Viele Ehepaare machen ein gemeinschaftliches Testament. Bei letztwilligen Verfügungen im gemeinschaftlichen Testament tauchen immer wieder Fragen und Unklarheiten bezüglich deren Wechselbezüglichkeit auf, vor allem wenn Eltern nur ihre Kinder bedenken. Ein Beschluss des bayerischen Oberlandesgericht bringt Licht ins Dunkel und lässt sich so zusammenfassen:
Streit um doppeltes Ehegattentestament
Ein Ehemann und seine Ehefrau bestimmten in ihrem gemeinschaftlichen Testament den alleinigen Sohn als Alleinerben für ihr gesamtes Vermögen, welches hauptsächlich aus einem Grundstück bestand. Das Grundstück gehörte beiden Ehepartnern je zur Hälfte. Wenige Tage vor ihrem Tod schenkte die Mutter ihren hälftigen Miteigentumsanteil an dem Grundstück dem Sohn.
Ein Jahr später heiratete der Mann wieder. Er erklärte mittels notarieller Urkunde, dass die im Testament mit seiner ersten Frau getroffenen Verfügungen nicht wechselbezüglich sind. Daraufhin machte er mit seiner neuen Ehefrau ein gemeinschaftliches Testament, in dem er sich mit seiner Ehefrau gegenseitig als Alleinerbe einsetzte. Als der Vater starb, beantragten sowohl der Sohn, als auch die neue Ehefrau die Ausstellung eines Erbscheins, der sie als Alleinerben ausweisen sollte.
Der Sohn erhob Beschwerde, dass die Verfügungen im ersten Testament wechselbezüglich sind und deswegen den Vater binden.
Richter: Allgemeine Lebenserfahrung spricht gegen Wechselbezüglichkeit
In einem gemeinschaftlichen Testament sind letztwillige Verfügungen wechselbezüglich und damit bindend, wenn anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen worden wäre. Das steht so in § 2270 BGB. Eine Verfügung soll also mit der anderen stehen oder fallen.
Dabei ist es wichtig zu beachten, dass alleine aus einem gemeinschaftlichen Testament nicht auf die Wechselbezüglichkeit der Verfügungen geschlossen werden kann. Viel mehr ist davon auszugehen, dass Verfügungen, durch die jeder Ehegatte die gemeinsamen Kinder zu seinen Erben einsetzt, im Zweifel nicht wechselbezüglich sind. Das bayerische Oberlandesgericht begründet dies simpel mit der allgemeinen Lebenserfahrung: Demnach ist nicht davon auszugehen, dass ein Elternteil die Kinder nur deshalb bedenkt, weil dies das andere Elternteil tut. Ganz im Gegenteil. Näher liegt, dass jedes Elternteil unabhängig von den Verfügungen des anderen will, dass das Kind Erbe wird.
Ein weiteres schwächeres Indiz, dass gegen die Wechselbezüglichkeit sprach, war in der notariellen Urkunde des Ehemannes, die die Wechselbezüglichkeit der Verfügungen verneinte.
Folglich sprach das Gericht den Verfügungen im ersten Testament die Wechselbezüglichkeit ab, wodurch das mit der neuen Ehefrau geschriebene Testament Wirkung entfaltete und die 2. Ehefrau als Alleinerbin eingesetzt wurde.
Fazit: Auch wenn es ganz einfach erscheint: Die Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments bringt viele, oft ungeahnte, Schwierigkeiten mit sich. Lassen Sie sich von einem fachkundigen Anwalt beraten, um ein sicheres Testament zu haben und Ihren Erben Streit um den Nachlass zu ersparen. Wir beraten Sie gern!
Bayerisches Oberlandesgericht 1. ZS, Beschluss v. 04.03.1996 – 1Z BR 160/95
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