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8. 12. 2015 – Der Unterhalt Geschiedener im Erbrecht –Unterhaltsrechtsverpflichtungen für die Erben

Der Unterhaltsanspruch des Geschiedenen erlischt nicht mit dem Tod des Ex, sondern geht  auf  die Erben über. Die Haftung für den Unterhalt ist jedoch beschränkt auf den fiktiven Pflichtteil, als wenn die Ehe noch bestehen würde. Dabei sind auch etwaige -fiktive- Pflichtteilsergänzungsansprüche zu berücksichtigen. Im Einzelnen:

Überraschung für den Erben – der Unterhalt des Expartners

Wenn ein Unterhaltsverpflichteter stirbt, stellt sich – auch wenn das den Erben häufig nicht bewusst ist – die Frage, was mit seinen Unterhaltsverpflichtungen passiert.

Im Grundsatz erlöschen Unterhaltspflichten mit dem Tode.

Es gibt aber eine wichtige Ausnahme, die sowohl bei Unterhaltsberechtigten als auch bei Erben meistens nicht bekannt ist.

Unterhaltsverbindlichkeit geht auf Erben über

In § 1586 b BGB ist geregelt, dass im Falle einer Scheidung und bestehender Unterhaltsverpflichtung des Erblassers gegenüber seiner geschiedenen Ehefrau die Unterhaltspflicht als Nachlassverbindlichkeit auf den Erben übergeht.

Sinn der Vererblichkeit der Unterhaltsforderung

Die Unterhaltsforderung wird gemäß § 1586 b BGB vererbt, um den Lebensbedarf des geschiedenen Ehegatten über den Tod des Ex-Gatten hinaus zu sichern, wie das bei nicht geschiedener Ehe durch erbrechtliche Ansprüche – also zumindest dem Pflichtteilsanspruch – gesichert wäre. Allerdings soll der unterhaltsberechtigte Ex- Partner auch nicht mehr bekommen, als er bei weiterbestehender Ehe als Pflichtteil am Erbe bekommen hätte:

Beschränkung der Unterhaltsschulden auf den fiktiven Pflichtteil

Allerdings haften die Erben nicht unbeschränkt mit dem gesamten Nachlass. Die Nachlassverbindlichkeit aus dem Unterhalt ist der Höhe nach auf den Betrag beschränkt, der dem Pflichtteil entspricht, welcher dem Unterhaltsberechtigten bei Bestehen der Ehe zustehen würde, § 1586 b Abs. 1 Satz 3 BGB.

Für die Höhe des Gesamtunterhalts, den die Erben der geschiedenen Ehefrau oder dem geschiedenen Ehemann des Verstorbenen zahlen müssen, ist somit der Pflichtteil zu errechnen, der sich bei noch bestehender Ehe zugunsten des Ehegatten ergeben würde.

Wichtig ist, dass für die Berechnung auch Pflichtteilsergänzungsansprüche des Unterhaltsberechtigten gegen den Erben, die sich bei noch bestehender Ehe ergeben würden, hinzuzurechnen sind.

Beispiel: Herr Mueller Frau Mueller und F haben eine gemeinsame Tochter. Die Ehe wird im Frühjahr 2014 rechtskräftig geschieden. Der Unterhaltsanspruch der Frau gegen den gut verdienenden Mann, der vor der Scheidung Alleinverdiener war, wurde durch ein rechtskräftiges Urteil auf monatlich 1.000 € festgesetzt. Der Mann verstirbt. Er hat seine Tochter durch Testament zur Alleinerbin eingesetzt.
Der verstorbene Mann hatte nach der Scheidung 2014 seiner Tochter seine Eigentumswohnung im Wert von 100.000 € geschenkt. Ende 2015 verstirbt der Mann. Der Nachlasswert beträgt nach Abzug sämtlicher Nachlassverbindlichkeiten 100.000 €.

Wieviel Unterhalt kann die Frau von ihrer Tochter insgesamt verlangen?

Der gesetzliche Erbteil der Frau würde – ohne Berücksichtigung einer Erhöhung wegen Bestehens einer Zugewinngemeinschaft – 1/4 betragen, § 1931 Abs. 1 BGB. Besonderheiten aufgrund des Güterstandes bleiben bei der Berechnung des fiktiven Pflichtteils nach § 1586 b BGB außer Betracht.

Die Pflichtteilsquote ist 1/2 des gesetzlichen Erbteils. Die Pflichtteilsquote der Frau beträgt 1/2 von 1/4 = 1/8.

1/8 von 100.000 € = 12.500 €.

Allerdings sind auch die fiktiven Pflichtteilsergänzungsansprüche des Unterhaltsberechtigten gegen den Erben zu berücksichtigen.

Es gilt § 2325 BGB in der Fassung ab dem 01.01.2010. Der Pflichtteilsergänzungsanspruch wird wie folgt ermittelt:

Die Eigentumswohnung hat einen Wert in Höhe von 100.000 €.

Für Erbfälle seit dem 1.1.2010 gilt das sog. Abschmelzungsmodell des § 2325 Abs. 3 Satz 1 BGB. Die Schenkung wird innerhalb des ersten Jahres vor dem Erbfall voll, danach jeweils pro weiteres Jahr um jeweils 1/10 vermindert berücksichtigt.

Im vorliegenden Fall erfolgt daher eine Verminderung um 1/10:

100.000 € x 9/10 = 90.000 €

Der Pflichtteilsergänzungsanspruch beträgt 1/8 von 90.00 € = 11.250 €.

Das Limit für den Unterhalt beträgt damit:

12.500 €.+ 11.250 € = 23.750 €.

Die Unterhaltsverpflichtung in Höhe von 1.000 € besteht daher gegen die Erbin in voller Höhe noch für 23 weitere Monate und danach im letzten Monat in Höhe von 750 €.

Prozessuales zum Unterhalt

Da es einen Unterhaltstitel gegen den Mann gab, kann die unterhaltsberechtigte Frau gemäß § 727 ZPO den Unterhaltstitel gegen die Erbin umschreiben lassen, vgl. BGH Beschluss v. 4.08.2004 – Az. XII ZB 38/04, Rz. 15 in NJW 2004, S. 2896 ff..

Nach Erreichen der Haftungsgrenze muss die Erbin nicht mehr zahlen. Verlangt die Frau weiterhin Unterhaltszahlungen, kann die Erbin zur Beseitigung des Unterhaltstitels die Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO erheben.

Besonderheiten bei Pflichtteilsverzicht der Ehegatten

Auf den Pflichtteil kann man durch notariellen Vertrag verzichten, § 2346 Abs. 2 BGB.

Haben die geschiedenen Ehegatten während der Ehe einen Pflichtteilsverzichtsvertrag geschlossen, entfällt möglicherweise auch der Unterhaltsanspruch. Diese Frage ist höchstrichterlich noch nicht geklärt.

 

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Erbrecht in Leipzig

Rechtsanwalt Alexander Grundmann

 

 

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