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18. Januar 2022 – Adoption volljähriger Kinder des Ehepartners bei der Erbrechtsplanung

Aspekte der Adoption volljärhiger Kinder des Ehepartners und Vorgaben von Brandenburgisches OLG, Beschluss v. 27.1.2017, 10 UF 48/16.

Eine häufige Familiensituation in der Erbrechtsgestaltung ist:

Eheleute sind verheiratet und haben ein gemeinsames Kind und ein Kind, dass einer der Eheleute mit in die Ehe gebracht hat, aber vom Partner nicht adoptiert wurde.

Im Rahmen der Nachfolgeplanung kommt die Idee der Adoption des bereits volljährigen Kindes des Ehepartners. Hier geht es meist nicht darum, Pflichtteile anderer Kinder zu reduzieren oder Erbschaftsteuer zu sparen, sondern darum, die gelebten Familienverhältnisse auch rechtlich umzusetzen.

Beispiel: Herr und Frau X, Anna und Benno, sind verheiratet. Daniel ist der Sohn aus einer vorherigen Beziehung der Ehefrau Anna. Anna und Benno haben geheiratet, als Daniel noch ein Kind war. Später kam noch die gemeinsame Tochter Claudia. Daniel wurde nicht vom Ehemann adoptiert. Alle empfinden sich als eine Familie. Deshalb gibt es die Überlegung, dass der Ehemann den Sohn seiner Frau adoptiert, damit er auch rechtlich sein Sohn wird.



Hier stellen sich verschiedene Fragen

Werden durch die Adoption mit schwacher Wirkung die Verbindungen des Kindes zum bisherigen Vater gekappt?

Nein, durch die Adoption mit schwacher Wirkung erlischt im Unterschied zur Minderjährigenadoption (dort § 1755 BGB) das Verwandtschaftsverhältnis zum leiblichen Vater nicht. Das rechtliche Verhältnis zwischen dem Adoptierten und seiner leiblichen Familie bleibt voll und ganz bestehen und es tritt lediglich das neu entstandene Verhältnis zu dem annehmenden Vater hinzu.

Der Adoptivvater verdrängt im Rechtssinne nicht den biologischen Vater. Der adoptierte Erwachsene hat rechtlich zwei Väter.

Damit bleiben auch Unterhaltspflichten des Kindes gegenüber dem leiblichen Vater bestehen!

Ist bei der Volljährigenadoption auch die Zustimmung des leiblichen Elternteils (hier des Vaters) notwendig?

Für die Volljährigenadoption ist die Einwilligung des leiblichen Vaters (anders als bei § 1747 BGB für die Minderjährigenadoption) nicht erforderlich. Das ergibt sich aus § 1768 Abs. 1 Satz 2 BGB, der die Anwendbarkeit von § 1747 BGB für die Volljährigenadoption ausdrücklich ausschließt.

Wenn bei der Adoption aber die Wirkungen der Minderjährigenannahme erreicht werden sollen, die in die bestehenden Verwandtschaftsverhältnisse eingreifen, müssen gemäß § 1772 Abs. 1 Satz 2 BGB eventuell entgegenstehende überwiegende Interessen der leiblichen Eltern geprüft werden (Dazu in der Antwort zur nächsten Frage).

Wann kann eine Volljährigenadoption mit starken Wirkungen einer Minderjährigenadoption erfolgen?

Die Volljährigenadoption kann ausnahmsweise mit starken Wirkungen einer Minderjährigenadoption (Adoption mit starker Wirkung oder Volladoption) ausgesprochen werden.

Nur diese Volladoption lässt alle Rechte und Pflichten, insbesondere Erbrechte und wechselseitige Unterhaltsansprüche,  zum bisherigen leiblichen Elternteil völlig erlöschen. 

Die Voraussetzungen der Adoption mit den Wirkungen einer Minderjährigenadoption ergeben sich aus § 1772 Abs. 1 S. 1 BGB.

Hier relevante Gründe, die beide im obigem Beispiel erfüllt sind:

– Kind als Minderjähriger in die Familie des annehmenden Stiefvaters

oder

– der Anzunehmende das Kind seines Ehegatten annehmen will.

Allerdings dürfen nicht überwiegende Interessen des bisherigen Elternteils entgegenstehen, § 1772 Abs. 1 S. 1 BGB:

Dazu – kurz skizziert – ein interessanter Fall Brandenburgisches OLG, Beschluss v. 27.1.2017, 10 UF 48/16,

In Rn. 24:

„Im Rahmen des § 1772 Abs. 1 S. 2 BGB ist eine umfassende Abwägung der Interessen des Annehmenden, der Anzunehmenden und ihres leiblichen Vaters vorzunehmen. Die Interessen der leiblichen Eltern müssen überwiegen; eine Gleichwertigkeit reicht nicht aus. Zweifel gehen zu Lasten der leiblichen Eltern (MüKo/Maurer, BGB, 6. Aufl., § 1772 Rn. 7). Die Abwägung muss dem Erfordernis der sittlichen Rechtfertigung, der jede Volljährigenadoption bedarf, Rechnung tragen. Maßstab ist dabei der Zweck der Volladoption: Das Kind, dessen Verbindung zur leiblichen Verwandtschaft faktisch oder rechtlich abgebrochen wird, soll eine vollwertige Ersatzfamilie erhalten, die ihm auch künftig eine ungestörte Entwicklung sichert (MüKo/Maurer, a.a.O., Rn. 8).“

Aspekte des Brandenburgischen OLG waren:

Rn 25: Bei Stiefvateradoption ändert sich an der tatsächlichen Situation im Regelfall wenig, da dem Kind nicht erst durch die Adoption die Möglichkeit gegeben wird, in einer Familie aufzuwachsen, die ihm gute Chancen für seine Entwicklung bietet (BGH, Beschluss vom 23.3.2005 – XII ZB 10/03, juris, Rn. 13).

unter dem Gesichtspunkt einer ungestörten Entwicklung haben die  Interessen des Kindes somit kein großes Gewicht, wenn:

–           Anzunehmende und der Annehmenden tragen bereits einen gemeinsamen Namen

–           Anzunehmender lebt nicht mehr im Haushalt des Annehmenden und der Mutter und führt ein eigenständiges Leben – hier an einem anderen Studienort

–           Volljährigenadoption bewirkt im Gegensatz zur Minderjährigenadoption im personalen Bereich regelmäßig keine Veränderungen.

Rn 27 Aspekt: kein Kontakt zwischen leiblichem Vater und Kind  – beruhte aber auf Entscheidung des Kindes

Abbruch der Beziehung zur leiblichen Familie für sich allein nicht ausreichend, wenn dem wechselseitige Unterhaltsverpflichtungen zwischen Kind und leiblichen Vater entgegenstehen

zentral in der Argumentation ist Rn 28

Der drohende Verlust von Unterhaltsansprüchen der leiblichen Eltern ist ein gewichtiger, einer Volladoption entgegenstehender Grund im Sinne des § 1772 Abs. 1 S. 2 BGB (OLG München, FamRZ 2009, 1137; OLG Celle, Beschluss vom 19.6.2013 – 17 UF 3/13, juris, Rn. 13; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.7.2014 – 7 UF 78/14, juris, Rn. 8; LG Heidelberg, FamRZ 2011, 120; MüKO/Maurer, 6. Aufl., § 1772 Rn. 8; BeckOK/Enders, BGB, Stand: 1.8.2016, § 1772 Rn. 5; JurisPK/Viefhues, BGB, 8. Aufl., § 1772 Rn. 7). Dafür ist es nicht erforderlich, dass die Unterhaltspflicht des Anzunehmenden gegenüber seinem leiblichen Elternteil bereits besteht oder sich konkret abzeichnet (OLG München, a.a.O.; OLG Celle, a.a.O., Rn. 13; OLG Düsseldorf, a.a.O., Rn. 8).

Rn 29

Das gilt insbesondere,  wenn Kind von Vater seit der Trennung Eltern bis zu Volljährigkeit Unterhalt bezogen hat

Denn der Elternunterhaltsanspruch rechtfertigt sich aus familiärer Solidarität und beruht auf dem Gegenseitigkeitsprinzip (Palandt/Brudermüller, BGB, 75. Aufl. § 1601 Rn. 16). Deshalb ist es grundsätzlich sittlich nicht gerechtfertigt, wenn ein Kind, das von seinem leiblichen Elternteil während seiner Bedürftigkeit versorgt worden ist, sich durch eine Volladoption seiner Unterhaltspflicht entzieht (MüKo/Maurer, BGB, 6. Aufl., § 1772 Rn. 8; LG Heidelberg, a.a.O.) 

Fazit: Eine förmliche Einwilligung des leiblichen Vaters ist auch bei einer Volljährigenadoption mit starker Wirkung nicht notwendig.  Aber im Rahmen der Anhörung des Vaters wird geprüft, ob seine Interessen dagegenstehen. Schon Verlust seinerUnterhaltsansprüche gegen den Sohn kann reichen, um die starke Adotion zu verhindern.


Das bedeutet aber im Umkehrschluss auch. Verletzte Unterhaltspflichten des leiblichen Vaters könnten ein Argument sein, dass auch gegen den Willen des leiblichen eine Adoption mit starker Wirkung möglich ist.

Hinweis: Zu beachten ist das Namensrecht und Namensänderung bei der Erwachsenenadoption.

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Rechtsanwalt Alexander Grundmann

 

 

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