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30. Mai 2016 – Widerruf eines Testaments – Wie geht das?

UPDATE 10. Juli 2020

Ein einmal geschriebenes Testament kann aus verschiedenen Gründen nicht mehr dem aktuellen Willen entsprechen. Gründe für die Testamentsänderung können sein: Im Familienkreis können sich Änderungen ergeben haben, neue Entwicklungen der Erbschaftsteuer können eine andere Vererbung sinnvoll machen oder das Verhältnis zu einzelnen Familienmitgliedern hat sich verändert.

Widerruf des Testaments durch Erben ist möglich

Daher ist im Erbrecht des BGB geregelt, dass man ein einmal geschriebenes Testament jederzeit auch später – bis zum eigenen Lebensende – wieder aufheben kann.

Die Grundregel steht dazu im § 2253 BGB: man kann ein Testament oder einzelne in einem Testament enthaltene Verfügungen jederzeit widerrufen.

Die Regelungen für den Widerruf von einseitigen Testamenten stehen im BGB in den §§ 2253-2258.

Das BGB spricht im Erbrecht vom Widerruf eines Testaments. Der Widerruf des Testaments kann auf verschiedene Weise erfolgen:

Widerruf eines Testaments durch ein neues Testament

Im Normalfall wird ein altes Testament aufgehoben, indem man einfach ein neues Testament schreibt. § 2254 BGB sagt dann auch ganz einfach: „Der Widerruf [des Testaments] erfolgt durch Testament.“ Im sogenannten Widerrufstestament wird dann das alte Testament ausdrücklich aufgehoben.

Ein Testament kann aber auch stillschweigend aufgehoben werden.

Wird nämlich ein neues wirksames Testament errichtet, das mit dem früheren Testament inhaltlich im Widerspruch steht, ist dies auch ein Widerrufstestament. Gemäß § 2258 Abs. 1 BGB wird durch ein neues Testament ein früheres Testament insoweit aufgehoben, als das neuere Testament mit dem älteren Testament im Widerspruch steht.

Die stillschweigende Aufhebung des Testaments durch widersprechende neue Regelungen ist nicht zu empfehlen, da das Testament dann sonst unter Umständen nach dem Tod ausgelegt werden muss. So kann unklar sein, ob das spätere Testament das frühere Testament komplett aufheben oder nur ergänzen sollte, wenn beispielsweise nur zusätzliche Vermächtnisse angeordnet wurden.

Um solche Unsicherheiten und damit möglichen Streit zu verhindern, sollten Sie in einem neuen Testament immer klar ausdrücklich das frühere Testament widerrufen und erst dann eine komplett neue Verfügung treffen.

Form des Widerrufstestaments? Handschriftliches oder notarielles Testament

Das Widerrufstestament kann sowohl in handschriftlicher als auch in notarieller Form erfolgen. Auch ein ursprüngliches notarielles Testament kann durch ein eigenhändiges Testament widerrufen werden und umgekehrt.

Wie auch die Errichtung des Testaments kann auch dessen Widerruf nur persönlich erfolgen, § 2064 BGB, also nicht durch einen Vertreter.

Der Erblasser muss im Zeitpunkt des Widerrufs auch noch testierfähig sein.

Widerruf eines Testaments durch Vernichtung oder Veränderung des alten Testaments

Ein Testament kann auch dadurch aufgehoben werden, dass die Testamentsurkunde des alten  Testaments vernichtet wird, § 2255 BGB.

Hier kommt es aber immer noch auf den entsprechenden Willen („Vernichtungswille“) des Erblassers an. Wird nämlich das Testament vom Erblasser versehentlich vernichtet, ist das Testament nicht widerrufen.

Da dieser Wille – in einem Streit mit anderen, die vom vernichteten Testament profitieren würden -später vom Wunscherben u. U. auch bewiesen werden muss, ist die Vernichtung des Testaments weder der sicherste noch der beste Weg, um die gewünschte Erbfolge auch tatsächlich zu erreichen.

Problematisch kann das insbesondere sein, wenn der Erblasser vorher eine Kopie des später vernichteten Testaments an den damaligen Erben gegeben hat.

Bei einem verschwundenen Original eines wechselbezüglichen Ehegattentestaments hat das OLG München mit Beschluss vom 31.10.2019 – 31 Wx 398/17 so entschieden:

An den Nachweis der Vernichtungsabsicht bei der Vernichtung des Originals eines Ehegatten-Testaments sind hohe Anforderungen zu stellen. Die Möglichkeit, dass nur ein Ehegatte ohne Wissen und Mitwirkung des anderen die Urkunde vernichtet hat, muss ausgeschlossen werden können.

Daraus folgt: Wegen der Gefahr des Umlaufs von Testamentskopien älteren Datums, sollten Sie immer ein Widerrufstestament machen bzw. den Passus der Ungültigkeit bisheriger Testamente in das neue Testament schreiben. Also nicht nur das Original vernichten!

Zwei originale Testamente – aber nur ein Testament vernichtet

Ein Testament kann im Ausnahmefall sogar auch dann widerrufen sein, wenn es kein neues Testament gibt und das Testament nicht vernichtet wurde.

Ob man bei zwei existierenden Originalen für einen wirksamen Widerruf beide Testamente vernichten muss, musste das Oberlandesgericht Köln in einem Erbscheinsverfahren klären.

Eine ältere Dame hatte in einem handschriftlichen Testaments zunächst ihren Urenkel und zu einem späteren Zeitpunkt ihre Haushälterin als Erben eingesetzt. Offenbar bestand ein enges Verhältnis zur Haushälterin. Die älteren Dame hatte der Haushälterin auch Vollmachten gegeben. Die Seniorin verkaufte später der Haushälterin auch ihr Hausgrundstück.

Nachdem aber die Haushälterin 50.000 EUR vom Konto der älteren Dame abhob, ließ sie sich von einem Rechtsanwalt zur Rückabwicklung des Kaufvertrags mit der Haushälterin beraten.

Bei dieser Beratung mit dem Anwalt hat die Frau vor den Augen des Rechtsanwalts ein Originaltestament zerrissen.

Es gab aber noch ein zweites Original, das mit dem zerrissenen Testament identisch war, das offenbar die Haushälterin hatte.

Der Urenkel beantragte nach dem Tod der Dame einen Erbschein auf sich, weil er davon ausging, dass seine Uroma ihr Testament wirksam widerrufen hat. Im Erbscheinsverfahren legte die Haushälterin das zweite Originaltestament vor.

Das Gericht sagte hier, dass bei zwei Originaltestamenten die Vernichtung eines Testaments dann ausreichend ist, wenn keine Zweifel bestehen, dass die Verstorbene eine Aufhebung ihres letzten Willens wollte.  Hier war für den Urenkel das Glück, dass seine Uroma sich beim Anwalt zur Rückabwicklung des Grundstückskaufvertrags hat beraten lassen und beim Anwalt die Vernichtung der Urkunde erfolgt sei.

Wichtig war daher hier die Aussage des beteiligten Anwalts. Er konnte bestätigen dass die Frau ganz klar zum Ausdruck brachte, dass sie nicht an der Erbeinsetzung der Haushälterin – zu der sie auch keinen Kontakt mehr hatte – festhalten wolle.

Argument des OLG war auch das hohe Alter der Frau von über 90 Jahren. Da sei es nicht auszuschließen, dass sie einfach vergessen hatte, dass es noch ein zweites Original gibt.

Damit waren beide Testamente wirksam widerrufen. Der Urenkel wurde Alleinerbe.

OLG Köln, Beschluss v. 22.04.2020 – 2 Wx 84/20

Fazit: Im Zweifel würde man immer ein Widerrufstestament machen. Dann sind auch weitere Original-Testamente widerrufen.

Besonderheit beim Testament in amtlicher Verwahrung

Zur Sicherheit kann man sein Testament beim Nachlassgericht in die amtliche Verwahrung geben. Solange man lebt, kann man jederzeit die Rückgabe des Testaments verlangen.

Wird ein notarielles Testament aus der amtlichen Verwahrung genommen, gilt es auch als widerrufen, § 2256 Abs. 1 BGB.

Das gilt auch, wenn der Erblasser sein Testament gar nicht widerrufen wollte, sondern sich vielleicht nur den Inhalt des Testaments in Ruhe noch mal zu Hause durchlesen wollte, weil er keine Kopie hatte. Auf die Rückgabe die amtliche Verwahrung ändert am Widerruf des Testaments nichts.

Beim handschriftlichen Testament gilt das aber nicht.

Widerruf des Widerrufs des Testaments

Wird ein Widerrufstestament später widerrufen, ist im Zweifel die zunächst widerrufene Verfügung wieder wirksam, so wie wenn sie nicht widerrufen worden wäre, § 2257 BGB. Die Vorschrift des § 2257 BGB ist eine gesetzliche Vermutung, die aber widerlegt werden kann.

Daher gilt auch hier: Soll ein Widerrufstestament widerrufen werden, dann heben Sie alle vorherigen Testamente ausdrücklich durch einen eindeutige Formulierung im neuen Testament auf.

Erbfolge nach dem Widerruf des Testaments

Wird im Widerrufstestament einfach nur das alte Testament widerrufen und keine neue Regelung aufgenommen, tritt die gesetzliche Erbfolge ein.

Werden im neuen Testament nur einzelne Verfügungen des alten Testaments widerrufen, können zwei Testamente bestehen, die sich gegenseitig ergänzen. Auch hier ist im Sinne einer Klarstellung immer ein kompletter Widerruf und ein komplett neues Testament sinnvoll.

Achtung beim gemeinschaftlichen Ehegattentestament und Lebenspartner-Testament

Bei einem gemeinschaftlichen Testament, etwa beim Berliner Testament des Erblassers und seiner Ehefrau, kann der Widerruf – und damit auch ein neues Testament – schwierig sein.

Ein Widerruf wie oben beschrieben klappt nur, wenn im gemeinschaftlichen Testament keine wechselbezüglichen Verfügungen im Sinne von § 2270 BGB enthalten sind.

Beispiel 1: Beide Eheleute setzen sich im Berliner Testament gegenseitig zu Alleinerben ein. Der Längerlebende wird von der gemeinsamen Tochter beerbt. Das ist im Zweifel eine wechselbezüglichen Verfügungen gemäß § 2270 Abs. 2 BGB. Damit ist das Testament nicht gemäß § 2254 von jedem Ehegatten frei widerruflich.

Solange beide Eheleute noch leben, können Sie gemeinsam das Testament jederzeit durch ein anderes ersetzen. Sind sie sich aber nicht einig, dann kann ein Ehegatte das Testament nur in notarieller Form widerrufen. Beim normalen Berliner Testament hat man in der Regel genau diese Bindungwirkung. Das Testament ist dann nicht mehr frei widerruflich.

Der Ehegatte muss zum Notar gehen, dort den Widerruf erklären und diese Erklärung dem anderen Ehegatten zustellen lassen, §§ 2271 Abs. 1, 2296 BGB.

Das Recht zum notariellen Widerruf erlischt mit dem Tode des anderen Ehegatten. Der überlebende Ehegatte kann ein abweichendes Testament dann nur errichten, wenn er das ihm Zugewendete wirksam ausschlägt, § 2271 Abs. 2 BGB.

Beispiel 2: Beide Eheleute setzen sich nicht gegenseitig zu Alleinerben ein. Vielmehr setzt der Mann seine Ehefrau als Alleinerbin ein. Die Ehefrau setzt aber Ihre Cousine als Alleinerbin ein.

Das ist keine wechselbezügliche Verfügungen gemäß § 2270 BGB, da die Verfügung des einen getroffen wurde, ohne dass es ihm auf die Verfügung des anderen Ehegatten ankommt.

Hier ist das Testament hinsichtlich der eigenen testamentarischen Verfügung für jeden der Ehegatten frei widerruflich. Der Widerruf muss nicht in der Form §§ 2271 Abs. 1, 2296 BGB erfolgen.

Fazit: Wegen der Besonderheiten, die sich beim gemeinschaftlichen Testament aus wechselbezüglichen Verfügungen ergeben können, sollte in jedem Ehegattentestament eine ausdrückliche Erklärung stehen, ob die Verfügungen als wechselbezüglich angesehen werden oder nicht. Zu beachten ist auch, dass mit Widerruf der einen Verfügung auch die andere Verfügung unwirksam ist.

Ihr Ansprechpartner im Erbrecht:

Rechtsanwalt Alexander Grundmann, LL.M.,

Grundmann Häntzschel Rechtsanwälte in Leipzig

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