Nachdem jemand verstorben ist, bestreiten potentielle Erben, die durch ein Testament enterbt wurden, oft das Erbrecht des testamentarisch eingesetzten Erben. Ein Angriffsmittel: Fehlende Testierfähigkeit des Verstorbenen (=der oder die „Erblasserin“) bei Errichtung des Testaments.
Als Gründe werden dann angegeben, dass der Testamentsverfasser schon alt war und nicht mehr wusste, was er tat oder im fortgeschrittenen Zustand geistigen Verfalls gewesen sei. Hier stellte sich die Frage, was das für die Wirksamkeit des Testaments bedeutet.
Testierfähigkeit – im Erbscheinsverfahren von Amts wegen zu prüfen
Die Testierunfähigkeit würde zur Unwirksamkeit des Testaments führen. Häufig wird deshalb darum im Erbscheinsverfahren gestritten.
Voraussetzung für die Unwirksamkeit des Testaments ist in diesem Fall, dass ein Erblasser zu Zeitpunkt der Testamentseröffnung nicht mehr testierfähig gewesen ist. Dafür muss ein Enterbter beim Streit im Erbscheinsverfahren erstmal Anhaltspunkte liefern.
Gemäß § 2229 Abs. 4 BGB ist testierunfähig, wer wegen krankhafter Störungen der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörungen nicht in der Lage ist, die Bedeutung der von ihm abgegebenen Willenserklärungen einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln.
Testierunfähigkeit sehr schwer zu beweisen
Schon das Gesetz verbindet nicht mit jeder Geisteskrankheit oder -schwäche die Testierunfähigkeit, sondern sieht die Fähigkeit des Erblassers, die Bedeutung der letztwilligen Verfügung zu erkennen und sich bei seiner Entscheidung von normalen Erwägungen leiten zu lassen, als maßgebend an.
Eine geistige Erkrankung des Erblassers steht der Gültigkeit seiner letztwilligen Verfügung nicht entgegen, wenn diese von der Erkrankung nicht beeinflusst ist. Entscheidend ist, ob die psychischen Funktionen des Urteilens und des kritischen Stellungnehmens durch die Geisteskrankheit oder -schwäche so sehr beeinträchtigt sind, dass der Erblasser nicht mehr fähig ist, die Bedeutung seiner letztwilligen Verfügung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln und ob krankhafte Empfindungen und Vorstellungen die Bestimmbarkeit des Willens durch normale, vernünftige Erwägungen aufgehoben haben, vgl. BayObLG, Beschluss vom 24.03.2005 – 1Z BR 107/04.
Im Einzelnen setzt die Testierfähigkeit unter anderem die Vorstellung des Testierenden voraus, dass er ein Testament errichtet und welchen Inhalt die darin enthaltenen Anordnungen aufweisen. Der Testierende muss in der Lage sein, sich ein Urteil darüber zu bilden, welche· Tragweite seine Verfügungen haben, .insbesondere welche Wirkungen sie auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Betroffenen ausüben, vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.06.2015 – 1-3-Wx 103/14.
Vermutung für Testierfähigkeit
Es besteht damit die grundsätzliche gesetzliche Vermutung der Testierfähigkeit ab Vollendung des 16. Lebensjahres bis das Gegenteil zur vollen Überzeugung des Gerichts bewiesen ist.
Für diesen Beweis genügt, da eine absolute Gewissheit nicht zu erreichen. und jede Möglichkeit des Gegenteils nicht auszuschließen ist, ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen, vgl. BGH, Urteil vom 16.04.2013 – VI ZR 44/12.
Die für § 286 ZPO (die Zivilprozessordnung regelt das streitige Verfahren vor den Zivilgerichten im Unterschied z.B. zum Amtsermittlungsgrundsatz beim Nachlassgericht) entwickelten Grundsätze gelten dabei auch im Verfahren mit Amtsermittlungsgrundsatz, vgl. OLG München, Beschluss vom 15.12.2016, Az. 31 Wx 144/15.
In der Regel wird das Nachlassgericht einen Sachverständigen beauftragen.
Gibt es nach den oben genannten Grundsätzen keine Beweise für eine Testierunfähigkeit eines Erblassers im Zeitpunkt der Testamentserrichtung, ist das Testament aus diesem Grunde nicht unwirksam. Ein Erbschein ist zu erteilen bzw. ein schon erteilter Erbschein muss nicht eingezogen werden.
Tipp: Lassen Sie sich bei der Testamentserstellung beraten, damit ihre Wunscherben später nicht streiten müssen. Wird die Frage der Testierunfähigkeit im Erbscheinsverfahren relevant, sollten Sie sich anwaltlich vertreten lassen, damit im Verfahren die richtigen Weichenstellungen erfolgen können.
Rechtsanwalt Alexander Grundmann, Leipzig
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