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11. November 2016 – Gesetzliche Erbfolge – wie funktioniert das?

Die gesetzliche Erbfolge tritt immer dann ein, wenn der Verstorbene keine Verfügung von Todes wegen hinterlassen hat. Da nur etwa ein Viertel der Bevölkerung ein Testament errichtet, ist die gesetzliche Erbfolge von hoher Relevanz.

Aber auch wenn man ein Testament errichten will, ist die gesetzliche Erbfolge immer der Ausgangspunkt für Überlegungen. In manchen Familienkonstellationen braucht man – zumindest was die Erbfolge angeht – kein Testament. Für diese Bewertung muss man aber die gesetzliche Erbfolge erstmal kennen. Ansonsten hilft Klarheit über die gesetzliche Erbfolge dabei, ein sinnvolles Testament zu machen.

Gesetzliche Erbfolge im Beispiel erklärt

Beispiel Grundfall: Eheleute sind seit 20 Jahren verheiratet und leben im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Der Mann hat ein voreheliches Kind zu dem er keinen Kontakt hat. Die Frau hat eine Tochter mit in die Ehe gebracht. Der Ehemann stirbt.

Die Frau erbt die Hälfte des Nachlasses (¼ davon ist der pauschale Zugewinnausgleich nach 1371 § und ¼ ist der Erbteil der Ehefrau nach § 1931 BGB) Das voreheliche Kind des Mannes erbt als Verwandter 1. Ordnung die andere Hälfte des Nachlasses. Die Tochter der Frau erbt nicht, da sie nicht Verwandte des Mannes ist.

Ergebnis: Frau ½, voreheliches Kind des Mannes ½

Beispiel Abwandlung: Die Eheleute haben sich auseinandergelebt. Der Mann war schon bei seinem Anwalt, um die Scheidung zu besprechen, der Mann stirbt.

Die Erbfolge ist wie oben. Die Frau und das voreheliche Kind des Mannes erben jeweils die Hälfte.

Das Erbrecht des Ehegatten hängt davon ab, ob die Ehe zum Zeitpunkt des Todes noch besteht.

War das gerichtliche Verfahren zur Scheidung der Ehe schon anhängig gemacht und lagen die Voraussetzungen der Scheidung vor, in dem der Scheidungsantrag schon bei Gericht eingereicht wurde, ist das Ehegattenerbrecht nach § 1933 BGB ausgeschlossen. Hintergrund: Es soll nicht vom Zufall abhängig sein, ob es vor dem Tod des Ehegatten noch zu einem Urteil gekommen ist oder nicht.

Ergebnis: Frau ½, voreheliches Kind des Mannes ½

Auch Eltern Erben bei der gesetzlichen Erbfolge mit

Beispiel: Eheleute in Zugewinngemeinschaft ohne Kinder. Beide Eltern leben noch. Der Mann stirbt.

Die Ehefrau erbt ¾, die Eltern des Mannes die Hälfte, also zusammen ¼.

Die Ehefrau erhält neben den Verwandten 2. Ordnung die Hälfte des Nachlasses nach § 1931 BGB und zusätzlich nach § 1371 BGB ¼ als pauschalen Zugewinnausgleich. Die Eltern des Mannes sind laut § 1925 BGB Verwandte 2. Ordnung.

Ergebnis: Frau ¾, die Eltern des Mannes zusammen ¼

Beispiel: Ein kinderloser, unverheirateter Mann hinterlässt seinen Vater, einen Bruder und eine Schwester.

Der Nachlass wird rechnerisch auf beide Elternteile aufgeteilt. Vater und Mutter würden jeweils die Hälfte erhalten.

Da die Mutter nicht mehr lebt, wird die auf sie entfallende Hälfte auf ihre Abkömmlinge (Bruder und Schwester des Verstorbenen) zu gleichen Teilen aufgeteilt. Damit erhalten diese jeweils 1/4 des Nachlasses.

Ergebnis: Vater ½, die Kinder je ¼

Beispiel: Ein kinderloser, unverheirateter Mann (er war ein Einzelkind und hat keine Geschwister) hinterlässt einen Onkel (ein Bruder seiner Mutter) und zwei Tanten (Schwestern seines Vaters). Die Eltern und die Großeltern des Mannes sind bereits verstorben.

Es gibt also weder Erben der 1. Ordnung (Kinder) noch der 2. Ordnung (Eltern oder Geschwister).

Die Erbschaft richtet sich nach der 3. Ordnung, die Großeltern, bzw. deren Kinder. Die Erbschaft wird zunächst auf die insgesamt vier Großelternteile zu gleichen Teilen (jeweils 1/4) aufgeteilt. (Wäre ein Großelternteil noch am Leben, würde dieser ein Viertel des Nachlasses alleine erben.)

An die Stelle der verstorbenen Großeltern treten deren Abkömmlinge. Dies bedeutet hier: der Bruder der Mutter des Verstorbenen erhält beide auf die Großeltern mütterlicherseits entfallenden 1/4-Teile des Nachlasses, insgesamt somit 1/2.

Die beiden Tanten väterlicherseits müssten sich die auf die Großeltern väterlicherseits entfallenden 2 x 1/4-Teile teilen, so dass jeder von ihnen jeweils 1/4 erhält.

Ab der 4. Ordnung erbt nur noch derjenige alleine, der mit dem Erblasser am nächsten verwandt ist; mehrere gleich nah Verwandte erben zu gleichen Teilen.

Ergebnis: Onkel ½, Tanten je ¼

Die gesetzliche Erbfolge ist nach der Konzeption des Erbrechts nur eine Auffangregel, falls jemand doch kein Testament gemacht hat. Das Erbrecht geht davon aus, dass im Grundsatz jeder ein Testament macht, dass auf seine konkrete Familiensituation zugeschnitten ist.

Die gesetzliche Erbfolge führt – nicht nur bei Patchwork-Familien – oft zu ungewollten Ergebnissen. Deshalb sollte jeder zumindest über notwendige Änderungen der Erbfolge durch ein Testament nachdenken.

Wir beraten Sie, ob für Sie ein Testament sinnvoll ist.

Ihr Ansprechpartner im Erbrecht: Rechtsanwalt Alexander Grundmann, LL. M, Leipzig

 

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