Erbstreit nach Erbverzicht der Tochter
Ein Ehepaar errichtete 1980 ein gemeinschaftliches Testament mit Pflichtteilsstrafklausel, in dem sie den überlebenden Ehegatten zum befreiten Vorerben und zwei ihrer Kinder, den Sohn und seine 1957 geborene Schwester, zu gleichen Teilen als Nacherben einsetzten.
Nach dem Tod des Vaters im Jahr 1993 schlossen die Mutter mit dem Sohn und der im Testament ebenfalls bedachten Schwester 2001 einen notariellen Erbvertrag.
In diesem Erbvertrag übertrug die Tochter ihren Anteil am Nacherbenrecht auf ihren Bruder und erklärte darüber hinaus, auch auf ihr gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht zu verzichten.
Hintergrund dieses Erb- und Pflichtteilsverzichts waren (teilweise schon vollzogene) Zuwendungen von 180.000 DM der Mutter an die Tochter.
Die Tochter verstarb 2002 und hinterließ zwei Kinder.
In einem handschriftlichen Testament aus dem Jahr 2013 bestimmte die Mutter der Tochter ihrer Tochter und einen anderen zu Erben.
Ende 2013 verstarb die Mutter mit 82 Jahren. Daraufhin kam es zum Erbstreit zwischen den Beteiligten, erst beim Amtsgericht Dortmund und dann beim OLG Hamm.
Der Sohn war der Ansicht, Alleinerbe zu sein, während die Enkeltochter und der andere Testamentserbe aus dem Testament 2013 der Rechtsauffassung waren, dass sie die Erblasserin als Miterben beerbt hätten.
Erbverzicht: Tochter war wegen Verzichts als Erbin weggefallen
Das OLG Hamm bestätigte die Entscheidung des Amtsgerichts. Der Sohn ist Alleinerbe seiner Mutter geworden. Der Sohn und seine im Jahr 2002 verstorbene Schwester waren durch das 1980 errichtete gemeinschaftliche Testament der Eltern wirksam zu Erben nach dem Tod des letzten Elternteils eingesetzt worden.
Durch den Verzichtsvertrag 2001 hat -so das OLG- die Schwester auf ihr gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht und auch auf das ihr durch das gemeinschaftliche Testament zugewandte Erbrecht verzichtet. Sie ist deswegen als Erbin weggefallen.
Erbverzicht erfasst auch die Kinder des Verzichtenden
Ihre Kinder sind nicht als Ersatzerben berufen. Der Erbverzicht der Schwester erstreckt sich auch auf ihre Kinder.
Die nach dem Gesetz mögliche andere Regelung – siehe § 2349 BGB – sei im Verzichtsvertrag nicht getroffen worden.
Damit ist der Erbteil der Schwester beim Tod der Mutter dem Sohn (und Bruder) „angewachsen“, das bedeutet, er bekommt auch den Erbteil seiner Schwester, auf den sie verzichtet hatte.
Mutter konnte ihre Enkelin nicht mit neuem Testament als Erbin einsetzen
Wegen des gemeinschaftlichen Testament aus dem Jahr 1980 konnte die Mutter nach dem Tod ihres Ehemanns, ihre Enkelin nicht durch ein neues Testament als Erben einsetzen.
Hinsichtlich der Alleinerbenstellung des Sohnes – und bis zu deren Verzicht auch der Tochter – war das Ehegattentestament bindend.
Bei Auslegung des Testaments erfasst die Bindungswirkung des Ehegattentestaments auch den Erbteil der Tochter, der dem Sohn durch den Verzicht zugewachsen ist.
Laut OLG ist die Konstellation mit dem Fall vergleichbar, bei dem ein Pflichtteilsberechtigter aufgrund der Pflichtteilsstrafklausel als Schlusserbe ausscheidet, weil er zu Lebzeiten des überlebenden Ehegatten seinen Pflichtteil verlangt. Auch in diesem Fall wachse der Erbteil den übrigen testamentarisch bedachten Erben zu. Zwar ist die Tochter nicht aufgrund eines verlangten Pflichtteils als Erbe weggefallen. Sie hat aber – und das sei vergleichbar mit dem Pflichtteilsverlangen – ihren Erbverzicht erklärt, weil sie zu Lebzeiten Zuwendungen von der Mutter erhalten hat.
OLG Hamm Beschluss vom 28.01.2015, Az.: 15 W 503/14
Fazit: Eine nachvollziehbare und im Ergebnis gerechte Entscheidung.
Hintergrund: § 2270 BGB regelt die sogenannten wechselbezüglichen Verfügungen. Insbesondere bei Ehegattentestamenten, die als Schlusserben die Kinder vorsehen, kann das dazu führen, dass auch der überlebende Ehegatte kein wirksames neues Testament errichten kann, vgl. § 2270 Abs. 2 BGB.
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