Wird ein Kind adoptiert, hat dieses – wenn es enterbt wird – genau wie ein leibliches Kind Anspruch auf den Pflichtteil. Dabei wird jedoch zwischen der Adoption eines minderjährigen Kindes (starke Adoption) und der eines volljährigen Erwachsenen (schwache Adoption) unterschieden.
Adoption eines minderjährigen Kindes – starke Adoption
Bei der Adoption eines minderjährigen Kindes ist die Rechtsfolge eindeutig: Wird ein Kind angenommen, so erlangt das Kind die rechtliche Stellung eines leiblichen Kindes (§ 1754 Abs. 1 BGB). Für das Erbrecht bedeutet dies, dass das adoptierte Kind gesetzlicher Erbe erster Ordnung der Adoptiveltern wird (§ 1924 Abs. 1 BGB) und im Falle einer Enterbung pflichtteilsberechtigt ist (§ 2303 Abs. 1 Satz 1 BGB). Sollte das Adoptivkind vor den Adoptiveltern versterben, gilt dies aber auch umgekehrt, das heißt, die Adoptiveltern sind dann gesetzliche Erben zweiter Ordnung des Kindes (§ 1925 Abs. 1 BGB) und haben unter Umständen bei Enterbung einen Pflichtteilsanspruch (§§ 2303 Abs. 2 Satz 1, 2309 BGB).
Eine Besonderheit bei der Adoption eines minderjährigen Kindes ist aber, dass mit der Adoption die Verwandtschaftsverhältnisse des Kindes zu seinen bisherigen Verwandten erlöschen (§ 1755 Abs. 1 Satz 1 BGB). Erbrechtlich hat dies zur Folge, dass weder ein gesetzliches Erbrecht noch ein Pflichtteilsanspruch gegenüber den leiblichen Eltern mehr besteht. Aufgrund dieser umfassenden Wirkung der Adoption spricht man bei der Adoption eines minderjährigen Kindes von einer so genannten „starken Adoption“.
Adoption eines volljährigen Erwachsenen – schwache oder starke Adoption
Wird dagegen ein volljähriger Erwachsener adoptiert, bestehen zwei Möglichkeiten:
Zum einen können die Adoptiveltern unter bestimmten Voraussetzungen beim Familiengericht beantragen, dass die Regelungen über die Adoption eines minderjährigen Kindes gelten sollen (§ 1772 Abs. 1 BGB). Ordnet das Familiengericht dies an, ergeben sich gegenüber der Adoption eines minderjährigen Kindes keine erbrechtlichen Besonderheiten.
Gibt es dagegen keine solche Anordnung, hat das Adoptivkind gegenüber den annehmenden Adoptiveltern ebenfalls die rechtliche Stellung eines leiblichen Kindes mit den genannten erbrechtlichen Konsequenzen (§§ 1767 Abs. 2 Satz 1, 1754 Abs. 1 BGB). Allerdings erlischt das Verwandtschaftsverhältnis des Adoptivkindes zu seinen leiblichen Eltern nicht (§ 1770 Abs. 2 BGB). Dies hat zur Folge, dass das Adoptivkind rechtlich gesehen vier Elternteile haben kann und gegenüber jedem dieser Elternteile ein gesetzliches Erbrecht und – bei Enterbung – einen Pflichtteilsanspruch hat.
Auf der anderen Seite erstrecken sich die Wirkungen der Adoption allein auf diejenige Person, die das Adoptivkind angenommen hat und nicht auf deren Verwandten und Ehegatten (§ 1770 Abs. 1 BGB). Es entstehen keine Verwandtschaftsverhältnisse zwischen dem angenommenen Erwachsenen und den weiteren Verwandten des Annehmenden, z. B. Großeltern, Onkel und Tanten.
Aber die eigenen Kinder des Angenommenen werden von dieser Adoption erfasst: Der Adoptierende erhält zusätzlich zum angenommenen volljährigen Kind auch noch Enkelkinder.
Aufgrund dieser eingeschränkten Wirkung der Adoption spricht man dann von einer „schwachen Adoption“.
Häufiges Ziel der Adoption im Erbrecht ist Verminderung der Pflichtteilsansprüche anderer Kinder
Bei einer erbrechtlich motivierte Adoption geht es um die positiven Folgen für das Erbrecht des angenommenen Kindes bzw. die Reduzierung von Pflichtteilsansprüchen der anderen Kinder des Annehmenden.
Versterben die Adoptiveltern und hinterlassen nur den von ihnen angenommenen Erwachsenen, beerbt dieser die Adoptiveltern.
Verstirbt dann der angenommene Erwachsene selbst ohne Kinder, so beerben dann die noch lebenden leiblichen Eltern den angenommenen Erwachsenen. Das bedeutet: Das Vermögen der Adoptiveltern geht über das angenommene erwachsene Kind letztendlich zu dessen leiblichen Eltern. Hier ist im Rahmen der Planung einer Adoption ein Pflichtteilsverzicht der leiblichen Eltern denkbar, um diese Erbfolge zu verhindern.
Allerdings muss man auch an die Erbfolge des angenommenen Kindes denken:
Verstirbt der angenommene Erwachsene selbst ohne Kinder (diese würden ihn ja als Erben der 1. Ordnung beerben), wird er von seinen Eltern beerbt. Das gilt für die leiblichen und die Adoptiveltern.
Beispiel: Der adoptierte 25-jährige Sohn verstirbt unverheiratet und ohne Kinder. Seine leibliche Mutter und sein Adoptivvater beerben ihn nach der gesetzlichen Erbfolge zu je ein halb.
Wird ein kinderloses erwachsenes Kind adoptiert, sollten alle Beteiligten über eine testamentarische Gestaltung nachdenken, um ungewollte erbrechtliche Folgen zu vermeiden.
Auswirkung auf das Unterhaltsrecht
Problematisch kann der Elternunterhalt sein. ( Der Kindesunterhalt hingegen spielt nur in den Fällen eine Rolle, wenn der Erwachsene noch (Kindes)unterhalt von seinen leiblichen Eltern verlangen kann. )
Der angenommene Erwachsene verliert bei der schwachen Adoption nicht seine Unterhaltsverpflichtung gegenüber seinen leiblichen Eltern.
Wenn die leiblichen Eltern unterhaltsbedürftig werden, beispielsweise weil sie aufgrund einer Pflegebedürftigkeit in ein teures Heim müssen, kann der als Erwachsener mit schwachen Wirkungen Adoptierte immer noch herangezogen werden, gemäß § 94 ISGB XII auch vom Sozialamt.
Mit der Adoption entstehen aber auch wechselseitige Unterhaltspflichten zwischen den annehmenden Eltern und dem angenommenen Erwachsenen.
Fazit: Für den angenommenen Erwachsenen verdoppeln sich somit im ungüstigsten Fall die Unterhaltspflichten, wenn die leiblichen Eltern und auch noch die Adoptiveltern unterhaltsbedürftig werden.
Bei einer Volljährigenadoption sollte daher immer darüber nachgedacht werden, ob die Volljährigenadoption nicht gemäß § 1772 BGB mit den Wirkungen einer Minderjährigenadoption beantragt werden soll, um unerwünschte Folgen im Erbrecht und Unterhaltsrecht zu den leiblichen Eltern auszuschließen.
Eine Volladoption eines erwachsenen Kindes ist zum Beispiel möglich bei einer Stiefkindadoption, wenn der Annehmende das schon erwachsene Kind seines Ehegatten adoptiert.
Die Volladoption ist auch erlaubt, wenn gleichzeitig ein minderjähriges oder volljähriges Geschwisterkind angenommen wird.
Bei Pflegekindern, die als Volljährige von ihren Pflegeeltern adoptiert werden, klappt die Adoption mit starken Wirkungen auch, weil das Kind schon als Minderjähriger in der Familie des Annehmenden gelebt hat.
Fazit: Da die Adoption verschiedenste Auswirkungen hat und nicht alle rechtlichen Auswirkungen immer gewünscht sind, ist eine rechtliche Beratung im Vorfeld zu empfehlen.
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Erbrecht in Leipzig
Rechtsanwalt Alexander Grundmann
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