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29. August 2016 – Das Erbe richtig ausschlagen – Die Berechnung der Ausschlagungsfrist

Wird jemand durch Testament oder gesetzliche Erbfolge zum Erben, dann ist dies für ihn nicht bindend. Er ist zwar erst einmal Erbe, kann die Erbschaft aber noch ausschlagen. Das kann beispielsweise sinnvoll sein, wenn der Erblasser Schulden hatte, kann aber auch aus steuerlichen oder persönlichen Gründen erfolgen („Taktische Ausschlagung“). Dabei müssen Sie aber beachten, dass die Ausschlagung nur innerhalb einer recht kurzen Frist möglich ist.

Ausgeschlagen wird gegenüber dem Nachlassgericht

Möchte man das Erbe ausschlagen, dann passiert das durch eine Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht. Inhalt einer solchen Erklärung ist schlicht und einfach, dass man die Erbschaft nicht annehmen möchte.

Die Erklärung darf aber nicht von einer Bedingung abhängig gemacht werden. Man darf auch nicht nur einen Teil der Erbschaft ausschlagen. Es gilt: Entweder man nimmt das Erbe komplett und bedingungslos an, oder man schlägt alles aus.

Auschlagungsfrist: Grundsätzlich hat man sechs Wochen Überlegungsfrist

Nach § 1944 Abs. 1 BGB hat man sechs Wochen Zeit, sich zu überlegen, ob man das Erbe annehmen oder ausschlagen will. In dieser Zeit soll man sich einen Überblick über das verschaffen, was einem vererbt wurde. Man kann zum Beispiel überprüfen, ob der Nachlass vielleicht verschuldet ist. Realistisch ist das in vielen Erbfällen nicht.

Nach sechs Wochen sollte man dann spätestens einen guten Überblick über den Nachlass haben und kann sich auf dieser Grundlage überlegen, ob man Erbe bleiben möchte oder doch ausschlagen will.

Es ist aber auch möglich, dass der Erblasser eine Verlängerung oder Verkürzung der Frist in seinem Testament anordnet (Palandt/Weidlich § 1944 Rn 1).

Längere Frist für Ausshclagung wenn Erbe oder Erblasser im Ausland sind

Hat der Erblasser seinen einzigen Wohnsitz nur im Ausland gehabt, dann beträgt die Ausschlagungsfrist nach § 1944 Abs. 3 BGB nicht mehr sechs Wochen, sondern sechs Monate. Aber Achtung: Das gilt nicht, wenn er zusätzlich noch einen Wohnsitz hier in Deutschland hat.

Das gleiche gilt, wenn sich der Erbe zum Fristbeginn im Ausland aufgehalten hat. Im Gegensatz zum Erblasser muss er aber nicht seinen Wohnsitz im Ausland gehabt haben. Es reicht aus, dass er nur im Urlaub war.

Fristbeginn mit Kenntnis des Erben

§ 1944 Abs. 2 BGB regelt, dass die Frist mit dem Zeitpunkt beginnt, in dem der Erbe von dem Anfall Erbschaft und dem Grund seiner Berufung zum Erben – also aus gesetzlicher Erbfolge oder Testament – Kenntnis erlangt.

Damit die Frist zu laufen beginnt, muss der Erbe also:

1. wissen, dass der Erblasser gestorben ist.

2. wissen, dass er selbst Erbe geworden ist.

3. wissen, woraus seine konkrete Berufung zum Erben folgt.

Das bedeutet, nachdem man also vom Tod erfahren hat, konkret:

1. Ausschlagungsfrist beginnt erst, wenn man weiß, dass man Erbe ist

Die Frist beginnt erst zu laufen, wenn man weiß, dass man Erbe geworden ist. Um das zu wissen, reicht es z.B. aus, dass man die Verwandtschaft zum Erblasser kennt, aus der sich die Erbenstellung ergibt.

Vermutet der gesetzliche Erbe aber aus guten Gründen, dass er in einem Testament enterbt wurde, dann beginnt die Frist erst dann zu laufen, wenn er weiß, dass er doch Erbe ist.

Gibt es ein Testament, muss man wissen, dass man dort als Erbe eingesetzt wurde.

2. Und wissen, wieso man Erbe geworden ist

Damit die Frist zu laufen beginnt, reicht es aber nicht, dass man nur weiß, dass man irgendwie Erbe geworden ist. Der Erbe muss außerdem die Umstände kennen, die ihn zum Erbe machen. Es muss ihm also klar sein, ob er als gesetzlicher Erbe erbt oder ob er in einem Testament zum Erben eingesetzt wurde.

Der gesetzliche Erbe muss wissen, dass er mit dem Erblasser verwandt ist und dass es keine anderen Verwandten gibt, die vor ihm erben. Außerdem darf er keine plausible Vermutung haben, dass es vielleicht ein Testament gibt.

Bei einem Testament beginnt die Frist erst mit der Bekanntgabe der Verfügung durch das Nachlassgericht.

Bei mehreren Erben berechnet man die Frist für die Ausschlagung für jeden Erbe extra.

Das Ende der Frist für die Ausschlagung

Sechs Wochen bzw. Sechs Monate nach dem Fristbeginn endet die Möglichkeit das Erbe auszuschlagen. Die Berechnung der Frist erfolgt nach §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2, 3, 193 BGB.

Beispiel: Der Erbe erfährt am Montag den 01.08.2016 vom Anfall der Erbschaft und vom Grund seiner Berufung zum Erben, dann beginnt die Frist am Dienstag den 02.08.2016 zu laufen. Die sechs Wochenfrist endet dann am Montag den 12.09.2016 um 24:00 Uhr.

Kann man als Erbe die Frist für die Ausschlagung verlängern?

Die im Gesetz vorgesehene Frist für die Ausschlagung ist für die meisten Erbfälle zu kurz.  Der Erbe kann sich, insbesondere wenn er mit dem Erblasser vor seinem Tod keinen intensiven Kontakt hatte, nicht innerhalb von 6 Wochen über alle Vermögensgegenstände und Schulden in einer  Erbschaft einen nachhaltigen Überblick verschaffen.

Viele Informationen muss sich der Erbe erst von dritter Seite, z.B. dem Steuerberater des Verstorbenen, besorgen. Die Bewertung einzelner – möglicherweise negativer – Vermögenswerte, wie etwa ein wirtschaftlich nicht erfolgreiches Unternehmen oder eine Immobilie in schlechter Lage, nimmt im Einzelfall Monate in Anspruch.

Daher stellt sich die Frage, ob man nicht die im Gesetz vorgesehene Ausschlagungsfrist einfach verlängern lassen kann, etwa durch einen Antrag beim Insolvenzgericht.

Die eindeutige Antwort ist: Nein, man kann die Frist für die Ausschlagung nicht verlängern lassen.

Das bedeutet aber nicht, dass der Erbe bei einem unübersichtlichen Nachlass schon vorsichtshalber ausschlagen sollte, um nicht für die Verbindlichkeiten mit dem eigenen Vermögen zu haften. Es gibt verschiedene Möglichkeiten die Haftung für Nachlassverbindlichkeiten auf den Nachlass zu beschränken. Alternativen zur Ausschlagung sind beispielsweise die Nachlassverwaltung, die Nachlassinsolvenz und die Dürftigkeitseinrede.

Daneben können unter bestimmten Voraussetzungen die Annahme, die Ausschlagung und auch die versäumte Ausschlagungsfrist angefochten werden.

Sonderfall: Der minderjährige Erbe und Aussschlagung

Einige Besonderheiten gibt es, wenn ein Minderjähriger erbt. Der Minderjährige darf dann nicht selbst entscheiden, ob er das Erbe ausschlagen will. Das entscheiden seine gesetzlichen Vertreter, also im Regelfall beide Eltern, für ihn. Deshalb kommt es für die Fristberechnung auch darauf an, ob die Eltern vom Erbfall wissen, der Erbenstellung wissen oder ob sie sich im Ausland aufhalten. Sind beide Eltern Vertreter, dann müssen auch beide Kenntnis haben.

Hemmung der Frist wenn Genehmigung nötig

Möchten die Eltern für ihr Kind ausschlagen, dann dürfen sie das in einigen Fällen nicht allein entscheiden, sondern die Ausschlagung muss noch vom Familiengericht genehmigt werden, § 1643 Abs. 2 BGB. Da es einige Zeit dauern kann, bis das Gericht entschieden hat, wird die Frist in der Zeit zwischen dem Antrag bei Gericht und der Genehmigung durch das Gericht gehemmt, das heißt, sie ist für diesen Zeitraum angehalten.

Allerdings hat hier der Gesetzgeber für typische Kosntellationen der Ausschlagung für Minderjährige eine Ausnahme gemacht: Muss für den Minderjährigen nur ausgeschlagen werden, weil vorher seine Mutter oder sein Vater schon das Erbe, z.B. des Opas, ausgeschlagen haben, braucht man keine Genehmigung, § 1643 Abs. 2 Satz 2 BGB.

Fazit: Sollten Sie Erbe geworden sein, dann müssen Sie schnell handeln. Ab der Kenntnis von allen wichtigen Umständen haben Sie in der Regel nur sechs Wochen Zeit, um sich zu überlegen, ob Sie die Erbschaft annehmen wollen oder lieber ausschlagen. Tun Sie in diesen sechs Wochen nichts, gilt die Erbschaft als angenommen und Sie werden ungefragt Erbe.

Mehr zur Ausschlagung lesen Sie hier.

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