Schenkungen zu Lebzeiten führen oft zu Streit nach dem Erbfall. Das spielt nicht nur eine Rolle beim Pflichtteil (Stichwort: Pflichtteilsergänzungsanspruch), sondern auch bei so genannten beeinträchtigenden Schenkungen.
Bei beeinträchtigenden Schenkungen (§ 2287 BGB) geht es um Folgendes: Verschenkt jemand, der sich durch einen Erbvertrag oder ein gemeinschaftliches Testament gebunden hat, etwas aus seinem Vermögen, kann dies eine „beeinträchtigende“ Schenkung sein, die später angreifbar ist. Dann kommt es unter anderem darauf an, ob es sich dabei um ein zulässiges „Anstandsgeschenk“ handelt. Dann war die Schenkung nicht „beeinträchtigend“ und der Beschenkte darf das Geschenk behalten. Einen solchen Fall hatte das OLG Düsseldorf zu entscheiden, mit einem auf den ersten Blick überraschenden Ergebnis:
Mann schenkt Ehefrau Yacht für mehr als halbe Million
Ein offenbar sehr vermögender Unternehmer hatte einen Sohn aus erster – geschiedener – Ehe.
Der Mann hatte mit seiner Lebensgefährtin (seiner späteren zweiten Ehefrau) beim Notar einen Erbvertrag geschlossen. In dem Erbvertrag setzten sie ihre jeweiligen Kinder zu alleinigen Erben ein, und zwar „bindend und nicht widerruflich“ Der Unternehmer hatte so seinen Sohn als Alleinerben eingesetzt.
Kurz vor seinem Tod heiratete der Mann seine Lebensgefährtin. Zur Hochzeit schenkte er seiner neuen Ehefrau eine Motoryacht mit Beiboot im Wert von knapp 600.000 EUR.
Nach dem Tod des Unternehmers gab es wegen des Geschenks Streit zwischen Sohn und Witwe. Sie stritten darüber, ob der verstorbene Mann, nachdem er sich im Erbvertrag gegenüber dem Sohn gebunden hatte, überhaupt noch berechtigt war, etwas so Wertvolles aus seinem Vermögen zu verschenken.
Sein Sohn aus erster Ehe klagte gegen die zweite Frau. Es ging darum, ob er die Yacht zurückfordern kann.
Anstandsgeschenk oder nicht – wichtig ist das Verhältnis zum Gesamterbe
Das OLG Düsseldorf entschied, dass die Motoryacht im konkreten Fall eine Anstandsschenkung war. Damit war die Schenkung trotz des Erbvertrags und dessen Bindungswirkung zulässig.
Laut des Gerichtsurteils zeichnen sich Anstandsgeschenke zwar grundsätzlich durch einen eher geringen Wert aus. Dieser Wert ist aber nicht fest, sondern ergibt sich aus dem Verhältnis zwischen verfolgtem Zweck der Schenkung, den wirtschaftlichen Verhältnissen des Schenkers und seinem verbleibenden Vermögen. Was üblich ist, richtet sich jedoch nach dem Einzelfall sowie den jeweiligen örtlichen und sozialen Verkehrssitten und kann gegebenenfalls auch sehr teure Geschenke umfassen.
Im Streitfall war das Vermögen so groß, dass das Hochzeitsgeschenk weniger als 5 % des Vermögens des Ehemannes ausmachte. Deshalb war das Geschenk hier auch angemessen.
Es gab auch ein anerkennenswertes Eigeninteresse des Ehemanns für die Schenkung. Eigeninteressen des Schenkers können nicht nur Gegenleistungen (wie zum Beispiel eine langjährige Pflege) sein, sondern auch Pflicht- oder Anstandsschenkungen.
Der Ehemann handelte somit nicht in der Absicht, gegen die Erberwartung seines Sohns zu verstoßen. Der Sohn hatte keinen Anspruch gegen die zweite Ehefrau auf Herausgabe der Motoryacht nach § 2287 Abs.1 BGB. Die Witwe durfte die Yacht behalten.
Fazit: Anstandsgeschenke sind normale Geschenke zu Geburtstagen, Hochzeiten oder Weihnachten. War „normal“ ist, muss immer im Einzelfallt bestimmt werden. Je nach wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen können das auch sehr wertvolle Geschenke sein.
Tipp für die Nachfolgeplanung: Um späteren Streit zu vermeiden, sollten Sie überlegen, ob bindende Erbeinsetzungen überhaupt nötig sind. Solche Bindungen entstehen nicht nur durch Erbverträge, sondern können auch in Ehegattentestamenten, wie dem Berliner Testament, stehen.
Vielen Ehepartnern, die ein gemeinschaftliches Testament machen, ist nicht bewusst, dass sie durch ein Berliner Testament solche bindenden Verfügungen schaffen, an die der überlebende Ehegatte gebunden ist.
OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.01.2017 – I-7 U 40/16
Und noch eine Idee für die Schenkungssteuerrecht: Das Urteil bezieht sich nur auf zivilrechtliche Fragen des Erbrechts. Aber mit der rechtlichen Begründung des Zivilgerichtes kann man, wenn alle Freibeträge ausgeschöpft sind, vielleicht auch dem Finanzamt gegenüber argumentieren, dass es sich vielleicht nicht um eine freigiebige Zuwendung (das Gesetz spricht von freigebig) nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG handelt. Erfolgversprechender ist vielleicht:
Nach § 13 Abs. 1 Nr. 14 ErbStG sind „übliche Gelegenheitsgeschenke“ von der Besteuerung ausgenommen. Gelegenheitsgeschenke sind z. B. Geburtstagsgeschenke. Es können aber auch Anstandsschenkungen Gelegenheitsgeschenke sein.
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