Die neue EU-Erbrechtsverordnung
Viele Deutsche leben im Ausland und verbringen ihren Ruhestand zum Beispiel in Spanien, Frankreich, Ungarn oder anderen beliebten Urlaubsländern oder können sich schon vorher einen Wohnsitz dort leisten.
Auch wer als Rentner seine deutsche Wohnung nicht aufgeben will, denkt häufig zumindest darüber nach, die kalten Wintermonate im wärmeren Ausland zu verbringen.
Diese „Auswanderer“ müssen sich auf das neue EU-Erbrecht einstellen. Seit dem 17. August 2015 gilt die EU-Erbrechtsverordnung. Für alle Erbfälle ab diesem Datum müssen die neuen Regelungen im Erbrecht beachtet werden. Die EU-Erbrechtsverordnung gilt für alle Europäer, die meist im Ausland leben. Die EU-Erbrechtsverordnung wurde schon vor drei Jahren verabschiedet. Die dreijährige Übergangszeit bis zum In-Kraft-Treten war dafür gedacht, sich in der Nachlassplanung auf die neuen Regelungen einzustellen.
Die EU-Erbrechtsverordnung betrifft daher nicht nur die Rentner, die im europäischen Ausland leben, sondern beispielsweise auch für alle, die im Ausland arbeiten.
Was ändert sich im Erbrecht?
Wichtigste Änderung der EU-Rechtsverordnung ist, dass für deutsche Staatsbürger, die überwiegend im Ausland leben, nicht mehr automatisch das deutsche Erbrecht gilt. Gibt es kein abweichendes Testament, findet das Erbrecht des Landes Anwendung, in dem der Verstorbene seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Für den Mallorca-Rentner gilt dann beispielsweise das spanische Erbrecht.
Sinn dieser Regelung ist es, eine Aufspaltung des Nachlasses zu verhindern.
Grundstückseigentum, Kontoguthaben und andere Vermögensgegenstände werden jetzt nach einem einheitlichen Erbrecht vererbt.
Früher konnte ein Erbfall dazu führen, dass bestimmte Vermögenswerte wie Grundbesitz nach dem Erbrecht des Staates, in dem beispielsweise das Ferienhaus lag, vererbt wurden. Der übrige Nachlass wurde dann nach dem Erbrecht gemäß der Staatsangehörigkeit vererbt.
Wie war das Erbrecht vor der EU-Erbrechtsverordnung?
Für Erbfälle bis zum 16 8. 2015 kam es vor allem auf die Staatsangehörigkeit an. Da aber einige europäische Staaten zum Beispiel für Immobilien, die in diesem europäischen Staat liegen, trotzdem ihr Erbrecht anwenden, konnte es zu einer so genannten Nachlassspaltung kommen.
Bestimmte Vermögenswerte wie Grundbesitz wurden nach dem Erbrecht des Staates, in dem die Immobilie liegt, vererbt. Der übrige Nachlass wurde dann nach dem Erbrecht gemäß der Staatsangehörigkeit vererbt.
War beispielsweise ein Deutscher mit Immobilienbesitz im Ausland verstorben, wurde seine Auslandsimmobilie nach dortigem Erbrecht und sein bewegliches Vermögen, also insbesondere Guthaben bei Banken und Sparkassen, nach deutschem Erbrecht vererbt. Diese erbrechtliche Situation galt beispielsweise beim Tod eines Deutschen, dem ein Ferienhaus in Frankreich gehörte.
Was muss man nach der neuen EU-Erbrechtsverordnung tun?
Ziel der EU- Erbrechtsverordnung (ErbVO) war ja die Vermeidung der Nachlassspaltung. Um dieses Ziel zu erreichen, bestimmt die Erbrechtsverordnung, dass nur noch ein Erbrecht gilt.
Grundregel für das Erbrecht
Welches Erbrecht eines europäischen Staates gilt, bestimmt sich im Normalfall nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Verstorbenen. Das steht in Artikel 21 Abs. 1 EU-ErbVO.
Beispiel : Ein deutscher Staatsangehöriger zieht als Rentner von Leipzig nach Andalusien (Spanien). Wenn er stirbt wird er nach spanischem Recht beerbt und nicht nach deutschem Erbrecht.
Beispiel: Ein Spanier zieht wegen der Arbeit nach Leipzig und gründet eine Familie in Deutschland. Wenn er stirbt, wird er nach deutschem Erbrecht beerbt.
Änderung durch Testament
Von dieser gesetzlichen Regel kann man aber abweichen, indem man im Testament die Geltung eines anderen Erbrechts, also beispielsweise des deutschen Erbrechts, verfügt.
Beispiel: Der in Deutschland dauerhaft lebender Spanier – für den ohne Testament das deutsche Erbrecht gilt - kann auch das Erbrecht von Spanien wählen. Nicht möglich ist, z.B. das Erbrecht von Frankreich zu wählen, sofern zu Frankreich kein besonderer rechtlicher Nähebezug besteht.
Der einfachste Weg ist es, im Testament ausdrücklich die Geltung deutschen Erbrechts anzuordnen, wie in der Erbrechtsverordnung vorgesehen.
Sinnvoll kann es aber sein, sich das Erbrecht des Wohnsitz-Landes genauer anzusehen, beispielsweise wenn im Testament Pflichtteilsberechtigten enterbt werden sollen. Da es nicht in allen europäischen Ländern ein Pflichtteilsrecht gibt, könnte das ausländische Erbrecht sogar günstiger sein.
Fazit: Bei der Gestaltung von Testamenten muss die EU Erbrechtsverordnung insbesondere immer dann beachtet werden, wenn Sie sich jetzt schon häufig länger im Ausland aufhalten oder die Möglichkeit besteht, dass sie später im Ausland leben werden.
In jedes Testament – auch, wenn Sie derzeit nicht im Ausland leben – gehört vorsorglich eine klarstellende Regelung.
Welche Folgen hat die EU-Erbrechtsverordnung für bestehende Testamente?
Bestehende Testamente, die wegen Auslandsaufenthalts von der EU-Erbrechtsverordnung betroffen sein könnten, sollten geprüft werden und gegebenenfalls geändert werden.
Europäisches Nachlasszeugnis
Durch die EU-Erbrechtsverordnung wird außerdem ein europäisches Nachlasszeugnis neu eingeführt.
Das ist eine europaweit gültige Urkunde, Artikel 62 EU-ErbVO. Das europäische Nachlasszeugnis hilft Erben, Vermächtnisnehmern mit unmittelbarer Berechtigung am Nachlass und Testamentsvollstreckern oder Nachlassverwaltern, die sich in einem anderen Mitgliedstaat auf ihre Rechtsstellung berufen oder ihre Rechte als Erben oder Vermächtnisnehmer oder ihre Befugnisse als Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter ausüben müssen, Artikel 63 Abs. 1 EU-ErbVO.
Das europäische Nachlasszeugnis ist vergleichbar mit dem in Deutschland verwendeten Erbschein.
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