Beim Streit um den Pflichtteil geht es sehr oft um Schenkungen an den Ehegatten. In diesem Zusammenhang fällt regelmäßig der Begriff ehebezogene Zuwendung.
Was ehebezogene Zuwendungen sind, ist nicht im Gesetz geregelt. Ganz allgemein handelt es sich um eine Art Schenkung in der Ehe oder eingetragenen Lebenspartnerschaft. Das gilt sogar in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft (Palandt/Weidenkaff, BGB, 78. Aufl. 2019, § 516 Rn.10).
Die Idee und auch der Begriff der unbenannten Zuwendung gehen zurück auf Lieb, „Die Ehegattenmitarbeit im Spannungsfeld zwischen Rechtsgeschäft, Bereicherungsausgleich und gesetzlichem Güterstand“ 1970 (S. 121ff.) Die Gerichte haben die Rechtsfigur, die es im BGB nicht gibt, weiter entwickelt (vgl. zur Entwicklung BGH, Urteil vom 27. November 1991 – IV ZR 164/90, Seite 5 unter II. 1). Das führte in Folge zu vielen neuen Unklarheiten, denn einerseits sollten ehebezogene Zuwendungen gerade keine Schenkungen sein, in anderen Zusammenhängen aber wie Schenkungen behandelt werden.
In diesem Artikel stelle ich dar, was ehebedingte Zuwendungen sind und wie sie sich auf den Pflichtteil auswirken.
Was ist eine ehebezogene Zuwendung?
Als ehebezogen werden Zuwendungen – also alle denkbaren Geschenke – unter Ehegatten bezeichnet. Wie Schenkungen erfolgen sie ohne objektiv messbare Gegenleistung. Sie unterscheiden sich von ihnen aber durch die zugrunde liegende Motivation: Ehebezogene Zuwendungen werden um der Ehe willen und als Beitrag zur Verwirklichung oder Ausgestaltung, Erhaltung oder Sicherung der ehelichen Lebensgemeinschaft erbracht. Ihnen liegt die Vorstellung zugrunde, dass die Ehe Bestand haben werde. Schenkungen hingegen setzen voraus, dass die Zuwendung gerade nicht in einer solchen Erwartung erfolgt.
Als ehebezogen werden Zuwendungen – also alle denkbaren Geschenke – unter Ehegatten bezeichnet. Wie Schenkungen erfolgen sie ohne objektiv messbare Gegenleistung. Sie unterscheiden sich von ihnen aber durch die zugrunde liegende Motivation: Ehebezogene Zuwendungen werden um der Ehe willen und als Beitrag zur Verwirklichung oder Ausgestaltung, Erhaltung oder Sicherung der ehelichen Lebensgemeinschaft erbracht. Ihnen liegt die Vorstellung zugrunde, dass die Ehe Bestand haben werde. Schenkungen hingegen setzen voraus, dass die Zuwendung gerade nicht in einer solchen Erwartung erfolgt.
Nicht alle Rechtsfolgen der Schenkung gelten
Aufgrund dieser Besonderheit wenden die Gerichte auf ehebezogene Zuwendungen nicht alle Regeln an, die für Schenkungen gelten. Beispielsweise können ehebezogene Geschenke nach der Ehe nicht aufgrund groben Undanks, der etwa in einem Ehebruch liegen kann, zurückgefordert werden, vgl. § 530 BGB. Das gleiche gilt, wenn der Schenker verarmt, vgl. § 528 BGB. Auch dann kann der zugewendete Gegenstand nicht zurückgefordert werden, weil eine Schenkung gerade nicht vorliegt. Das kann auch relevant sein, wenn wegen Pflegekosten im Alter die Rückforderung durch den Sozialhilfeträger erfolgt.
Kommt es zur Scheidung, werden ehebezogene Zuwendungen wie Schenkungen (bei gesetzlichem Güterstand) im Rahmen des Zugewinnausgleichs berücksichtigt. Durch die Zuwendung ist das Vermögen des bedachten Ehegatten erhöht. Dieser Vermögensvorteil ist gegenüber dem anderen Ehegatten auszugleichen, wenn dies nicht durch andere Vermögensverschiebungen zur Zeit der Ehe erfolgte.
Ehebezogene Zuwendungen sind also keine Schenkungen, da sie in der Vorstellung des Schenkers mit dem Fortbestand der Ehe verbunden und damit nicht unentgeltlich sind. Das heißt aber nicht, dass sie immer anders als Schenkungen behandelt werden, wie das Beispiel des Zugewinnausgleichs zeigt.
Ehebezogene Zuwendung im Erbrecht: Schenkung oder nicht?
Erachtet man ehebezogene Zuwendungen nicht als Schenkung, hat das im Erbrecht weitreichende Konsequenzen.
Die Pflichtteilsberechtigten werden davor geschützt, dass der Erblasser sein gesamtes Vermögen zu Lebzeiten verschenkt und dadurch den Pflichtteil reduziert. Das garantiert § 2325 BGB, der klarstellt, dass solche Schenkungen auf den Pflichtteil anzurechnen sind. Aber gilt das auch für ehebezogene Zuwendungen?
Kein Pflichtteilsergänzungsanspruch durch ehebedingte Zuwendung?
Brisant ist die Frage vor allem, da alle Schenkungen unter Eheleuten auf den Pflichtteil angerechnet werden. Sie unterliegen nicht der 10-Jahres-Grenze. Auch Schenkungen, die noch länger vor dem Erbfall liegen, werden mit ihrem vollen Wert berücksichtigt.
Würde der Erblasser seine Vermögensgegenstände nicht verschenken, sondern seinem Ehegatten „ehebezogen zuwenden“, könnte er den gesetzlichen Schutz des Pflichtteils umgehen. Diese Lücke im Schutz der Pflichtteilsberechtigten – die erst durch die Einführung der Rechtsfigur „ehebezogene Zuwendungen“ entstanden ist – haben die Gerichte erkannt.
Im Erbrecht werden ehebezogene Geschenke deswegen grundsätzlich wie Schenkungen behandelt. Das hat der Bundesgerichtshof schon 1991 klargestellt, BGH, Urteil vom 27. November 1991 – IV ZR 164/90. Hier soll es nicht auf die Vorstellungen der Ehepartner ankommen. Der Pflichtteil erhöht sich folglich, wenn eine Zuwendung objektiv unentgeltlich erfolgt. Ehebezogene Zuwendungen erfolgen objektiv unentgeltlich, da die Ehe allein keinen Anspruch auf Vermögenszuwendungen gibt. Insofern werden sie im Erbrecht anders behandelt, als bei der Rückforderung des zugewendeten Gegenstands.
Ehebezogene Zuwendungen erhöhen also auch den Pflichtteil, da sie – wie Schenkungen – objektiv unentgeltlich sind.
Achtung: Bei Pflicht zur Zuwendung erhöht sich der Pflichtteil nicht
Der Pflichtteil erhöht sich nicht, wenn der Schenker zur Zuwendung verpflichtet ist. So kann das Geschenk erfolgen, um gesetzliche Pflichten zu erfüllen. Aber auch aufgrund einer Gegenleistung des anderen Ehegatten kann der Schenker verpflichtet sein. Dann liegt keine Schenkung oder ehebezogene Zuwendung vor.
Fraglich ist, wann mit dem Geschenk eine Pflicht erfüllt wird. Hinsichtlich ehebezogener Geschenke ist das in der Rechtsprechung nicht abschließend geklärt. Es bestehen jedoch einzelne Konstellationen, die in der Rechtsprechung entschieden wurden.
Familienunterhalt
Eine Zuwendung ist keine Schenkung, wenn sie als Beitrag zum Familienunterhalt nach §§ 1360, 1360a BGB geschuldet ist. Darüber hinausgehende Beiträge zum Unterhalt können unentgeltlich und damit pflichtteilserhöhend sein. Dies wird der Pflichtteilsberechtigte aber nur selten geltend machen können, denn nach § 1360b BGB wird vermutet, dass solche Zuvielleistungen nicht zurückverlangt werden.
Angemessen Altersvorsorge als Teil des Familienunterhalts = keine Schenkung
Fehlt objektiv eine Gegenleistung, ist eine Zuwendung an den Ehegatten eine Schenkung, nochmals bestätigt durch den BGH, Urteil vom 14.3.2018 – IV ZR 170/16, Rn. 14 und 22.
Dient die Zuwendung aber der angemessenen Altersvorsorge, gilt sie grundsätzlich als entgeltlich und erhöht den Pflichtteilsergänzungsanspruch nicht. Die Ehegatten haben jeweils einen Anspruch auf eine Altersvorsorge, die nach den konkreten Lebensumständen angemessen ist. Dies ergibt sich aus der Verpflichtung zum Familienunterhalt (BGH, Urteil vom 12.12.2012 – XII ZR 43/11, Rn. 26). Auch eine Altersvorsorge, die über die Sicherung des Unterhalts hinausgeht, ist keine unentgeltliche Zuwendung, wenn sie bei Würdigung der Verhältnisse angemessen ist (OLG Schleswig, Beschluss vom 16.02.2010, 3 U 39/09; OLG Stuttgart, Beschluss vom 26.1.2011, 19 W 52/10 in ZEV 2011, 384; BGH, 27.09.1995 – IV ZR 217/93).
Ein anschauliches Beispiel für die Zuwendung eines angemessenen Unterhalts gibt das OLG Stuttgart, Beschluss vom 26.1.2011, 19 W 52/10: Hier ging es um eine offenbar vermögenslose Ehefrau mit sehr geringen Einkünften. Zugunsten der Frau hatte ihr Mann einen Privatrentenversicherungsvertrag abgeschlossen. Der Zweck des Versicherungsvertrages – Alterssicherung – lag damit auf der Hand. Aufgrund einer Vorerkrankung der Frau war ein teurer Heimaufenthalt der Frau, der von der Rente nicht bezahlbar war, schon abzusehen. Damit hielt sich die Alterssicherung auch in einem nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen angemessenen Rahmen.
Vergütung für langjährige Dienste
Hat die Ehefrau jahrelang kostenlos im Geschäft mitgearbeitet, stellt die Zuwendung keine Schenkung dar. Vielmehr ist sie das Entgelt für die langjährige Tätigkeit. Der Pflichtteil erhöht sich nicht.
Zuwendung des Familienwohnheims
Die Zuwendung der Hälfte des Familienwohnheims wird von der Rechtsprechung in der Regel für unentgeltlich gehalten (MüKoBGB/Lange, 8. Aufl. 2020, BGB § 2325 Rn. 24-27).
Zu beachten ist dabei, dass ein Ehegatte dem anderen regelmäßig nicht die Hälfte der Immobilie zuwendet, sondern die alleinige Finanzierung übernimmt und beide Eheleute als Eigentümer eingetragen werden. Das mögliche Geschenk liegt darin, dass ein Ehegatte auch die Hälfte des Wohnheims bezahlt, die dem anderen gehört (vgl. etwa BGH, Urt. v. 14.3.2018, Az.: IV ZR 170/16; OLG Schleswig, Urt. v. 10.12.2013, Az.: 3 U 29/13).
Entscheidend ist hier wiederum, ob den Zahlungen des einen Ehegatten adäquate Gegenleistungen des anderen gegenüberstehen. Das ist regelmäßig nicht gegeben.
Fazit: Grundsätzlich führen Geschenke unter Ehegatten zu einem Pflichtteilsergänzungsanspruch. Handelt es sich aber nicht um eine Schenkung, da es eine Gegenleistung gibt, wird der Pflichtteil nicht ergänzt. Eine solche Gegenleistung kann eine Unterhaltspflicht sein. Aber auch wenn es keine Gegenleistung gibt, kann ausnahmsweise die Pflichtteilsergänzung entfallen, nämlich wenn eine Anstands- oder Pflichtschenkung gegeben war. Durch solche Zuwendungen erhöht sich der Pflichtteil gem. § 2330 BGB generell nicht. Informationen dazu finden Sie in einem weiteren Artikel (Artikel zur Anstandsschenkung).
Wer muss was beweisen?
In einem Gerichtsverfahren muss der überlebende Ehegatte ausführlich darlegen, worin die Gegenleistung für die Zuwendung liegt. Ist ihm das nicht möglich, wird das Gericht dem Pflichtteilsberechtigten folgen, sofern dieser nur behauptet, die Zuwendung sei unentgeltlich erfolgt.
Ehebezogene Zuwendung und Steuern
Im Erbschaftsteuergesetz werden ehebezogene Zuwendungen wie Schenkungen behandelt, § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Für Familienheime gelten besondere Bestimmungen zur Steuerfreiheit, vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG.