Aktuelle Rechtsinformation

13. 11. 2015 – OLG München: Umfang der Nachlasspflegschaft bei Tod eines Mieters ohne Erben

Kein Erbe für Kündigung der Wohnung vorhanden

2011 ist eine alleinstehende Frau im Alter von 73 Jahren verstorben. Sie hinterließ kein Vermögen. Erben waren nicht zu finden. Die Frau wohnte in einer Mietwohnung. Um die Wohnung wieder vermieten zu können wollte der Vermieter das Mietverhältnis mit der Frau bzw. ihren Erben kündigen. Er hatte aber nach dem Tod der Frau keinen Ansprechpartner. Daher stellte er beim Nachlassgericht einen Antrag auf Einsetzung eines Nachlasspflegers zur Kündigung und Räumung der Wohnung.

Einsetzung eines Nachlasspflegers im Todesfall

Nach dem Tod eines Menschen gibt es einen Erben. Manchmal ist es aber auch so, dass niemand aus der Familie erbt oder die Erben nicht ausfindig gemacht werden können. Dann kann der Nachlass von einem Nachlasspfleger betreut werden.

Ein Nachlasspfleger wird vom Gericht eingesetzt, um sich um die hinterlassene Erbschaft zu kümmern, wenn noch keine Erben ausfindig gemacht wurden oder noch nicht feststeht ob diese das Erbe ausschlagen. Er handelt als gesetzlich bestellter Vertreter der Erben. Der Nachlasspfleger kann, wenn notwendig, nach § 1960 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) von Amts wegen vom Nachlassgericht eingesetzt werden. Aber auch der Nachlassgläubiger kann nach § 1961 BGB beim Gericht die Einsetzung eines Nachlasspflegers beantragen, um seine Rechte verfolgen und durchsetzen zu können.

Antrag auf Nachlasspflegschaft durch Vermieter

Der Vermieter reichte im Fall der alleinstehenden, verstorbenen Frau einen solchen Antrag zur Einsetzung eines Nachlasspflegers ca. zwei Monate nach dem Tod der Frau ein. In dem Antrag verlangte er die Einsetzung eines Nachlasspflegers zur „Kündigung, Räumung und Abwicklung des Mietverhältnisses“. Vom Amtsgericht wurde daraufhin ein Nachlasspfleger bestellt. Dieser wurde aber ausschließlich zur Beendigung des Mietverhältnisses des Erblassers eingesetzt. Die Abwicklung und Räumung der Wohnung war daher durch den Nachlasspfleger nicht möglich. Der Vermieter legte dagegen Beschwerde ein.

Festlegung des Aufgabenbereichs des Nachlassempfängers durch das Gericht

Der Aufgabenbereich eines Nachlasspflegers wird durch das Nachlassgericht im Einzelfall festgelegt Dieser kann dabei weit gezogen sein oder sich lediglich auf Besorgung bestimmter einzelner Angelegenheiten beschränken. (Parlandt/Weidlich, BGB, § 1960, Rn. 10).

Die Erteilung einer Nachlasspflegschaft, die „ausschließlich zur Beendigung des Mietverhältnisses des Erblassers“ berechtigt ist, ist nach Ansicht des Oberlandesgericht München (OLG München) zu eng gefasst.

Mit der bloßen Kündigung des Mietverhältnisses seien noch nicht alle Ansprüche vollkommen abgegolten. Nach der Kündigung des Mietverhältnisses hat beispielsweise ebenfalls die Räumung der Wohnung zu erfolgen. Das Amtsgericht wollte mit dem eingeschränkten Aufgabenbereich des Nachlasspflegers verhindern, dass die Räumungskosten der Wohnung von der Staatskasse bezahlt werden müssen. Nach der Ansicht des OLG München ist die Aufteilung der Kosten aber nach den erbrechtlichen Vorschriften zu beurteilen. Durch den Nachlasspfleger ist gegebenenfalls ein Nachlassinsolvenzverfahren nach § 1980 BGB zu eröffnen.

Der Rechtsstreit wurde vom OLG München an das Amtsgericht Augsburg wieder zurückgegeben. Dem Gericht wurde aufgegeben, einen Nachlasspfleger zu ernennen, der die vollständige Befugnis dazu hat, das Mietverhältnis zu beenden und die Wohnung zu räumen.

Fazit: Nachlasspfleger können nicht nur von Amts wegen bestellt werden. Auch Nachlassgläubiger sollten ihr Recht mittels eines Antrags auf einen Nachlasspfleger durchsetzen. Solange kein Erbe das Erbe annimmt können Sie Ihre Rechte nichtgeltend machen.

OLG München Beschluss 2012, Az.: 31 WX 81/12

 

Lassen Sie sich zum Thema Nachlass und Nachlasspflegschaft beraten. Wir beraten Sie als Erbe oder als Vermieter eines verstorbenen Menschen.

Rechtsanwalt Alexander Grundmann, Leipzig

 

 

Rechtstipps und Urteile

↑ Zurück zum Seitenanfang