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2. Dezember 2016 – Pflichtteile vermindern durch Vermächtnisse?

Will der Erblasser, dass der Pflichtteil eines Verwandten nach seinem Tode möglicht gering ist, so ist es ein weit verbreitetes Modell, bereits zu Lebzeiten die eigenen Vermögenswerte zu verschenken.

Wie genau das funktioniert und was dabei zu beachten ist, lesen Sie hier.

Ein weiterer Trick, die Pflichtteile zu reduzieren, könnten Vermächtnisse sein.

Was jedoch nicht funktioniert, ist den Pflichtteil des Enterbten dadurch zu verringern, dass die Erbmasse durch hohe Vermächtnisse geschmälert wird.

Denn Ansprüche auf Zahlung des Pflichtteils sind grundsätzlich vorrangig vor einem Vermächtnis zu erfüllen. Dieser allgemeine Grundsatz wird aus § 327 Insolvenzordnung geschlussfolgert. Der Pflichtteil berechnet sich also an der vollen Erbmasse.

Geringerer Pflichtteil durch Erbeinsetzung?

Unter Umständen kann man erreichen, dass der Pflichtteilsberechtigte einen geringeren Pflichtteil bekommt, wenn man ihn bei gleichzeitig hohen Vermächtnissen an Dritte gleichzeitig als Erbe einsetzt. Denn durch die Vermächtnisse wird zwar nicht der Pflichtteil, wohl aber der Erbteil des Erben ausgehöhlt.

Zwar muss der Vermächtnisnehmer dann teilweise die Pflichtteile bezahlen. Das wird durch § 2318 BGB sichergestellt. Dieser regelt, dass der Erbe die Erfüllung eines ihm auferlegten Vermächtnisses soweit verweigern kann, so dass die Pflichtteilslast von ihm und dem Vermächtnisnehmer verhältnismäßig getragen wird.

Es ist dabei aber nicht sichergestellt, dass der Erbe seinen eigenen Pflichtteil in vollem Umfang bekommt. Zwar muss gemäß § 2318 Abs. 3 BGB der Vermächtnisnehmer die anderen Pflichtteilsansprüche voll tragen, wenn dem Erben sein eigener theoretischer Pflichtteil nicht verbleibt. Dem Erben gegenüber trifft ihn aber kein Pflichtteilsergänzungsanspruch.

Ein konkretes Berechnungsbeispiel dazu finden Sie im folgenden Artikel.

Aber Achtung: Erbe kann noch ausschlagen

Das funktioniert allerdings nur, wenn derjenige dessen Pflichtteil vermindert werden soll, auch das Erbe annimmt. Schlägt der Erbe aus, dann steht ihm ganz normal sein Pflichtteilsanspruch zu.  Das steht so ausdrücklich im § 2306 BGB, da normalerweise die Ausschlagung des Erbes dazu führt, dass man auch keinen Pflichtteil hat.

Aufgrund der kurze Ausschlagungsfrist des § 1944 BGB und der Komplexität der Verbindung von Pflichtteilsanspruch und Vermächtnis ist es aber gut möglich, dass der Erbe von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch macht.

Fazit: Neben Schenkungen stellt die Einsetzung des Pflichtteilsberechtigten als Erben bei gleichzeitigen hohen Vermächtnissen eine weitere Möglichkeit dar, den tatsächlich an einen Berechtigten zu zahlenden Betrag zu vermindern. Dies kann jedoch der Erblasser nicht allein beeinflussen. Entscheidend dafür ist die Reaktion des Berechtigten. Schlägt dieser das Erbe aus, bleibt es bei seinem vollen Pflichtteil.

Für den mit einem Vermächtnis belasteten Erben bedeutet dies, dass er innerhalb der Ausschlagungsfrist entscheiden muss, ob er bereit ist, das durch das Vermächtnis reduzierte Erbe zu akzeptieren.

 

Ihr Ansprechpartner im Erbrecht:

Rechtsanwalt Alexander Grundmann, LL.M., Leipzig

 

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