Mit dem Tod eines Menschen geht der Nachlass mit allen Werten, aber auch den Schulden, automatisch auf den oder die Erben über. Wer Erbe ist, ergibt sich aus dem Testament oder aus der gesetzlichen Erbfolge.
Die Ausschlagung ist die Möglichkeit für den Erben, diese automatische Erbfolge rückgängig zu machen. Niemand kann gegen seinen Willen gezwungen werden, (dauerhaft) Erbe eines Nachlasses zu sein.
Das deutsche Erbrecht stellt durch das System der gesetzlichen Erbfolge sicher, dass es immer einen Erben gibt. Ohne testamentarische Erben oder Verwandte erbt der Staat als Fiskus. Der Staat darf das Erbe – anders als die Verwandten des Verstorbenen – auch nicht ausschlagen. Sinn dahinter ist, dass es für jeden Verstorbenen immer einen Rechtsnachfolger gibt.
Im Detail:
Der Erbe erbt – ohne dass er ausdrücklich erklären muss, dass er das Erbe annimmt – alle Rechte und Pflichten des Verstorbenen, § 1922 BGB und § 1942 BGB. Damit gehen alle Rechtspositionen des Verstorbenen, die Vermögenswerte, aber auch Schulden des Verstorbenen automatisch im Moment des Todes auf den Erben über. Nur wenn der Erbe die Erbschaft nicht haben will – muss er die Erbschaft ausdrücklich ausschlagen.
Die Möglichkeit der Ausschlagung ist damit das Korrektiv zum automatischen Erben. Das entspringt letzlich der Idee unserer Rechtsordnung, dass uns niemand gegen unseren Willen eine Rechtsposition aufdrängen darf – auch keine Erbschaft.
Sinnvoll ist die Ausschlagung, wenn der Nachlass überschuldet ist und der Erbe sich die Haftungsbeschränkungen durch Nachlassverwaltung und Nachlassinsolvenz ersparen will. Interessant ist aber auch die taktische Ausschlagung.
Anwaltliche Beratung zur Ausschlagung des Erbes
- Beratung über die Möglichkeit und Sinnhaftigkeit der Ausschlagung in Ihrem konkreten Fall und Auswirkungen auf Pflichtteil und Zugewinnausgleich
- Beachtung und Einhaltung der Fristen zur Ausschlagung
- Beratung zur taktischen Ausschlagung oder Ausschlagung aus steuerlichen oder unternehmerischen Gründen
Häufige Fragen zur Ausschlagung
Welche Rechtswirkung hat die Ausschlagung des Erbes?
Durch die wirksame Ausschlagung wird die Erbenstellung, in die jemand ohne seinen Willen automatisch durch das Gesetz gebracht wurde, wieder aufgehoben. Der Ausschlagende wird durch die wirksame Ausschlagung rückwirkend zum Nichterben.
Automatisch rückt dann der nächste gesetzliche oder testamentarische Erbe in die Erbenstellung. Auch dieser kann wieder ausschlagen.
Welche besondere Form der Ausschlagung muss ich beachten?
Die Ausschlagung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht in besonderer Form, entweder durch Niederschrift beim Nachlassgericht oder in öffentlich beglaubigter Form beim Notar. Das ergibt sich aus § 1945 BGB.
Eine schriftliche Ausschlagungserklärung ohne notarielle Beglaubigung Ihrer Unterschrift genügt also
nicht.
Dieses Formerfordernis gilt auch für die Ausschlagung als Bevollmächtigter. Laut § 1945 abs. 3 BGB: „Ein Bevollmächtigter bedarf einer öffentlich beglaubigten Vollmacht.“ Relevant ist das insbesondere für Vorsorgevollmachten oder die Aussschlagung durch einen Anwalt und dessen Anwaltsvollmacht.
Zuständig für die Ausschlagung ist das Nachlassgericht (beim Amtsgericht) am letzten Wohnsitz des Verstorbenen. Der ausschlagende Erbe kann die Ausschlagung aber fristwahrend auch am Nachlassgericht seines Wohnortes erklären.
Welche Fristen gelten für die Ausschlagung?
Die Frist für die Ausschlagung ist im Normalfall mit sechs Wochen sehr kurz. Die Ausschlagungsfrist erhöht sich auf 6 Monate, wenn der Verstorbene seinen letzten einzigen Wohnsitz im Ausland hatte oder sich der Erbe im Ausland befindet. § 1944 BGB.
Die Frist für die Ausschlagung beginnt aber erst, wenn der Erbe weiß, dass er Erbe ist und ob er aufgrund gesetzlicher Erbfolge oder durch Verfügung von Todes wegen erbt.
Soll der Erbe kraft Testaments erben, beginnt die Frist erst, wenn ihn das Nachlassgericht über das Testament informiert hat.
Das gilt auch dann, wenn der Erbe schon vor diesem Zeitpunkt Kenntnis vom Todesfall und vom Testament hatte. (BGH, Urteil vom 26.09.1990 – IV ZR 131/89).
Fazit: Ein Erblasser kann durch die Errichtung eines Testamentes seinen gesetzlichen Erben zu etwas mehr Bedenkzeit für die Entscheidung über die Ausschlagung verhelfen. Denn es verschiebt sich der Anlauf der Ausschlagungsfrist um die Zeit nach hinten, die vom Todesfall bis zur Bekanntgabe der letztwilligen Verfügung vergeht.
Achtung: Die kurze Frist von 6 Wochen gilt auch, wenn der Erbe gar keine Kenntnis vom Inhalt des Nachlasses hat und gar nicht weiß, ob er mit dem Erbe auch Schulden übernimmt.
Mehr zur Berechnung der Ausschlagungsfrist
Durch eine vorzeitige Annahme des Erbe innerhalb des 6- Wochen- Zeitraums geben Sie die Möglichkeit der Aussschlagung auf.
Praxistipp: Man kann ein Erbe auch ausdrücklich annehmen. Wegen des automatischen Anfalls der Erbschaft ist das aber nicht notwendig und meist auch nicht sinnvoll. Es sollte in der Regel nicht ohne Grund ausdrücklich die Annahme der Erbschaft erklärt werden. Nach der Annahme ist die Ausschlagung nicht mehr möglich und die ohnehin zu kurze Zeit von 6 Wochen für die Ausschlagung verkürzt sich de facto nochmal. Achtung: Die Annahme kann auch konkludent erfolgen, etwa indem man einen Makler mit dem Verkauf der Nachlassimmobilie beauftragt. Dann kann man auch nicht mehr ausschlagen.
Gibt es Besonderheiten bei der Ausschlagung für minderjährige Kinder?
Ist der Erbe ein minderjähriges Kind und damit nicht voll geschäftsfähig, kann nur der gesetzliche Vertreter für ihn ausschlagen. Sind beide Eltern gemeinsam die gesetzlichen Vertreter, müssen auch beide Eltern die Ausschlagung für ihr Kind erklären.
Die Ausschlagung durch die Eltern muss eigentlich durch das Familiengericht genehmigt werden, § 1643 Abs. 3 BGB.
Allerdings ist meistens eine Genehmigung nicht notwendig. Am häufigsten erbt ein minderjähriges Kind, weil sein Elternteil schon das Erbe ausgeschlagen hat. Für diese Konstellation gilt eine gesetzliche Ausnahme vom Genehmigungserfordernis, weil vermutet wird, dass auch das Elternteil schon die Ausschlagung aus gutem Grund erklärt hat.
Das bedeutet: Wenn Sie die Erbschaft für sich und danach als gesetzlicher Vertreter Ihres Kindes für die gleiche Erbschaft ausschlagen, brauchen Sie keine Genehmigung des Familiengerichts.
In allen anderen Fällen, beispielsweise das Kind erbt als testamentarischer Erbe unter Ausschluss seiner Eltern oder der eigentlich erbberechtige Elternteil ist schon verstorben und das Kind erbt deswegen, muss eine Genehmigung des Familiengerichts eingeholt werden. Bis die Genehmigung vorliegt, ist die Frist für Ausschlagung gehemmt, sie läuft also nicht weiter.
Ist es manchmal sinnvoll, eine Erbe ohne Schulden auszuschlagen?
Taktische Ausschlagung
Auschlagung wird zwar meist mit einer überschuldeten Erbschaft in Verbindung gebracht. Die Ausschlagung kann aber auch taktisch eingesetzt werden, um unerwünschte Erbfolgen zu vermeiden und schlecht gemachte Testamente zu korrigieren. Sinnvoll kann eine Ausschlagung sein z.B.
- um eine unerwünschte Bindungswirkung aus einem Berliner Testament zu beseitigen oder
- zur Geltendmachung eines hohen Zugewinnausgleichsanspruchs unter Ehegatten oder
- um Beschränkungen des Erbes durch Vorerbschaft oder Testamentsvollstreckung zu vermeiden oder
- wenn der Erbe insolvent oder überschuldet ist.
- bei unerwünschter Erbschaftsteuer bei einem steuerlich nicht durchdachten Testament (dazu im nächsten Punkt)
Ausschlagung als steuerliches Gestaltungsmittel
Eine strategische Ausschlagung von Erbteil oder Vermächtnis nach dem Tod kann ein sehr wirksames steuerliches Gestaltungsmittel im Erbrecht sein. Mit der normalen Ausschlagung, etwa weil das Erbe überschuldet ist, hat auch das gar nichts zu tun. Durch taktische Ausschlagung des Erbes können die Erben auch Fehlzuordnung von Sonderbetriebsvermögen vermeiden, z.b. als Folge undurchdachter Testamente.
So kann aber z.B. auch die doppelte Versteuerung vermieden werden, wenn z.B. beide Eltern kurz hintereinander versterben oder es um die Erbschaft älterer Verwandter geht.
Mehr zur steuerlich motivierten Ausschlagung.
Ausschlagung zur Auflösung von Widersprüchen zwischen Gesellschaftsvertrag und Testament
Im Rahmen der Unternehmensnachfolge können durch Ausschlagung Widersprüche Gesellschaftsvertrag und Testament vermieden werden.
Was kostet die Ausschlagung des Erbes?
Die Entgegennahme einer Ausschlagungserklärung kostet beim Nachlassgericht eine halbe Gebühr. Sie wird aus dem Nachlasswert berechnet, mindestens jedoch 30 Euro, GNotKG Nr. 21201 KV. Die Ausschlagung einer überschuldeten Erbschaft kostet somit 30 Euro. (Dazu kommen je nach Einzelfall noch geringfügige Auslagen und Mehrwertsteuer beim Notar.)
An was muss man vor der Ausschlagung noch denken?
Oft bedenken Erben nicht, dass die Ausschlagung (fast) aller gesetzlichen Erben zum Erbrecht des Staates („Der Fiskus“) führt. Der Staat als gesetzlicher Erbe kann nämlich nicht ausschlagen. Aber er will natürlich trotzdem nicht haften. Deswegen wird in der Regel eine Nachlassinsolvenz beantragt. Der Nachlassinsolvenzverwalter versucht dann, Vermögensgegenstände in die Erbmasse zu ziehen. In der Regel geht es um Lebensversicherungen, die der Begünstigte ja auch bekommt, wenn er nicht Erbe wird, oder Schenkungen. Der Nachlassinsolvenzverwalter erklärt Anfechtung und will das Geld, dass der Begünstigte aus der Lebensversicherung bekommen hat.
Bei der taktischen Aussschlagung des Erbes müssen vorher auch die Risiken geprüft werden, damit wirklich der gewünschte Erfolg eintritt und nicht etwa eine ganz andere Erbfolge. Zu den Risiken der taktischen Aussschlagung.
Ich berate Sie, ob eine Ausschlagung des Erbes sinnvoll ist.
Anfechtung der Erbausschlagung
Sowohl die Ausschlagung als auch die Annahme der Erbschaft können angefochten werden. Zur Anfechtung der Auschlagung beispielhaft der BGH Beschluss vom 10.06.2015 – IV ZB 39/14.
Kann ich ein testamentarisches Erbe ausschlagen und behalte mein Vermächtnis im Testament?
In einem Testament kann eine Person zugleich als Erbe und Vermächtnisnehmer eingesetzt werden. Dann ergibt sich die Frage, was bei einer Ausschlagung des Erbes mit dem Vermächtnis passiert.
Die Ausschlagung der Erbschaft wirkt sich nicht auf den Bestand eines Vermächtnisses aus. Da die Ausschlagung des Erbes und des Vermächtnisses getrennt geregelt sind und sie unterschiedliche Wirkungen (bspw. hinsichtlich des Pflichtteils) auslösen, hat die Ausschlagung des einen nicht die Ausschlagung des anderen zur Folge. Sie sind also grundsätzlich unabhängig voneinander (MüKoBGB/Leipold, 8. Aufl. 2020, BGB § 1953 Rn. 6; Staudinger/Otte (2017) BGB § 1953 Rn. 2a). Ein Vermächtnis bleibt auch bei Erbausschlagung bestehen.
Zum Nachlesen – Wo steht im Gesetz etwas zur Ausschlagung?:
Frist für die Ausschlagung: § 1944 Abs. 1 BGB – 6 Wochen, Ausnahmsweise 6 Monate – § 1944 Abs. 3 BGB
Form der Ausschlagung: § 1945 Abs. 1 BGB zur Niederschrift des Nachlassgerichts oder in öffentlich beglaubigter Form beim Notar; § 1945 Abs. 3 BGB zur Form der Vollmacht für die Ausschlagung (Das ist insbesondere wichtig für die Vorsorgevollmacht – diese sollte immer beglaubigt werden!).
Zuständiges Nachlassgericht: im Normalfall das Amtsgericht, in dessen Bezirk der Verstorbene seinen letzten Wohnsitz hatte, § 343 FamFG oder das Nachlassgericht in dessen Bezirk der Ausschlagende selber wohnt – § 344 Abs. 7 FamFG
Weitere Informationen zum Thema Ausschlagung
Möglichkeiten der Beschränkung der Erbenhaftung als Alternativen zur Ausschlagung
Wann sich die Ausschlagung des Erbes für den Ehepartner lohnt
Haftungsbeschränkung des Erben -Einrede der Dürftigkeit als Alternative zur Ausschlagung
Ausschlagung bei Zuwendung eines Vermächtnisses im Testament
Ich berate Sie gern zum Thema Ausschlagung des Erbes.
Rechtsanwalt für Erbrecht in Leipzig Alexander Grundmann