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15. 9. 2015 -Haus und Grundstück im Erbrecht 1

Viele Menschen haben Grundeigentum, sei es ein Einfamilienhaus, eine Eigentumswohnung oder ein Wochenendgrundstück. Insgesamt haben knapp 48 % aller privaten Haushalte in Deutschland angegeben, über Haus- und Grundbesitz zu verfügen Da der Stand der aktuellen Daten von DESTATIS die Situation Anfang 2013 wiedergibt, dürfte sich zwischenzeitlich der Anteil der Immobilieneigentümer sogar noch erhöht haben.

Der Wert des Grundvermögens ist in vielen Gegenden, wie in Leipzig, in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Nach Angaben von DESTATIS  ist der Wert des durchschnittlichen  Immobilieneigentums von 2008 bis 2013 von 236 100 Euro auf 243 900 Euro (das sind +3,3 %) gestiegen. Der Trend hält an.

Deswegen spielt die Immobilie auch für das Erbrecht und die Erbfolgeplanung eine immer größere Rolle. Daher werden im Folgenden wichtige Fragen rund um das Grundstück im Erbrecht dargestellt. Der erste Teil behandelt das Grundstück in der Nachlassplanung und Testamentsgestaltung. Der zweite Teil beschäftigt sich mit der Immobilie im Nachlass. Der Dritte Teil der Artikelreihe „Haus und Grundstück im Erbrecht“ beschäftigt sich mit dem Grundbuch nach dem Erbfall und im vierten Teil geht es um eine besondere Form der testamentarischen Verfügung, das Vermächtnis eines Wohnrechts.

Teil 1 – Das Grundstück in der Nachlassplanung und Testamentsgestaltung

Besondere Sorgfalt und gute Ideen sind gefragt, wenn eine Immobilie im Nachlass vererbt werden soll. Soll der überlebende Ehepartner das Haus allein erben? Soll eines der Kinder das Haus erben, was passiert mit den anderen Kindern.

Da mit einer Immobilie auch viel Arbeit und Aufwand verbunden ist, freut sich nicht jeder Erbe über das Einfamilienhaus oder Wochenendgrundstück im Nachlass. Hier ist es notwendig, sich innerhalb der Familie zu verständigen, was mit einer Immobilie passieren soll. Die Kinder müssen gefragt werden, ob sie das Haus überhaupt haben wollen. Zur Nachlassplanung kann dann auch der geplante Verkauf des Hauses gehören.

Aus rechtlicher Sicht geht es  bei der Testamentserstellung vor allem um Pflichtteilsansprüche, die entstehen können, wenn nur ein gesetzlicher Erbe das Hausgrundstück erbt.

Probleme bei der Enterbung eines Pflichtteilsberechtigten

Ist ein Grundstück, etwa das von den Eheleuten bewohnte Einfamilienhaus im Grundstück, können sich Probleme ergeben, wenn Pflichtteilsberechtigte, z.B. ein Kind, enterbt werden.

Diese Enterbung und damit das Entstehen des Pflichtteilsanspruchs ist beispielsweise bei jedem Berliner Testament, wenn der erste Ehepartner verstirbt und der andere Ehepartner Alleinerbe wird, die normale erbrechtliche Folge.

Das enterbte Kind hat dann gegen den Nachlass des Vaters oder die Mutter Pflichtteilsansprüche und so genannte Pflichtteilsergänzungsansprüche.

Pflichtteilsanspruch aus einem Grundstück im Nachlass

Der  Pflichtteilsanspruch ist ein Zahlungsanspruch und beträgt wertmäßig die Hälfte des gesetzlichen Erbteils.

Befindet sich im Nachlass ein Grundstück, so hat ein Pflichtteilsberechtigter einen Pflichtteilsanspruch auch aus dem Wert der Immobilie.

Beispiel: Die Eheleute im gesetzlichen Güterstand haben ein Kind. Dem Mann gehört ein Einfamilienhaus im Wert von 100.000 Euro, sonstiges Vermögen reicht nur für die Bestattung. Für den Todesfall gibt es ein Berliner Testament.  Stirbt der Mann, erbt die Witwe alles. Das Kind hat einen Pflichtteilsanspruch in Höhe der Hälfte seines gesetzlichen Erbteils von ½, also ¼ am Wert des Nachlasses. Er kann somit 25.000 Euro als Pflichtteil von seiner Mutter verlangen.

Wenn im Nachlass – wie im Beispielsfall nicht genügen Geld vorhanden ist und auch die Witwe als Alleinerbe kein eigenes Vermögen hat, kann sie den Pflichtteilsanspruch nicht bezahlen.

Der Pflichtteilsanspruch ist – im Grundsatz – sofort fällig. Der Erbe ist dann gezwungen, das Grundstück zu verkaufen.

Was kann der Erbe bei einer nicht bezahlbaren Pflichtteilsforderung machen?

In Härtefällen kann der Erbe beim Nachlassgericht  eine Stundung des Pflichtteilsanspruchs beantragen, § 2331 a BGB. Wenn schon der Erbstreit beim Gericht geführt wird, ist für den Antrag auf  Stundung das Prozessgericht zuständig.

Das führt aber im besten Falle nur zum Aufschub der Zahlung.

Wie vermeidet man solche Pflichtteilsforderungen?

Bei der vorausschauenden Planung und Testamentsgestaltung muss man solche Pflichtteilsforderungen, die sich aus einer Enterbung ergeben, mit bedenken.

Denkbar wäre ein Pflichtteilsverzicht des enterbten Kindes oder eine so genannte Pflichtteilsstrafklausel.

Auch ein Risikolebensversicherung, die für die überlebende Ehefrau oder den überlebenden Ehemann Liquidität zur Bezahlung des Pflichtteilsanspruchs schafft, kann ein Weg sein.

Pflichtteilsergänzungsanspruch bei Schenkung eines Grundstücks zu Lebzeiten

Eine erste Idee, den Pflichtteilsanspruch und damit Probleme für den Erben zu vermeiden, ist häufig, das Grundstück einfach schon zu Lebzeiten zu verschenken.

Leider klappt das – wirtschaftlich betrachtet –  meist nicht, da es den Pflichtteilsergänzungsanspruch gibt. Das Erbrecht schützt den Pflichtteilsberechtigten teilweise vor solchen Schenkungen, indem es ihm zusätzlich zum Pflichtteilsanspruch den Pflichtteilsergänzungsanspruch einräumt. Der Pflichtteilsergänzungsanspruch ist in § 2325 BGB geregelt.

Früher war es so, dass alle Schenkungen innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Erbfall einen Pflichtteilsergänzungsanspruch aus ihrem vollen Wert auslösten. Für Erbfälle ab dem 1. Januar 2010 wurde § 2325 BGB geändert. Der Schutz des Pflichtteilsberechtigten wurde mit dieser Neuregelung stark vermindert. Jetzt wird der Wert des Geschenks jedes Jahr um 1/10 reduziert, § 2325 Absatz 3 Satz 1 BGB.

Beispiel: Wie oben hat der Ehemann das Einfamilienhaus im Wert von 100.000 Euro. Das Haus verschenkt er seinem besten Freund, damit der Sohn beim Tod des Vaters rechnerisch keinen Pflichtteilsanspruch hat. Drei Jahre nach Schenkung und Eigentumsumschreibung im Grundbuch verstirbt der Vater.

Früher wäre das Hausgrundstück mit seinem vollen Wert für den Pflichtteilsergänzungsanspruch anzusetzen gewesen. Nach aktuellem Erbrecht ist das verschenkte Haus nur noch mit 7/10 des Wertes anzusetzen.

Verstirbt der Vater hingegen zehn Jahre nach der Schenkung, gibt es keinen Anspruch auf Pflichtteilsergänzung mehr, § 2325 Absatz 3 Satz 2 BGB.

Achtung Ausnahmen für Geschenke an Ehegatten, Wohnrechten und Nießbrauchslösungen

Bei Geschenken an Ehegatten besteht hinsichtlich der 10-Jahres-Frist eine Ausnahme. Die 10-Jahres-Frist beginnt nicht zu laufen, solange die Eheleute verheiratet sind, § 2325 Absatz 3 Satz 3 BGB.

Beispiel: Ausgangslage wie oben. Allerdings hat der Mann das Haus seiner Ehefrau geschenkt.

Das verschenkte Haus würde nach 3 Jahren genauso wie nach 11 Jahren den vollen Pflichtteilsergänzungsanspruch auslösen.

Ausnahmen für Wohnrecht und Nießbrauch

Die Frist beginnt auch nicht zu laufen bei Geschenken unter Nießbrauchsvorbehalt.

Wird also das Einfamilienhaus oder die Eigentumswohnung verschenkt, aber der  Schenker lässt sich ein Wohnrecht einräumen, um die Immobilie genauso weiterbenutzen zu können wie als Eigentümer, wird das Geschenk auch nach über 10 Jahren nach der Schenkung noch mit dem vollen Wert für den Pflichtteilsergänzungsanspruch herangezogen.

Das Wohnrecht oder ein Nießbrauch reduzieren aber den Wert der Immobilie und damit den Wert der Schenkung.  Die Gerichte ziehen den Wert eines Wohnrechts oder Nießbrauchs allerdings nicht ab, wenn es im Rahmen des Niederstwertprinzips (siehe unten) für die Bewertung auf den Zeitpunkt des Erbfalls ankommt.

Bewertung des Grundstücks

Bei der Bewertung eines Grundstücks für den Pflichtteilsergänzungsanspruchs gilt das sogenannte Niederstwertprinzip, § 2325 Absatz 2 Satz 2 BGB.

Dafür wird der Wert zum Zeitpunkt des Erbfalls mit dem Wert zum Zeitpunkt der Schenkung verglichen. Maßgeblich ist der niedrigere Wert.

Ist der Wert zum Zeitpunkt der Schenkung niedriger und damit für die Berechnung relevant, ist dieser Wert zu indexieren, um die Inflation auszugleichen.

Fazit: Das Thema Grundstück im Erbrecht ist ein schwieriges und wirtschaftlich bedeutendes Thema und kann für viel Streit in der Familie sorgen. Lassen Sie sich beraten, um eine gute Lösung zu finden.

Gerne beantworte ich Ihnen in einer Erstberatung Ihre Fragen zum Thema Immoblie im Nachlass und mache Vorschläge für sinnvolle testamentarische Lösungen oder Schenkungen.

Im nächsten Teil der Serie „Haus und Grundstück“ im Erbrecht geht es um die Erbengemeinschaft.

Rechtsanwalt Alexander Grundmann

Erbrecht in Leipzig

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