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26. Januar 2021 – BGH zum Pflichtteilsergänzungsanspruch: Zahlung von Darlehenszinsen ist Schenkung

ergänzt am 13. Februar 2021

Der Bundesgerichtshof hatte in einer Angelegenheit aus dem Raum Dresdens über Pflichtteilsansprüche von zwei Söhnen nach dem Tod ihres Vaters zu entscheiden, BGH, Urteil vom 14.03.2018 – IV ZR 170/16. Dabei setzte sich der Bundesgerichtshof mit der Frage auseinander, wie der Pflichtteilsergänzungsanspruch zu berechnen ist, wenn eine gemeinsame Darlehensschuld ausschließlich vom Verstorbenen beglichen wurde. Interessant ist der Fall, weil er auch in der Vorinstanz am Landgericht und Oberlandesgericht Dresden einige relevante Fragen des Erbrechts aufgreift.

Grundstück an zweite Ehefrau – Ehebedingte Zuwendung, selbst bei Scheidung

Ein Mann hatte zwei Söhnen aus seiner erster Ehe.

Der Mann erhielt von seinem Vater im Jahr 1997 ein Grundstück. Zugleich übertrug der Mann mit selbiger notarieller Vereinbarung die Hälfte des Grundstücks an seine zweite Ehefrau. Im Notarvertrag wurde festgehalten, dass es sich um eine „ehebedingte Zuwendung“ handelt, die auch im Falle einer Ehescheidung Bestand haben soll. Die Ehefrau wurde darauf als Miteigentümerin ins Grundbuch eingetragen.

Zum Bau eines Einfamilienhauses auf dem Grundstück nahm das Ehepaar gemeinsam ein Darlehen auf, das durch eine Grundschuld gesichert wurde. Die zwischenzeitlich geleisteten Darlehensraten in Höhe von über 130.000 Euro gingen nur von dem Konto des Ehemanns ab. Im Jahr 2008 errichteten die Eheleute ein gemeinsames Testament, indem sie sich gegenseitig zum Alleinerben einsetzten. Der Mann verstarb 2009 in Folge einer schweren Erkrankung im Alter von 60 Jahren.

Damit waren die Söhne enterbt und hatten nur ihren Pflichtteilsanspruch, den sie gegen die zweite Ehefrau als Erbin geltend machten.

Streit um Pflichtteilsergänzung vom Landgericht Dresden bis zum BGH

Beim darauf entstehenden Streit zwischen Söhnen und zweiter Ehefrau ging es auch, darum, ob es Schenkungen an die Ehefrau gab und damit Pflichtteilsergänzungsansprüche der Söhne bestehen.

Die beiden Söhne sahen die Übertragung des hälftigen Miteigentumsanteils an dem Grundstück sowie die Hälfte der geleisteten Zins- und Tilgungsraten als Schenkungen  ihres Vaters an seine zweite Ehefrau an.

Sie klagten vor dem Landgericht Dresden erfolgreich ihre Pflichtteilsergänzungsansprüche ein. Die Ehefrau legte Berufung ein, sodass sich das Oberlandesgericht Dresden mit der Angelegenheit befasste. Das Oberlandesgericht Dresden sah die hälftige Übertragung des Grundstückes ebenfalls als Schenkung an. In den ausschließlich vom Verstorbenen geleisteten Tilgungszahlungen sei jedoch  – entgegen der Auffassung des Landgerichts Dresden – keine eigenständige Schenkung zu sehen. Die Söhne gingen in Revision zum Bundesgerichtshof.

Der Bundesgerichtshof hatte sich  überdies mit der Frage zu befassen, ob auch die ausschließlich vom Ehemann geleisteten Zinszahlungen Schenkungen an seine Ehefrau waren und wie sich der Pflichtteilsanspruch dahingehend berechnet.

Pflichtteilsergänzungsanspruch aufgrund Schenkung

Für das Entstehen von Pflichtteilsergänzungsansprüchen bedarf es einer Schenkung an einen Dritten. Diese muss den Beschenkten aus dem Vermögen des Schenkers bereichern und darf nicht von einer Verpflichtung oder einer Gegenleistung abhängig sein. Eine solche Schenkung gibt dem Pflichtteilsberechtigten einen Pflichtteilsergänzungsanspruch, wenn es sich um einen unentgeltlichen Vorgang handelt. Fehlt objektiv eine Gegenleistung, ist eine Zuwendung an den Ehegatten eine Schenkung, das bestätigte der BGH mit Urteil vom 14.3.2018 – IV ZR 170/16, Rn. 14 und 22.

Der Bundesgerichtshof entschied zunächst, dass den beiden Söhnen – aufgrund der hälftigen Übertragung des Miteigentumsanteils am Grundstück an die Ehefrau als Alleinerbin – ein Pflichtteilergänzungsanspruch zusteht.

Alleinzahlung von Raten für Ehegatten-Darlehen als Schenkung?

Die ausschließlich vom Ehemann erbrachten Zahlungen der Bankraten wurden bei der Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs berücksichtigt.

Die vom Ehemann an die Bank allein gezahlten Raten können eine sogenannte unbenannte Zuwendungen sein, die als unentgeltliche Schenkungen anzusehen sind. Das würde zu Pflichtteilsergänzungsansprüchen führen

Bei den an die Bank gezahlten Raten ist aber zu unterscheiden zwischen getilgter Darlehensschuld und den in den Raten auch enthaltenen gezahlten Zinsen:

Keine Pflichtteilsergänzung wegen der Tilgung des gemeinsamen Darlehens

Die in den Raten an die Bank enthaltenen Tilgungsleistungen unterliegen dabei nicht der Pflichtteilsergänzung, weil durch die Tilgung der Wert des Darlehens und der Grundschuld sinkt und damit der Wert des Grundstücks entsprechend steigt.  Da der höhere Wert des Grundstücks schon in der Berechnung des fiktiven Nachlasses berücksichtigt worden war, können die Tilgungsleistungen nicht nochmal berücksichtigt werden. Sie können daher dem fiktiven Nachlass nicht ein zweites Mal als Schenkung hinzugerechnet werden.

Oder anders ausgedrückt: Die ausschließlich vom Ehemann erbrachten Tilgungszahlungen wurden schon an anderer Stelle bei der Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs berücksichtigt. Denn durch die Tilgungszahlungen verringerte sich die mit der Grundschuld gesicherte Darlehensschuld, sodass der Wert von Grundstück samt Einfamilienhaus stieg.

Aber die allein gezahlten Zinsen können Schenkung sein

Etwas anderes gilt für die Zinsen. Auch die Zinsen hätten beide Eheleute gemeinsam zahlen müssen. Wenn einer der Ehegatten die Zinsen alleine zahlt, spart der andere diese Kosten.

Die Zinszahlung hat aber – im Gegensatz zur Tilgung – nicht den Wert des übertragenen Miteigentumsanteils erhöht.

Durch alleinige Zinszahlung des verstorbenen Mannes verringerte er somit die Verbindlichkeiten seiner Ehefrau und vermehrte ihr Vermögen. Das ist eine Schenkung und führt zur Pflichtteilsergänzung.

Ausnahme bei geschuldetem Unterhalt

Vor dem Bundesgerichtshof führte die Ehefrau an, dass die Zinszahlungen ihres Ehemannes dazu gedient hätten, die gemeinsame Ehewohnung zu sichern. Es sei zudem möglich, dass die Zinszahlungen durch ihren Mann unterhaltsrechtlich geschuldet waren. Dazu wurde vor dem Landgericht und Oberlandesgericht Dresden jedoch keine Feststellungen getroffen. Der Bundesgerichtshof entschied in dieser Angelegenheit daher nicht abschließend und verwies den Rechtsstreit zur Vornahme weiterer Feststellungen an das Oberlandesgericht Dresden zurück. Dieses wird sich mit der Frage zu befassen haben, ob der Ehemann durch die Zinszahlungen lediglich seinen unterhaltsrechtlichen Beitrag zu den gemeinsamen Wohnkosten geleistet hat. Dann würde den Zinszahlungen eine konkrete Gegenleistung gegenüber stehen.

Keine Schenkung bei Alterssicherung oder langjähriger Dienste

Neben Zahlung aufgrund unterhaltsrechtlicher Verpflichtungen kann ausnahmsweise auch eine Zuwendung zur Alterssicherung keine Schenkung sein.  Damit wäre – obwohl keine Gegenleistung zurückfließt – das dann trotzdem „entgeltlich“ und damit keine Schenkung, die zu Pflichtteilsergänzungsansprüchen führt.

Eine solche Zuwendung ist dann als entgeltlich anzusehen, wenn sie objektiv für die Alterssicherung notwendig ist. Voraussetzung ist, dass sich die Zuwendung im Rahmen einer nach den konkreten Verhältnissen angemessenen Alterssicherung hält. Mehr zur ehebedingten Zuwendung als Alterssicherung, OLG Schleswig, Beschluss vom 16.02.2010, 3 U 39/09.

Auch kann eine ehebedingte Zuwendung aufgrund langjähriger Dienste, die ein Ehegatte dem anderen vor oder nach der Eheschließung geleistet hat, im Rahmen des objektiv Angemessenen nachträglich vergütet werden. Dann liegt keine Schenkung vor.

Schenkung oder nicht? Das Problem der Beweislast

Grundsätzlich ist es Sache der Pflichtteilsberechtigten – hier der beiden Söhne – wegen eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs zu beweisen, dass die Übertragung des Grundstücks unentgeltlich erfolgt ist. Die Pflichtteilsberechtigten müssen somit beweisen können, dass der Leistung des verstorbenen Vaters an seine Ehefrau keine Gegenleistung gegenüberstand. Das Fehlen einer Gegenleistung zu beweisen, ist für die Pflichtteilsberechtigten aber mit kaum überwindbaren Schwierigkeiten verbunden. Diese haben als Dritte von den insoweit wesentlichen Umständen keine Kenntnis. Denn das die Gegenleistung begründende Rechtsverhältnis ist nur zwischen ihrem Vater und seiner Ehefrau zustande gekommen. Solche Beweisschwierigkeiten der Pflichtteilsberechtigten bergen die Gefahr, dass der Verstorbene und sein Ehegatte den Rechtsfolgen des § 2325 BGB zu entgehen versuchen, indem sie die in der Vergangenheit unentgeltlich gewährte Leistung nachträglich als entgeltlich erklären, also eine Gegenleistung behaupten.

Erbe muss die Entgeltlichkeit jedoch darlegen können

Daher muss bei solchen Beweisschwierigkeiten der Erbe die Tatsachen hinsichtlich der Entgeltlichkeit der Zuwendung darlegen. Der oder die beschenkte Erbe/Erbin hat die sogenannte sekundäre Darlegungslast zur Entgeltlichkeit der Zuwendung (BGH im Urteil unter Rn. 23).

Fazit: Tilgung- und Zinszahlungen sind Schenkungen an die Ehefrau, wenn weder eine Gegenleistung erbracht, noch die Alterssicherung bezweckt wird. Dabei muss der Erbe im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast vortragen, dass er keine Gegenleistung für die Zuwendung erhalten hat. Kann der Erbe nicht darlegen und beweisen, dass der Zuwendung eine Gegenleistung gegenüberstand, ist sie als Schenkung anzusehen. Das gilt auch dann, wenn sie notariell als „ehebedingte Zuwendung“ bezeichnet wurde.

BGH, Urteil vom 14.03.2018 – IV ZR 170/16

Vorinstanzen:

OLG Dresden, Urteil vom 22.06.2016 – 17 U 360/16

LG Dresden, Urteil vom 10.02.2016 – 2 O 440/13

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Rechtsanwalt Alexander Grundmann, Leipzig

 

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