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Erbrecht und Sozialhilfe in der Nachfolgeplanung und im Erbfall

30. Januar 2015 – aktualisiert am 29. September 2016

Bei der Nachlassplanung ist immer häufiger zu berücksichtigen, dass ein Beteiligter Sozialleistungen erhält. Das müssen Sie schon bei der Testamentsgestaltung berücksichtigen.

Bei den Sozialleistungen muss man unterscheiden zwischen Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende im SGB II (ALG II oder Harz IV) und der klassischen Sozialhilfe und Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung im SGB XII. Nach welchen Regelungen Sozialleistungen gezahlt werden richtet sich danach, ob der Berechtigte erwerbsfähig ist oder nicht.

Auch für das Erbrecht ist wichtig, dass Sozialleistungen immer nachrangig sind und erst erbracht werden, wenn der Lebensbedarf nicht anderweitig, z.B. aus einer Erbschaft, gedeckt werden kann.

Im Zusammenhang mit dem Bezug von Sozialleistungen stellen sich im Erbrecht verschiedene Fragen:

Was passiert, wenn ein Sozialhilfebezieher stirbt? -Haften die Erben für die Sozialleistungen an den Verstorbenen?

Da auch bei Bezug von Sozialhilfe nicht jedes Vermögen verwertet werden muss (Schonvermögen), kann sich im Nachlass eines verstorbenen Empfängers von Sozialleistungen etwas Vermögen befinden, das vererbt wird.

Insbesondere nach § 90 SGB XII gibt es für Bezieher von Sozialhilfe Vermögenswerte die für die Leistung nicht berücksichtigt werden, die beim späteren Erbfall relevant werden können.

Hier müssen die Erben beachten, dass sie im Normalfall zur Rückzahlung der Sozialleistungen verpflichtet sind, § 102 SGB XII.

Die Sozialleistungen können vom Erben nur für die in den letzten zehn Jahren vor dem Tod ausgezahlten Beträge zurückgefordert werden. Es gibt auch einen kleinen Freibetrag und Ausnahmeregelungen.

Wichtigste Ausnahme ist wohl, wenn der Wert des Nachlasses unter 15.340 € liegt, und der Verstorbene der Ehegatte oder ein Verwandter des Beziehers der Sozialleistungen war und mit diesem in häuslicher Gemeinschaft gelebt und ihn gepflegt hat.

Der Erbe haftet auch nur mit dem Nachlass, er muss somit die Sozialhilfe des Verstorbenen nicht aus eigenen Mitteln bezahlen.

Für Erben von Personen, die nicht Sozialhilfe nach dem SGB XII sondern Leistungen nach dem SGB II (Grundsicherung für Arbeitsuchende) erhielten, hat sich die Rechtslage geändert.

Bis zum August 2016 war in § 35 SGB II geregelt, dass der Erbe des verstorbenen Leistungsempfängers verpflichtet war, die Leistungen zu ersetzen, die innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Erbfall bezogen wurden, wenn sie 1.700 Euro überstiegen.

Diese Regelung wurde durch das 9. SGB II-Änderungsgesetz zum 01.08.2016 aufgehoben. Ersatzpflichtig im Erbfalle sind nunmehr nur noch die Erben von Sozialhilfeempfängern.

Was passiert, wenn ein Sozialhilfebezieher erbt?

Erbt ein Bezieher von Sozialleistungen, hat er ein Einkommen, das entsprechend auf die Sozialleistungen anzurechnen ist und zu einem Entfall der Sozialleistungen führen kann, weil ein Anspruch auf Sozialleistungen nur bei Hilfebedürftigkeit besteht.

Was ist bei der Nachlassplanung mit sozialhilfeberechtigten Erben zu beachten?

Was muss ich beim Testament beachten, wenn es mein Kind Harzt IV kriegt?

Ziel der Testamentsgestaltung im Zusammenhang mit einem Sozialhilfeberechtigten gesetzlichen Erben ist häufig, den Sozialhilfeberechtigten vom Erbe auszuschließen, weil das Erbe ohnehin mit der Sozialhilfe zu verrechnen ist.

Naheliegend ist eine Enterbung des sozialhilfeberechtigten gesetzlichen Erben. Ist der gesetzliche Erbe gleichzeitig Pflichtteilsberechtigter, das sind insbesondere die Kinder und der Ehegatte, ist eine Enterbung der völlig falsche Weg.

Durch die Enterbung hat der Sozialhilfeberechtigte im Todesfall einen Pflichtteilsanspruch.

Dieser Pflichtteilsanspruch kann auf den Träger der Sozialhilfe übergehen. Wie das passiert, hängt davon ab nach welchen Regelungen Sozialleistungen bezogen werden.

Ein Pflichtteilsberechtigter, der erwerbsfähig ist, bezieht Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach SGB II (Harz IV oder ALG II). Hier geht ein Pflichtteilsanspruch (zumindest teilweise) automatisch auf den Sozialhilfeträger, meistens das Jobcenter, über, § 33 SGB II.

Beim Pflichtteilsberechtigten, der wegen Alters oder wegen dauerhafter Erwerbsminderung Sozialleistungen nach dem SGB XII bezieht, kann der Sozialhilfeträger einen Pflichtteilsanspruch gemäß § 93 SGB XII auf sich überleiten und mit geleisteten Zahlungen verrechnen. Ist die Überleitungsanzeige bestandskräftig geworden, sind die Zivilgerichte, die für die Geltendmachung eines Pflichtteilsanspruchs zuständig sind, an diese Anzeige gebunden.

Der Pflichtteilsberechtigte hat auf die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs auch keinen Einfluss.

Auch vorherige Schenkungen, um den Nachlass zu verringern, helfen nicht unbedingt, da daraus Pflichtteilsergänzungsansprüche entstehen können, die ebenfalls auf den Sozialhilfebezieher übergehen können.

Der Pflichtteilsberechtigte Leistungsempfänger hat aufgrund seiner Mitwirkungspflichten im Sozialrecht, SGB I § 60, den Erwerb des Pflichtteilsanspruchs sofort nach Kenntnis des Erbfalls und der Enterbung dem Sozialhilfeträger anzuzeigen.

Übergang der Rechte des Pflichtteilsberechtigten auf Jobcenter oder Sozialbehörde

Mit wirksamen Übergang des Pflichtteilsanspruchs gehen auch die Ansprüche auf Auskunft und Wertermittlung, die der Pflichtteilsberechtigte gegenüber dem Erben hat, auf das Jobcenter oder die Sozialbehörde über.

Der Erbe muss dann entsprechende Auskünfte geben.

Was ist bei der Auszahlung des Pflichtteilsanspruchs durch den Erben zu beachten?

Ist der Pflichtteil des Hartz-IV-Beziehers nach § 33 SGB II wirksam auf das Jobcenter übergegangen, darf der Pflichtteil nur an das Jobcenter ausgezahlt werden. Hier ist vor einer Zahlung genau zu ermitteln, ob der Anspruch tatsächlich übergegangen ist.

Bei Sozialhilfe nach SGB XII führt die bestandskräftige Überleitungsanzeige zum gleichen Ergebnis.

 

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