben beider Ehegatten erben sollten. Was bei der Auslegung einer solchen Testamentsregelung raukommt, ist aber völlig offen.

Zwischenfazit: Das eigentliche Problem ist, dass viele Ehegatten bei der Testamentserstellung das Konzpt der Bindungswirkung nicht kennen. Dann können sie auch nicht klarstellen, ob eine Verfügung im Ehegattentestamen bindend ist oder nicht. Das führt dazu, dass – wenn der überlebende Ehegatte später ein neues Testament macht – auszulegen ist, ob das Ehegattentestament bindend war oder nicht.

Rechtsfolge der Bindung – Änderung nach dem Tod des ersten Ehegatten ausgeschlossen

Nach dem Tod eines Ehegatten kann der überlebende Ehegatte ein solches wechselbezügliches Testament nicht mehr ändern. Dies führt dazu, dass der überlebende Ehegatte an dieses Testament gebunden ist und in dem Punkt, der wechselbezüglich ist, das Testament auch nicht mehr ändern kann und auch kein neues Testament machen kann, obwohl sich vielleicht die Lebensumstände total geändert haben.

Auswirkung auf Vermächtnisse

Es ergibt sich die Frage, ob auch spätere Vermächtnisse durch wechselbezügliche Verfügung im früheren Ehegatten-Testament unwirksam sind.

Durch wechselbezügliche Verfügungen sind grundsätzlich alle nachträglichen Verfügungen ausgeschlossen, die den/die Schlusserben benachteiligen. Dies ergibt sich aus der Anwendung des § 2289 Abs. 1 S. 2 BGB. Eine Benachteiligung iSv. § 2289 Abs. 1 S. 1 BGB ist gegeben, wenn der Schlusserbe enterbt wird, sein Anteil verringert wird oder er mit einem Vermächtnis beschwert wird (Palandt, § 2289 Rn 5).

Fazit: Schaffen Sie in Ihrem Testament Klarheit.Möchten Sie die Möglichkeit der späteren Änderung nach dem Tod des ersten Ehegatten ausschließen, legen Sie in dem Testament fest, dass die Verfügungen wechselbezüglich sind. Möchten Sie diese Bindung aber gerade nicht, und Ihr  Ehe- oder Lebenspartner soll nach Ihrem Tod frei über Ihren Nachlass verfügen können, müssen Sie auch das explizit in Ihrem Testament klarstellen, um zu vermeiden, dass Ihr Testament später vielleicht ausgelegt werden muss.

Ausweg Zuwendungsverzichtsvertrag

Der überlebende Ehegatte kann sich aber durch Abschluss eines Erb- bzw. Zuwendungsverzichtsvertrages mit dem im gemeinschaftlichen Testament eingesetzten Schlusserben von der Bindung an seine wechselbezügliche Verfügung freimachen (vgl. BayObLG, Beschluss vom 09.06.2000 – 1Z BR 25/00, juris Rn. 27). Durch den Zuwendungsverzichtsvertrag nach § 2352 BGB kann die Bindungswirkung de facto aufgehoben werden.

Zwar wird das Testament oder der Erbvertrag formal nicht aufgehoben, aber der Begünstige verzichtet auf das ihm im Vertrag Versprochene. Palandt BGB 2019 – 2352 Rn. 4. Zur Auslegung der Person des „Dritten“ „Dritter ist auch der bedachte Vertragspartner“,  Palandt BGB 2019 – 2352 Rn. 3. Damit ist eine einvernehmlich eine Überwindung der Bindung des länger lebenden Vertragserben möglich. Voraussetzung ist,  dass die Schlusserben der neuen Verfügung zustimmen.

Der Zuwendungsverzicht erstreckt sich im Zweifel auch auf Abkömmlinge, § 2349 BGB (das war vor der Erbrechts-Reform 2010 nicht so, der Verweis von  § 2352 BGB in  § 2349 BGB fehlte, was oft zu Problemen führte.)

Ich berate Sie zu Ihrem Testament, damit Sie solche rechtlichen Fallen vermeiden.

Rechtsanwalt Alexander Grundmann in Leipzig

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