Oft wird zwischen Eheleuten zur Altersabsicherung Vermögen übertragen. Da sich eine sogenannte ehebedingte Zuwendung auf die Ansprüche der Pflichtteilsberechtigten oder Nacherben auswirken kann, hat sich das Oberlandesgericht Schleswig (OLG Schleswig, Beschluss vom 16.02.2010, 3 U 39/09) mit der Frage beschäftigt, ob und wann durch eine solche ehebedingte Zuwendung Pflichtteilsergänzungsansprüche entstehen.
Nießbrauchsrecht an Immobilie zur Sicherstellung der Altersvorsorge
In der Entscheidung des Oberlandesgerichts Schleswig ging es um die Übertragung eines Grundstückes mit Mietwohnungen von Eltern an Ihre Tochter. Dabei hat die Tochter den Eltern ein Nießbrauchsrecht eingeräumt. Die Eltern bestritten ihren Lebensunterhalt ausschließlich aus den Mieteinnahmen der Immobilie. Eine anderweitige Altersvorsorge gab es, insbesondere für die Ehefrau nicht. Der verstorbene Vater wollte durch die getätigte Zuwendung sicherstellen, dass seine Ehefrau auch nach seinem Tod im gewohnten Umfeld wohnen bleiben könne.
Der Vater setzte seine Ehefrau in seinem Testament zur Alleinerbin ein. Der Vater starb.
Die Tochter machte nach dem Tod ihres Vaters ihren Pflichtteilsanspruch geltend. Zu klären war, ob das Einräumen des Nießbrauchsrechts als Schenkung anzusehen ist und einen Pflichtteilsergänzungsanspruch begründet.
Grundsätzlich ist die Tochter als Kind pflichtteilsberechtigt. Hat der verstorbene Vater der Mutter vorher eine Schenkung gemacht, kann die Tochter als Pflichtteilsberechtigte als Ergänzung ihres Pflichtteils den Betrag verlangen, um den sich der Pflichtteil erhöht, wenn die Schenkung dem Nachlass hinzugerechnet wird (Pflichtteilsergänzungsanspruch). Zum Schutz der Pflichtteilsberechtigten wird somit eine Minderung des Pflichtteils durch Schenkungen erschwert. Ausnahmsweise kann jedoch der Pflichtteilsergänzungsanspruch ausgeschlossen sein: Wenn die Zuwendung zur Sicherung einer angemessenen Altersvorsorge erfolgte, ist die Zuwendung rechtlich keine Schenkung.
Angemessene Zuwendung zur Altersvorsorge erhöht Pflichtteil nicht
Für einen Pflichtteilsergänzungsanspruch kommt es darauf an, ob eine frühere Schenkung das Erbe verringert. Eine Schenkung liegt dann vor, wenn eine Zuwendung unentgeltlich war. Fehlt es an einer Gegenleistung, ist auch eine Zuwendung an den Ehepartner grundsätzlich eine Schenkung, die einen Pflichtteilsergänzungsanspruch auslöst.
Dient die Zuwendung aber einer angemessenen Altersvorsorge oder greift ein anderer Ausnahmefall, kann eine objektiv entgeltliche Zuwendung vorliegen. Eine ergänzungspflichtige Schenkungen ist jedenfalls dann abzulehnen, wenn die Zuwendung auf einer rechtlichen Verpflichtung beruht, zum Beispiel im Rahmen der gesetzlichen Sicherstellung einer angemessenen Altersvorsorge nach §§ 1360 f. BGB. Denn eine solche ehebedingte Zuwendung ist gerade dann keine Schenkung, wenn die Zuwendung zur Altersvorsorge des überlebenden Ehepartners dient. Solche Zuwendungen sind also nicht ergänzungspflichtig. Der Pflichtteilsberechtigte hat dann diesbezüglich keinen Pflichtteilsergänzungsanspruch.
Das Gericht beschäftigte sich mit der Frage, ob es sich bei dem Nießbrauchsrecht um eine Zuwendung zur Altersvorsorge handelt. Der Zweck Alterssicherung reicht jedoch nicht aus, um eine ehebedingte Zuwendung zu begründen. Um Pflichtteilsberechtigte nicht zu benachteiligen, ist es wichtig, ob die Zuwendung – hier das Nießbrauchsrecht – auch eine nach den Lebensverhältnissen der Eltern angemessene Leistung in Form der Altersvorsorge darstellt.
Das Oberlandesgericht Schleswig bezieht sich dabei auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, Urteil vom 27.11.1991 – IV ZR 164/90: Der Bundesgerichtshof ließ die Frage offen, wo die Grenze zwischen einer als entgeltlich zu wertenden angemessenen Altersvorsorge und einer unentgeltlichen Zuwendung, also einer Schenkung, liegt. Erforderlich ist jedoch regelmäßig eine umfassende Prüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Ehegatten. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass sich die Lebenshaltungskosten nicht schlicht halbieren, wenn einer der Eheleute verstirbt.
In dem konkreten Fall stand der Tochter kein Pflichtteilsergänzungsanspruch zu. Die Mutter hatte keine andere ausreichende Altersvorsorge. Das Nießbrauchsrecht und die daraus erwirtschafteten Mieteinnahmen waren deshalb für die Alterssicherung notwendig und standen in einem angemessenen Verhältnis zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Eltern.
Auch nach andere Entscheidung des Bundesgerichtshofs, Urteil vom 14.03.2018 – IV ZR 170/16, liegt eine ehebedingte Zuwendung vor, wenn die Zuwendung als Beitrag zur Sicherung und Erhaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft erbracht wird. Wie sich aus dem Wort „ehebedingt“ ergibt, ist die Zuwendung also gerade im Hinblick auf die Ehe und der sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten zu erbringen. Interessant ist das Urteil, weil der Bundesgerichtshof erklärt, ob der Pflichtteilsberechtigte die Darlegungs- und Beweislast trägt oder der Erbe (Stichwort: Sekundäre Darlegungslast). Das ist deswegen wichtig, weil im Streitfall vor Gericht entscheidend sein kann, wer die näheren Umstände für einen angemessene Altersvorsorge darlegen und beweisen muss.
Fazit: Bei der Übertragung von Vermögen oder Einräumung von Rechten unter Ehegatten, welche grundsätzlich den Pflichtteil mindern können, ist zwischen unentgeltlichen Zuwendungen (Schenkung) und Zuwendungen, die zur angemessenen Sicherung der Altersvorsorge erfolgen, zu unterscheiden. Zuwendungen, die zur angemessenen Sicherung der Altersvorsorge des Ehepartners erfolgen, sind keine Schenkung und gebem dem Pflichtteilsberechtigten keinen Anspruch auf Pflichtteilsergänzung.
OLG Schleswig, Beschluss vom 16.02.2010, 3 U 39/09
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