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15. Februar 2020 – Schenkungen und Pflichtteilsergänzung – Anstandsschenkungen

aktualisiert am 7. Oktober 2021

Beim Streit um den Pflichtteil geht es sehr oft um Geschenke, die der Erblasser vor seinem Tod gemacht hat. Solche Schenkungen können den Wert des Pflichtteils erhöhen, § 2325 BGB. Allerdings gilt das nicht immer. Sind die Schenkungen sittlich gerechtfertigt, erhöht sich der Pflichtteil nicht, § 2330 BGB.

Ehebezogene Zuwendungen als Anstandsschenkungen

Dasselbe gilt für ehebezogene Geschenke.

Grundsätzlich werden Schenkungen an den Ehegatten wie solche an andere Personen behandelt und auf den Pflichtteil angerechnet. Auf das Motiv, den Bestand der Ehe zu fördern, kommt es nicht an. Wenn diese ehelichen Geschenke aber sittlich gerechtfertigt sind, ergänzt sich der Pflichtteil dadurch nicht.

Wann sind Schenkungen sittlich gerechtfertigt?

Sittlich gerechtfertigt sind sogenannte Anstands- und Pflichtschenkungen.

Anstandsschenkungen

Anstandsschenkungen sind sittlich gebotene Geschenke. Dabei handelt es sich um kleinere Geschenke oder übliche Gelegenheitsgaben zum Geburtstag oder Hochzeitstag von eher geringem Wert. Welchen Umfang diese Anstandsschenkungen haben dürfen, richtet sich nach den Lebensverhältnissen und der örtlichen oder gesellschaftlichen Verkehrssitte. Das kann – im Ausnahmefall – auch mal eine Yacht für mehr als eine halbe Million Euro sein.

Pflichtschenkungen

Umfangreichere Geschenke sind als Pflichtschenkung nur dann gerechtfertigt, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen: Die Schenkung muss sittlich geboten sein. Außerdem muss sie derart wichtig sein, dass der Erhalt des Pflichtteils für die Angehörigen dahinter zurücktritt.

Wann diese Voraussetzungen gegeben sind, lässt sich nicht generell sagen. Vielmehr muss dies anhand der jeweiligen Umstände in jedem einzelnen Fall entschieden werden.

Die Rechtsprechung nahm eine Pflichtschenkung beispielsweise in folgenden Fällen an:

  • die Übertragung des halben Familienwohnhauses an die unversorgte Ehefrau nach deren langjähriger unbezahlter Mitarbeit im Geschäft (OLG Karlsruhe OLGZ 1990, 456);
  • die Übertragung des halben Grundvermögens zur Alterssicherung an die Ehefrau und Alleinerbin zum Nachteil der einzigen Tochter aus erster Ehe (BGH NJW 1984, 2939);
  • die Sicherung des Lebensunterhalts für den Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft (BGH NJW 1983, 674; idS bereits RG LZ 1923, 449) sowie
  • die Schenkung einer Rente und eines Wohnrechts für die Zeit nach dem Tod des Erblassers an die Ehefrau nach Trennung und während des Scheidungsverfahrens (BGH LM § 2330 Nr 4).

Was bedeutet das für den Pflichtteil?

Soweit eine Anstands- oder Pflichtschenkung vorliegt, erhöht sich der Pflichtteil nicht – aber eben auch nur soweit. Geht der Wert des Geschenks über das sittlich gerechtfertigte Maß hinaus, so wird der überschießende Teil auf den Pflichtteil angerechnet (Palandt/Weidlich, BGB, 78. Aufl. 2019, § 2330 Rn. 1; BGH, Urt. v. 27.05.1981, Az.: IVa ZR 132/80). Dann erhöht sich der Pflichtteil jedenfalls um diesen Teil des Geschenks.

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