Artikel ergänzt am 25. September 2024
Nachdem ich in einer kurzen Artikelserie den oft vergessenen Aspekt der Vorsorgevollmacht – das Innenverhältnis und die oft daraus resultierende Auskunftspflicht der Bevollmächtigten erläutert habe, geht es heute darum, ob solche Auskunftsansprüche verjähren oder verwirkt sein können.
Verjährung eines Auskunftsanspruches?
Im BGH- Urteil vom 1. Dezember 2011 Az. III ZR 71/11 ging es um den Anspruch eines Auftraggebers gegen einen Auftragnehmer, das hatte nichts mit Erbrecht zu tun, aber die Grundgedanken sind relevant.
Auskunftsanspruch gemäß § 666 Variante 2 BGB
Der Auskunftsanspruch gemäß § 666 Variante 2 BGB setzt ein Verlangen des Geschäftsherrn voraus.
Es ist daher ein so genannter „verhaltener Anspruch“, weil der Schuldner die Leistung nicht von sich aus erbringen muss beziehungsweise nicht leisten darf, bevor sie der Gläubiger verlangt.
Die dreijährige Verjährungsfrist des § 199 Abs. 1 BGB beginnt für diese Ansprüche entsprechend § 604 Abs. 5, § 695 Satz 2, § 696 Satz 3 BGB erst mit ihrer Geltendmachung durch den Gläubiger.
Das bedeutet konkret, der Bevollmächtige oder dessen Erbe muss erstmal Auskunft vom Bevollmächtigten verlangen, damit die Verjährungsfrist für den Auskunftsanspruch zu laufen beginnt.
Beispiel (aus der Praxis): Eine verwitwete Frau wird über 10 jahre von ihrer jüngsten Tochter gepflegt. Die anderen drei Kinder halten sich raus. Die Tochter hat eine Vorsorgevollmacht. Mit der Vorsorgevollmacht werden - in Absprache mit der Mutter - Bankgeschäfte für die Mutter gemacht, Geld abgehoben, eingekauft, Geld an die Enkel überwiesen. Schriftliche Vereinbarung gibt es naturgemäß nicht. Als die Mutter stirbt kommen die anderen Kinder in Erwartung eines großen Erbes zur Tochter, die gepflegt hat. Die Geschwister verlangen Auskunft, was mit dem abgehobenenen und überwiesenen Geld passiert ist. Den Auskunftsanspruch haben sie als Miterben von der Mutter geerbt.
Die dreijährige Verjährung läuft erst ab dem Auskunftsverlangen. Die Tochter muss für Vorgänge, die mehr als 10 Jahre zurück liegen Auskunft geben und Rechenschaft legen.
Fazit: Verjährung hilft dem Bevollmächtigten meist nicht.
Verwirkung eines Auskunftsanspruches gegen den Bevollmächtigten?
Wenn ein Auftraggeber, also der Vollmachtgeber den Bevollmächtigten „schalten und walten“ lässt, könnten Auskunftsansprüche aber verwirkt sein.
Insoweit ist in der juristischen Literatur und Rechtsprechung anerkannt, dass die Geltendmachung eines Anspruchs auf Rechnungslegung dann gegen Treu und Glauben verstoßen kann, wenn ihn der Berechtigte jahrelang nicht erhoben hat (BGH, VII ZR 284/61; OLG Düsseldorf, 3 U 88/14 und zuletzt BGH, 18.10.2012, III ZR 150/11 im gesellschaftsrechtlichen Kontext). Dies hat der BGH insbesondere für Rechtsverhältnisse mit familiären oder sonstigen personalem Einschlag (wie hier) entschieden (BGH, III ZR 105/11), wobei in letzterer Entscheidung ein Zeitraum von 5 Jahren für die Verwirkung als nicht ausreichend erachtet wurde. Bei längeren Zeiträumen konnte sich der Beauftragte darauf einrichten, dass seine Rechnungslegungspflicht weggefallen war (vgl. OLG Düsseldorf, 23.09.1998 – 11 U 77/97).
Etwas anderes kann allerdings dann gelten, wenn der Berechtigte (also der Erbe als Anspruchsteller) Tatsachen nachweist, die geeignet sind, Zweifel an der Zuverlässigkeit des Auskunftspflichtigen an seiner Geschäftsführung zu wecken (BGH, VII ZR 284/11; OLG Düsseldorf, a.a.O.).
Dafür werden aber hohe Anforderungen gestellt, weil sich der Beauftragte, der sich auf Grund besonderer Umstände auf den Wegfall seiner Rechnungslegungspflicht eingestellt hat, häufig nicht in der Lage sein wird, den ihm nachträglich nach vielen Jahren noch abverlangten Beweis zu führen (OLG Düsseldorf, 23.09.1998 – 11 U 77/97).
Dazu noch ein 2023 vom BGH entschiedener Fall:
Fazit: Wird neben der Vorsorgevollmacht nichts geregelt, besteht grundsätzlich ein Auskunftsanspruch des Auftraggebers (Vollmachtgebers) gegen seinen Auftragnehmer (Bevollmächtigten), was z.B. mit dem anvertrauten Geld passiert ist. Bestand ein Auskunftsanspruch, kann dieser Anspruch vom Auftraggeber im Wege der Erbfolge auf den oder die Erben übergehen. Verjährung und Verwirkung helfen dann dem Bevollmächtigten meist auch nicht. Er muss - auch nach vielen Jahren - noch detailliert Auskunft geben. Das bedeutet: Regeln Sie immer auch das Innenverhältnis zur Vorsorgevollmacht und ersparen Sie Ihrem Bevollmächtigten unnötigen Ärger mit anderen Erben.
Gerne berate ich Sie und gestalte einen individuellen Vertrag für das Innenverhältnis zu Ihrer Vorsorgevollmacht und unterstütze Sie bei der Testamentsgestaltung zur Vermeidung von Streit.
Ihr Ansprechpartner zur Vorsorgevollmacht
Rechtsanwalt Alexander Grundmann
Grundmann Häntzschel Rechtsanwälte Leipzig
Rechtstipps und Urteile