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3. Januar 2017 – Lebensversicherung und Pflichtteilsergänzungsanspruch – Lebensversicherung und Nachlassinsolvenz

Immer wieder spielen in unserer Beratungspraxis Lebensversicherungen eine Rolle. Lebensversicherungen sind im Erbfall – und damit auch bei der erbrechtlichen Gestaltung – aus zwei Aspekten interessant:

1. Pflichtteilsergänzungsanspruch an Lebensversicherung

Die Auszahlung aus einer Lebensversicherung nach dem Tod des Versicherten an den Bezugsberechtigten ist für diesen in aller Regel eine Schenkung, da er die Versicherungssumme erhält, ohne eine ausgleichende Gegenleistung an den Versicherungsnehmer zu erbringen.

Zu unterscheiden ist für den Pflichtteilsergänzungsanspruch zwischen:

a)      Kapitallebensversicherung

Nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 28.04.2010 – Az.: IV ZR 73/08) ist für die Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruch bei Kapitallebensversicherungen auf den Rückkaufswert im Zeitpunkt des Todes abzustellen. Die zugrunde liegende Überlegung dabei ist: Was ist der Vermögenswert, den  der Verstorbene weggegeben hat? In Betracht kommen die Prämienzahlungen, die Versicherungssumme und der Rückkaufwert.

Die Versicherungssumme wird nur dann an den Bezugsberechtigten ausgezahlt, wenn der Versicherte stirbt. Der Versicherte selbst hätte diese Summe also nicht erhalten, damit konnte er sie auch nicht aus seinem Vermögen weggeben.

Die Versicherungsprämien hingegen, hat der Versicherte zwar aus seinem Vermögen weggeben, allerdings hatte er gleichzeitig auch die Möglichkeit, den Rückkaufswert durch Kündigung der Versicherung zu erhalten.

Nach der Rechtsprechung des BGH kommt es für den Plichtteilsergänzungsanspruch „… allein auf den Wert an, den der Erblasser aus den Rechten seiner Lebensversicherung in der letzten – juristischen – Sekunde seines Lebens nach objektiven Kriterien für sein Vermögen hätte umsetzen können.“

Diesem Wert entsprechen weder die ausgezahlte Versicherungssumme, noch die gezahlten Prämien, sondern allein der Rückkaufwert der Versicherung zum Zeitpunkt des Todes.

b)      Risikolebensversicherung

Anders als bei der Kapitallebensversicherung hat die Risikolebensversicherung keinen Rückkaufswert. Eine Kündigung der Versicherung würde für den Versicherten lediglich dazu führen, dass er von der Zahlung zukünftiger Prämien frei wird.

Die Auszahlung der Versicherungssumme an den Bezugsberechtigten im Todesfall ist aber – ebenso wie bei der kapitalbildenden Lebensversicherung – eine Schenkung, die mit Mitteln des Versicherungsnehmers bewirkt wurde.

Jede Prämienzahlung stellt die Weggabe eines Vermögenswertes dar. Daraus kann man schließen, dass zur Ermittlung des Wertes des Pflichtteilsergänzungsanspruches bei einer Risikolebensversicherung, auf die, bis zum Eintritt des Versicherungsfalles  eingezahlten, Prämien abgestellt werden muss. Achtung: Hierzu gibt es aber noch keine belastbaren Gerichtsurteile.

Berücksichtigt werden zur Ermittlung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs Schenkungen, die der Verstorbene in  seinen letzten zehn Lebensjahren getätigt hat. Demzufolge sind die Prämienzahlungen der letzten 10 Jahre relevant.

c)        gegen wen richtet sich der Anspruch auf Pflichtteilsergänzung wegen einer Lebensversicherung?

Der Anspruch richtet sich gegen den Erben und ist aus dem Nachlass zu zahlen. Für die Berechnung wird der Nachlass um den für den Pflichtteilsergänzungsanspruch maßgeblichen Betrag fiktiv erhöht. Reicht der Nachlass zur Befriedigung des Pflichtteilsberechtigten nicht aus, kann der Betrag, der dem Vermögen entzogen wurde, vom Bezugsberechtigten der Versicherungssumme gem. § 2329 BGB herausverlangt werden.

Fazit: Die Leistung aus einer Lebensversicherung kann Pflichtteilsergänzungsansprüche begründen. Maßgeblich für die Berechnung ist nicht die ausgezahlte Versicherungssumme die der Bezugsberechtigte erhalten hat, sondern der Betrag um den der Erblasser sein Vermögen gemindert hat, damit der Bezugsberechtigte die Versicherungssumme erhält.

2. Anfechtung in der Nachlassinsolvenz

Wird ein Erbe ausgeschlagen, erbt am Ende der Staat als Fiskus. Der beantragt in aller Regel eine Nachlassinsolvenz, um die Haftung auf den Nachlass zu beschränken.

Der Nachlassinsolvenzverwalter sieht zu, wie er Geld in den Nachlass ziehen kann. Hat jemand aus Anlass des Todes Geld bekommen, erklärt er die Anfechtung dieser Zahlung und verlangt Herausgabe des Geldes an den Nachlass.

Auszahlungen aus Lebensversicherungen sind, da sie in der Regel als Schenkung gelten, als unentgeltliche Leistungen nach § 134 InsO anfechtbar. Für den Bezugsberechtigten folgt daraus, dass er die Versicherungssumme der Insolvenzmasse, also dem Nachlass, zurückgewähren muss.

a)      Was ist nach Anfechtung durch den Nachlassinsolvenzverwalter zurück zu zahlen?

Anders als bei der Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs, ist bei der Anfechtung nach Insolvenzrecht die ausgezahlte Versicherungssumme maßgeblich.

Das erscheint auf den ersten Blick widersprüchlich – ist es aber nicht:

Beim Pflichtteilsergänzungsanspruch geht es darum, für den Pflichtteilsberechtigten das zu kompensieren, was der spätere Erblasser aus seinem Vermögen vor seinem Tod verschenkt hat. Daher kommt es auf den Wert an, um den das Vermögen gemindert wurde. Die Versicherungssumme gehörte zu keinem Zeitpunkt zu diesem Vermögen.

Bei der Insolvenz hingegen geht es um die gleichberechtigte Befriedigung aller Gläubiger, zu denen auch der Bezugsberechtigte gehört.

Ist eine Leistung insolvenzrechtlich anfechtbar, folgt deshalb die Rückgewähr zur Insolvenzmasse den Regelungen über die ungerechtfertigte Bereicherung. Danach ist das Erlangte und nicht das aus dem Vermögen Weggegebene wieder herauszugeben – und das sind weder die Prämien, noch der Rückkaufswert einer Versicherung, sondern das ist die ausgezahlte Versicherungssumme.

Im Rahmen der Anfechtung in der Nachlassinsolvenz ist es somit auch egal, ob wegen der Leistungen aus einer Risikolebensversicherung oder einer Kapitallebensversicherung ausgeschlagen wird. Auch bei der Risikolebensversicherung ist die erlangte Versicherungssumme an den Nachlassinsolvenzverwalter zu zahlen, BGH, Urteil v. 22.10.2015, Az. IX ZR 248/14.

b)      Wie lange muss man mit einer Rückforderung rechnen? – Art des Bezugsrechts entscheidend!

Da eine unentgeltliche Leistung nur bis zu vier Jahren, bevor der Insolvenzantrag gestellt wurde, anfechtbar ist, kann es entscheidend sein, ob das Bezugsrecht widerruflich oder unwiderruflich eingeräumt wurde.

Der maßgebliche Zeitpunkt ist bei einem widerruflichen Bezugsrecht der Tod des Versicherten, da der Begünstigte erst in diesem Augenblick hinsichtlich der Versicherungssumme eine gesicherte Rechtsposition erlangt.  Erst in diesem Zeitpunkt gilt die anfechtbare Rechtshandlung als vollzogen. Wurde das Bezugsrecht hingegen unwiderruflich eingeräumt, gilt bereits mit der Einräumung des Rechts, die anfechtbare Rechtshandlung als vollzogen. (BGH, Urteil vom 23.10.2003 – IX ZR 252/01,  BGH, Urteil vom 27.09.2012 – IX ZR 15/12).

Fazit: Kommt es demjenigen, der eine Lebensversicherung abschließt, darauf an, dem Bezugsberechtigten die Versicherungssumme zu sichern, auch wenn er als Erbe die Erbschaft ausschlägt, so sollte er diesem ein unwiderrufliches Bezugsrecht einräumen. Lebt der Versicherte dann noch länger als vier Jahre, ist für den Bezugsberechtigten die Auszahlungssumme, auch bei einer Nachlassinsolvenz, gesichert. 

Schlussfolgerung: Kommt jemand in ernstliche wirtschaftliche Schwierigkeiten, die zur Ausschlagung seines Erbes wegen Überschuldung führen werden, sollte  die Änderung des Bezugsrechts einer Lebensversicherung geprüft werden.

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