(Artikel aktualisiert am 15. Juni 2022)
Grundsätzlich kann jeder sein Testament jederzeit ändern. Das gilt auch bei Testamenten, die Ehepartner unabhängig voneinander erstellen. Möchten Sie jedoch verhindern, dass Ihr Ehepartner sein Testament, in dem er Sie oder einen nahen Verwandten von Ihnen begünstigt, jederzeit ändern kann, gibt es zwei Möglichkeiten:
Erbvertrag oder gemeinschaftliches Ehegattentestament
Der Erbvertrag, der für beide Vertragspartner bindend ist, hat den Nachteil, dass er immer notariell geschlossen werden muss und damit Kosten verursacht.
Einfacher ist ein so genanntes „gemeinschaftliches“ Testament. Dieses kann nur von Ehegatten und Lebenspartnern errichtet werden (Achtung: Lebenspartner sind nur solche nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz, also nicht unverheiratete Paare) . Es kann wie ein normales Testament handschriftlich verfasst und von beiden Ehe- oder Lebenspartnern unterzeichne werdent. Dafür müssen Sie nicht zu einem Notar, es reicht für handschriftliche Form, wenn einer schreibt und beide unterschreiben.
Vorteil des gemeinsamen Testaments ist, dass die Eheleute hier eine gegenseitige Bindung wie im Erbvertrag schaffen können.
Diese Bindung kann aber auch gleichzeitig ein Nachteil sein. Nachteilig ist eine solche Bindung immer, wenn sie gar nicht gewollt ist und ungeahnte Folgen hat.
Die in der Praxis wichtigste, aber häufig von den Eheleuten nicht gesehene Folge ist: Eine „wechselbezügliche Verfügung“ in einem gemeinsam verfassten Ehegattentestament (gemeinschaftliches Testament) kann nach dem Tod eines Ehegatten nicht mehr widerrufen werden! Das ergibt sich aus § 2271 Abs. 2 S. 1 1. HS. BGB.
Änderungsmöglichkeiten im Testament ausschließen?
Nur durch die Bezeichnung des Testaments als „gemeinschaftlich“, bzw. den schlichten Fakt, dass ein Testament von Ehepartnern gemeinsam gemacht wird, ist jedoch die nachträgliche Änderung beispielsweise durch ein neues Testament, welches das gemeinschaftliche aufhebt, noch nicht ausgeschlossen.
Um die willkürliche Änderung des letzten Willens durch den Ehe- oder Lebenspartner auszuschließen, müssen die Verfügungen in dem Testament „wechselbezüglich“ formuliert sein. Wechselbezüglich bedeutet, dass die Verfügung des einen Ehe- oder Lebenspartners nur deshalb getroffen wird, weil auch die Verfügung des anderen Ehe- oder Lebenspartners eintreten soll.
Das können Sie einfach durch einen abschließenden Satz bestimmen, welcher beinhaltet, dass alle getroffenen Verfügungen wechselbezügliche Verfügungen sein sollen.
Fehlt diese Bestimmung, müssen die Erben für jede einzelne Verfügung ermitteln, ob diese wechselbezüglich gemeint war. Eine solche spätere Auslegung ist immer problembehaftet und kann zu Streit führen.
Wechselbezüglichkeit am Beispiel des Berliner Testaments
Die Ehegatten setzen sich gegenseitig als Erben ein und bestimmen einen weiteren (Schluss-)Erben für den Fall, dass beide Ehegatten verstorben sind (das sog. Berliner Testament). Zu unterscheiden sind verschiedene Konstellationen.
Problematisch sind die Ehegattentestamente, bei denen die Ehegatten nichts zur Bindung gesagt haben. Dann muss das Testament im Streitfall ausgelegt werden. Für die Auslegung gelten folgende Grundregeln:
Mutter, Vater, (gemeinsames) Kind
Beispiel: Die Ehegatten Anna und Benno haben ein Berliner Testament. Sie haben sich gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt. Der Längerlebende soll vom gemeinsamen Sohn Daniel beerbt werden.
Hier ist es relativ eindeutig: Die gegenseitige Erbeinsetzung ist im Zweifel wechselbezüglich und damit bindend, § 2270 Abs. 2 Alternative 1 BGB.
Auch die Erbeinsetzung des gemeinsamen Kindes für den Tod des Längerlebenden ist in der Regel bindend, § 2270 Abs. 2 Alternative 2 BGB.
Von einem Wechselbezug zwischen gegenseitiger Alleinerbeneinsetzung und Schlusserbeneinsetzung ist auszugehen, wenn Ehegatten sich ohne nähere Angaben gegenseitig zu Alleinerben einsetzen und ein gemeinsames Kind zum Schlusserben bestimmen (vgl. BGH FamRZ 1958, 275 (276); OLG München, Beschluss vom 01.12.2011 – 31 Wx 249/10, Rn. 26 ff.)
Wenn aber besondere Umstände vorliegen, kann ausnahmsweise keine Bindung gewollt sein:
OLG Saarbrücken Urteil v. 17.12.2021 – 5 U 22/21: Die Ehefrau war schon bei Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments schwer erkrankt und starb kurz danach im Alter von 40 Jahren. Sie hatte kein nennenswertes Vermögen in die Ehe eingebracht und auch seit der Heirat nicht mehr gearbeitet. Außerdem waren beide Ehegatten verhältnismäßig jung, was die Möglichkeit einer Wiederheirat des Überlebenden nahelegte.
Achtung: Die Fazit: Schaffen Sie in Ihrem Testament Klarheit.Möchten Sie die Möglichkeit der späteren Änderung nach dem Tod des ersten Ehegatten ausschließen, legen Sie in dem Testament fest, dass die Verfügungen wechselbezüglich sind. Möchten Sie diese Bindung aber gerade nicht, und Ihr Ehe- oder Lebenspartner soll nach Ihrem Tod frei über Ihren Nachlass verfügen können, müssen Sie auch das explizit in Ihrem Testament klarstellen, um zu vermeiden, dass Ihr Testament später vielleicht ausgelegt werden muss.
Der überlebende Ehegatte kann sich aber durch Abschluss eines Erb- bzw. Zuwendungsverzichtsvertrages mit dem im gemeinschaftlichen Testament eingesetzten Schlusserben von der Bindung an seine wechselbezügliche Verfügung freimachen (vgl. BayObLG, Beschluss vom 09.06.2000 – 1Z BR 25/00, juris Rn. 27). Durch den Zuwendungsverzichtsvertrag nach § 2352 BGB kann die Bindungswirkung de facto aufgehoben werden. Zwar wird das Testament oder der Erbvertrag formal nicht aufgehoben, aber der Begünstige verzichtet auf das ihm im Vertrag Versprochene. Palandt BGB 2019 – 2352 Rn. 4. Zur Auslegung der Person des „Dritten“ „Dritter ist auch der bedachte Vertragspartner“, Palandt BGB 2019 – 2352 Rn. 3. Damit ist eine einvernehmlich eine Überwindung der Bindung des länger lebenden Vertragserben möglich. Voraussetzung ist, dass die Schlusserben der neuen Verfügung zustimmen. Der Zuwendungsverzicht erstreckt sich im Zweifel auch auf Abkömmlinge, § 2349 BGB (das war vor der Erbrechts-Reform 2010 nicht so, der Verweis von § 2352 BGB in § 2349 BGB fehlte, was oft zu Problemen führte.) Ich berate Sie zu Ihrem Testament, damit Sie solche rechtlichen Fallen vermeiden. Rechtsanwalt Alexander Grundmann in LeipzigAusweg Zuwendungsverzichtsvertrag