Die Ausschlagung von Erbteil oder Vermächtnis ist im Erbrecht ein steuerliches Gestaltungsmittel. Nach dem Überblicksartikel 14. 12. 2015 – Teil 1 soll jetzt die Ausschlagung zur Optimierung der Erbschaftsteuer erläutert werden.
Führt ein steuerlich nicht durchdachtes Testament zu ungünstigen Folgen im Rahmen der Erbschaftsteuer, kann die Ausschlagung zur Steueroptimierung genutzt werden.
Ausnutzung von persönlichen Freibeträgen aller Verwandter
Ausgangspunkt für Überlegungen zur Optimierung der Erbschaftsteuer sind insbesondere die verschieden hohen Freibeträge für Erben:
Ehegatte 500 TEuro – § 16 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG
Zusätzlich gibt es noch den Versorgungsfreibetrag für den Ehegatten in § 17 Abst. 1 ErbStG und die Freibeträge/Begünstigungen nach § 13 ErbStG.
Kinder (und Kinder verstorbener Kinder) 400 TEuro § 16 Abs. 2 Nr. 3 ErbStG
Enkel § 16 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG
Ausschlagung durch den Ehegatten und Geltendmachung des Zugewinns
Die für den Ehegatten gemäß § 1371 Abs. 3 BGB eröffnete Möglichkeit der Ausschlagung unter Beibehaltung eines Pflichtteilsanspruchs ist nicht nur aus der Perspektive des überlebenden Ehegatten zum Erhalt eines größeren Zugewinns interessant, sondern auch zur Optimierung der Erbschaftsteuer der Familie.
Beispiel 1: Eheleute leben im gesetzlichen Güterstand und haben 3 Kinder. Der Mann stirbt. Nachlasswert sind 1.000.000 EUR. Wegen des Berliner Testamens der Eheleute wird die Frau alleinige Erbin.
Die Frau muss daher 1.000.000 EUR ./. 500.000 EUR Freibetrag = 500.000 EUR versteuern.
(Der Versorgungsfreibetrag für den Ehegatten § 17 Abst. 1 ErbStG und die Freibeträge/Begünstigungen nach § 13 ErbStG bleiben zur Vereinfachung für das Beispiel außer Betracht.)
Schlägt die Frau als durch Testament bestimmter Erbe aus und nimmt das Erbe des Mannes als gesetzlicher Erbin an (§ 1948 BGB), gilt die gesetzliche Erbfolge. Die Frau wird Erbe zu 1/2 und jedes der Kinder erbt 1/6. Die Erbteile der Kinder sind auf Grund des persönlichen Freibetrags steuerfrei.
Dass der tatsächlich entstandene Zugewinnausgleichsanspruch gemäß § 5 ErbStG ebenfalls steuerfrei wäre, ist nicht relevant.
Beispiel 2: Eheleute leben im gesetzlichen Güterstand und haben 3 Kinder. Beide hatten bei Beginn der Ehe nichts. Der Mann als Alleinverdiener hat das während der Ehezeit erarbeitete Vermögen. Der Mann stirbt. Nachlasswert sind 4.000.000 EUR. Der tatsächliche Zugewinnausgleich beträgt 2.000.000. Der Versorgungsfreibetrag beträgt noch die vollen 256.000 Euro. Auf Grund des Berliner Testamens der Eheleute wird die Frau alleinige Erbin des Mannes.
Hier reichen auch die Freibeträge der Kinder nicht.
Wenn die Ehefrau das testamentarische Erbe ausschlägt, ohne das Erbe als gesetzliches Erbe anzunehmen, bekommt sie ihren konkreten Zugewinn, also 2.000.000 Euro und ihren kleinen Pflichtteil (1/8 vom um den Zugewinn bereinigten Nachlass) in Höhe von 250.000 Euro.
Der tatsächlich entstandene Zugewinnausgleichsanspruch ist gemäß § 5 ErbStG steuerfrei. Der Pflichtteil ist innerhalb des Freibetrages der Ehefrau.
Für den Rest (875.000) reichen die Freibeträge der drei Kinder.
Ausschlagung mit Abfindung
Zur weiteren Optimierung kann die Ausschlagung mit der Vereinbarung einer Abfindung für den Ausschlagenden kombiniert werden. So könnten im obigen Beispiel 2 die Freibeträge der Ehefrau noch voll genutzt werden, wenn es z.B. nur zwei Kinder gäbe und damit nur zweimal den Freibetrag der Kinder.
Die Abfindung des durch die Ausschlagung weichenden Erben ist gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG als vom Erblasser stammend zu versteuern. Die Ehefrau behält – auch in Bezug auf die Abfindung, die ja von den Kindern aus dem Erbe bezahlt wird – den Freibetrag und die Einordung in der Steuerklasse zum verstorbenen Ehemann.
Die Abfindung ist aus Sicht des Erben eine Nachlassverbindlichkeit und damit gemäß § 10 Abs.5 ErbStG vom zu versteuernden Nachlass abzuziehen.
Risiko: Wenn bei einer erbschaftsteuerlich motivierten Ausschlagung eine Abfindung für den Ausschlagenden vereinbart wird, könnte das Finanzamt darin eine entgeltliche Veräußerung des Erbteils sehen, was Ertragssteuern auslösen kann. Die Problematik stellt sich bei Betriebsvermögen oder vermieteten Immobilien.
Vermeidung der Doppelbesteuerung
Wenn Eltern kurz hintereinander sterben
Wenn Ehegatten versterben, die ein Berliner Testament errichtet haben, erbt der Überlebende erstmal alles. Nach seinem Tod wird der gleiche Nachlass (zusammen mit dem Nachlass des länger lebenden Elternteils) nochmal vererbt.
Wenn die Eheleute kurz hintereinander versterben, wird der Nachlass des Erstversterbenden innerhalb kürzester Zeit zweimal der Erbschaftsteuer unterworfen.
Beispiel: Die Ehefrau wird nach dem Berliner Testament der Eheleute alleinige Erbin ihres Mannes. Vier Wochen später verstirbt auch sie und es tritt die testamentarisch festgelegte Schlusserbfolge ein: Die beiden Kinder erben alles.
Lösung Ausschlagung:
Nach § 1952 Abs. 1 BGB ist auch das Ausschlagungsrecht vererblich. Stirbt daher auch der Erbe vor Ablauf der Ausschlagungsfrist, können auch dessen Erben noch ausschlagen. Bei mehreren Erben kann jeder den Teil seiner Erbschaft ausschlagen, der seiner Erbquote entspricht, § 1952 Abs. 3 BGB.
Durch eine Ausschlagung wird dann erreicht, dass die Freibeträge zweimal geltend gemacht werden können, einmal nach dem erstversterbenden Elternteil und im zweiten Erbfall nach dem Längstlebenden.
Schlagen beide Kinder als Erben der Frau deren Erbschaft nach ihrem Mann aus, fällt die Erbschaft des Mannes den Kindern zu gleichen Teilen direkt nach § 1953 Abs. 2 BGB zu. Sie sind Alleinerben des zuerst verstorbenen Vaters geworden. Sie können die persönlichen Freibeträge, die gegenüber jedem Elternteil bestehen, auch im Erbfall des Vaters ausnutzen.
Die dadurch im Erbe der Mutter bestehenden Ansprüche auf Pflichtteil und Zugewinnausgleich, führen zu einer weiteren steuerlichen Entlastung.
Erbschaft älterer Verwandter
Beispiel: Ein kinderloser älterer Witwer stirbt. Gesetzlicher Erbe ist seine etwa gleich alte Schwester. Diese hat drei Kinder.
Durch eine Ausschlagung der Erbschaft ihres Bruders nach Eintritt des Erbfalls werden ihre eigenen Kinder gesetzliche Erben ihres Onkels, §§ 1953 Abs. 2, 1924 Abs. 3 BGB.
Dadurch wird eine – wegen des hohen Alters wahrscheinlich bald eintretende – Doppelbesteuerung (einmal bei der Erbschaft der Schwester und zum zweiten mal nach ihrem Tod bei ihrer Erbschaft, die den Nachlass ihres Bruders ja noch mit enthält) vermieden.
Zudem wird der Freibetrag wegen der jetzt drei Erben verdreifacht.