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15. Dezember 2016 – Kein Anspruch auf Pflichtteilsergänzung wegen Grundstücksschenkung, wenn nur Teil-Wohnrecht an Immobilie

Die Frage, ob die lebzeitige Schenkung eines Grundstücks Ansprüche auf Pflichtteilsergänzung auslöst, stellt sich in vielen Pflichtteilssituationen.

Von besonderer Bedeutung ist die 10-Jahres-Frist, nach der die meisten Schenkungen nach 10 Jahren für den Pflichtteil nicht mehr herangezogen werden können.

Allerdings gibt es Konstellationen, bei der die Frist, die in § 2325 Absatz 3 BGB geregelt ist, gar nicht zu laufen beginnt.

Das betrifft Schenkungen unter Ehegatten, bei denen die Frist vor Scheidung oder Tod des einen Ehegatten gar nicht zu laufen beginnt (das steht so ausdrücklich im Gesetz). Die Rechtsprechung lässt aber auch dann die 10-Jahres-Frist nicht laufen, wenn Grundstücke verschenkt werden, sich aber der Schenker ein umfassenden Nießbrauchsrecht oder Wohnrecht vorbehält.

Der BGH musste jetzt einen im Erbrecht häufigen Fall entscheiden.  Der Streit wurde vorher beim Landgericht Leipzig und in der Berufung beim OLG Dresden verhandelt.

Enterbung eines Pflichtteilsberechtigten und Schenkung einer Immobilie mit Wohnrecht und weitergehenden Mitspracherechten

Ein verheiratetes Paar hat zwei Söhne. Die Ehepartner setzen sich – vermutlich in einem gemeinsamen Testament – gegenseitig zu alleinigen Erben ein.

Damit sind die gemeinsamen Kinder, im Fall waren es die beiden Söhne, automatisch von der Erbfolge ausgeschlossen. Das löst – was viele bei der Nachlassplanung nicht bedenken – Pflichtteilsansprüche der Kinder aus. Bei fast jedem Berliner Testament kommt es zu dieser Rechtsfolge, die für einigen Streit sorgen kann.

Schenkung mit Wohnrecht an Immobilie

Außerdem hatten die Eltern schon 1993 ihre Immobilie an einen der Söhne verschenkt, sich aber ein Wohnrecht vorbehalten.  Das Wohnrecht beschränkte sich aber auf die Räume im Erdgeschoss des dreistöckigen Hauses, die Nutzung des Gartens und der Versorgungsanlagen. Zudem durften die Eltern die Garage kostenlos nutzen und auch weitere Nebenräume. Die Eltern hatten sich zudem ein Verkaufsverbot für das Grundstück zu ihren Lebzeiten und Mitspracherechte bei Umbauten einräumen lassen. Diese waren aber wohl nicht durch eine Rückauflassungsvormerkung im Grundbuch gesichert.

Diese Schenkung und die Wohnrechtseinräumung wurden mit Eintragung im Grundbuch 1994 vollzogen.

Der Vater verstarb 2012.

Pflichtteilsergänzung für Schenkung vor 18 Jahren?

Nach dem Tod des Vaters machte der andere – von der Schenkung nicht begünstigte – Sohn  gegen seine Mutter als testamentarische Alleinerbin Pflichtteilsansprüche geltend.

Dabei wollte dieser zweite Sohn aber nicht nur das zum Todestag vorhandene Vermögen seines Vaters zur Berechnung seines Pflichtteils akzeptieren,  sondern forderte Pflichtteilsergänzung hinsichtlich des verschenkten Hausgrundstücks.

Dafür wollte er  zwei Sachverständigengutachten zum Wert der Immobilie einmal zum Todestag und einmal zum Zeitpunkt der Schenkung.

Da die Frist von 10 Jahren nach § 2325 BGB längst abgelaufen war, argumentierte der zweite Sohn, dass durch den Vorbehalt eines Wohnungsrechtes wirtschaftlich das Hausgrundstück das Vermögen der Eltern nie verlassen hat.  Damit hätte die Zehnjahresfrist des § 2325 BGB erst mit dem Erbfall begonnen.

Die Mutter als Alleinerbin sah das anders. Der zweite Sohn verklagte daraufhin seine Mutter beim Landgericht Leipzig. Diesen Prozess verlor der Sohn genauso wie die Berufung beim OLG Dresden und legte deshalb beim BGH Revision ein.

Schenkung mit Wohnrecht kann Ansprüche auf Pflichtteilsergänzung auslösen

Aber auch der BGH hat die Klage auf Pflichtteilsergänzung im Revisionsverfahren abgewiesen.

Der BGH bestätigte zwar seine bisherige Rechtsprechung, dass eine Leistung im Sinne von § 2325 BGB und damit die Zehnjahresfrist erst dann beginnt, „wenn der Erblasser nicht nur seine Rechtsstellung als Eigentümer endgültig aufgibt, sondern auch darauf verzichtet, den verschenkten Gegenstand – sei es aufgrund vorbehaltener dinglicher Rechte oder durch Vereinbarung schuldrechtlicher Ansprüche – im Wesentlichen weiterhin zu nutzen.“

Aber im konkreten Fall hatte die Zehnjahresfrist schon bei Schenkung begonnen, weil die Eltern sich nicht an dem gesamten Hausgrundstück das Wohnrecht vorbehalten hatten, sondern lediglich an den Räumen im Erdgeschoss und einigen Nebenflächen.

Damit waren die Eltern, so der BGH, schon mit Vollzug der Schenkung durch Grundbuchänderung im Jahr 1994 nicht mehr „Herr im Haus“ gewesen, weil die Eltern das Hausgrundstück nicht mehr in der bisherigen Art und Weise nutzen konnten.

Somit gab es für den Sohn wegen der Schenkung keinen Anspruch auf Pflichtteilsergänzung. Er muss jetzt auch die Kosten für den Streit durch drei Gerichtsinstanzen tragen.

Für die Berechnung des Pflichtteils des Sohnes war der Wert der Immobilie nicht mehr relevant. Damit hatte er auch keinen Wertermittlungsanspruch.

Fazit:   Bei Schenkungen von Grundstücken muss man aufpassen.  Es ist grundsätzlich möglich, die Pflichtteilsansprüche zu reduzieren, indem man bereits zu LEbzeiten sein Vermögen an die Personen verschenkt, denen man es eigentlich nach dem Tod zukommen lassen will.

Wichtigste Regel ist, dass – zumindest wenn es um die Verringerung von Pflichtteilsansprüchen geht –  nicht zwischen Ehegatten geschenkt werden sollte. Aber auch bei Schenkungen an Dritte muss wirklich verschenkt werden. Kann der Schenker die Immobilie umfassend weiternutzen, so dass er nur formal nicht mehr Eigentümer ist, haben Pflichtteilsberechtigte gute Chancen, wegen dieser Schenkung, die ja eigentlich auch gar keine ist, Pflichtteilsergänzung zu verlangen.

BGH – Urteil vom 29.06.2016 – IV ZR 474/15

Vorinstanzen:

LG Leipzig, Urteil vom 14.07.2015 – 3 O 817/14

OLG Dresden, Urteil vom 30.09.2015 -17 U 1338/15

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Rechtsanwalt Alexander Grundmann, LL.M., Leipzig

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