update 27. Januar 2020
Genehmigung des Familiengerichts für Grundstückskauf durch Testamentsvollstrecker notwendig oder nicht?
Grundstücksgeschäfte von Eltern für ihre minderjährigen Kinder müssen vom Familiengericht genehmigt werden, das ergibt sich aus §§ 1626, 1629, 1643, 1821 Absatz 1 Nr. 1 bzw. Nr. 5 BGB.
Ein Testamentsvollstrecker darf mehr als ein Vormund oder auch ein Elternteil: Ein Testamentsvollstrecker kann unabhängig von Genehmigungen des Familiengerichts tätig werden.
Das Oberlandesgericht Karlsruhe musste in einer grundbuchrechtlichen Angelegenheit entscheiden, ob ein Testamentsvollstrecker eine Genehmigung des Familiengerichts einholen muss, wenn er für den minderjährigen Alleinerben mit Mitteln aus dem Nachlass eine Immobilie kauft.
Das OLG Karlsruhe hat im Beschluss vom 1. 6. 2015 (Az. 11 Wx 29/15) klargestellt, dass der Erwerb eines Grundstücks durch einen Testamentsvollstrecker, der den Nachlass für einen minderjährigen Alleinerben verwaltet, nicht der familiengerichtlichen Genehmigung bedarf.
Minderjähriger Erbe unter Testamentsvollstreckung
Ein Minderjähriger war im Testament als Alleinerbe bestimmt. Zum Schutz des Minderjährigen war im Testament Testamentsvollstreckung als Dauertestamentsvollstreckung angeordnet. Testamentsvollstrecker wurde nach dem Willen des verstorbenen Erblassers ein Steuerberater.
Der Testamentsvollstrecker kaufte für den minderjährigen Erben mit Geld aus dem Nachlass 2014 eine Eigentumswohnung.
Grundbuchamt verweigert Eintragung ohne Genehmigung Familiengericht
Probleme gab es, als der notarielle Kaufvertrag über die Eigentumswohnung beim Grundbuchamt vollzogen werden sollte.
Das Grundbuchamt weigerte sich, das Grundbuch entsprechend dem notariellen Kaufvertrag zu ändern und den minderjährigen Erben als Eigentümer einzutragen.
Das Grundbuchamt war der Meinung, dass der Abschluss des Kaufvertrages aus Gründen des Minderjährigenschutzes vom Familiengericht genehmigt werden muss. Zumindest müsse das Familiengericht den Kaufvertrag überprüfen, um zu verhindern, dass der betroffene Minderjährige bei Volljährigkeit mit Schulden belastet in das Erwachsenenleben entlassen wird.
Der Testamentsvollstrecker hat diesen Einwand nicht akzeptiert und gegen die Entscheidung des Grundbuchamtes Beschwerde eingelegt. Argument des Testamentsvollstreckers war, dass der minderjährige Erbe hier nicht geschützt werden muss, weil der gesamte Kaufpreis für die Wohnung aus dem Nachlass bezahlt wird und die Immobilie mit ihrem Wert auch wieder zum Nachlass gehört, und damit auch der Testamentsvollstreckung unterfällt.
Der Testamentsvollstrecker hatte in der notariellen Kaufvertragsurkunde auch klarstellen lassen, dass er nicht als Vertreter des minderjährigen Erben, sondern in seiner Eigenschaft als Testamentsvollstrecker über den ihm anvertrauten Nachlass handelt.
Da das Grundbuchamt seine Entscheidung nicht änderte, musste das Oberlandesgericht entscheiden.
Kaufentscheidung des Testamentsvollstreckers muss nicht genehmigt werden
Das OLG gab dem Testamentsvollstrecker und dem Erben Recht.
Die Verfügung des Grundbuchamtes, in der die Grundbuchänderung von einer familiengerichtlichen Genehmigung abhängig gemacht wurde, wurde vom Gericht aufgehoben.
Eine Pflicht zur Genehmigung des Grundstückskaufvertrages ergibt sich nach Meinung des Gerichts weder aus dem Gesichtspunkt des Schutzes des Minderjährigen noch wegen einer Überschreitung der Befugnisse des Testamentsvollstreckers.
Aus dem notariellen Kaufvertrag ergab sich, dass der Testamentsvollstrecker für den Erben (bzw. für das Erbe) auch genau in dieser Funktion handelte. Minderjährigenschutz war daher hier nicht das Thema.
Testamentsvollstrecker darf mehr als Eltern
Das OLG stellte klar, dass ein Testamentsvollstrecker mehr darf als ein Vormund oder auch ein Elternteil. Die Vorschriften im BGB (also insbesondere §§ 1821, 1643 BGB), die für bestimmte Geschäfte von Eltern oder Vormund für ihr Kind oder Mündel eine Genehmigung des Familiengerichts verlangen, gelten für einen Testamentsvollstrecker nicht.
Auch die Vorschrift des § 2206 BGB verhindert nicht die Wirksamkeit des Geschäfts des Testamentsvollstreckers. Gemäß § 2206 BGB ist der Testamentsvollstrecker berechtigt, Verbindlichkeiten für den Nachlass einzugehen, soweit die Eingehung der Verbindlichkeit zur ordnungsmäßigen Verwaltung über den Nachlass erforderlich ist. Es kommt somit darauf an, ob der Wohnungskauf für die Verwaltung des Erbes erforderlich war.
Es gehört aber nicht zu den Aufgaben des Grundbuchamtes nachzuprüfen, ob die Voraussetzungen des § 2206 BGB hier gegeben sind.
Das bedeutet: Selbst wenn der Testamentsvollstrecker die Wohnung nach der Vorschrift des § 2206 BGB nicht für den Nachlass habe kaufen dürfen, ist das keine Legitimation für das Grundbuchamt, den grundbuchrechtlichen Vollzug zu verweigern. Hat der Testamentsvollstrecker über seine Befugnisse hinaus gehandelt, führt das höchstens zu einer späteren Rückabwicklung des Grundstückgeschäfts.
Aus § 2206 Abs. 2 BGB ergibt sich auch nicht, dass der Testamentsvollstrecker für seine Entscheidungen die Einwilligung des minderjährigen Erben braucht.
Im Ergebnis muss jetzt das Grundbuchamt den Kaufvertrag vollziehen, ohne dass das Familiengericht die Entscheidung des Testamentsvollstreckers nochmal überprüft.
Fazit: Kommt ein minderjähriges Kind oder Enkel als Erbe in Betracht, ist Testamentvollstreckung ein sinnvolles erbrechtliches Intstrument. Aber man muss sich auch darüber im Klaren sein: Ein minderjähriger Erbe kann durch einen Testamentsvollstrecker während der Amtszeit des Vollstreckers mit Verbindlichkeiten belastet werden. Dies ist aber eine „notwendige Folge der gesetzlichen Ausgestaltung des Amts des Testamentsvollstreckers“.
OLG Karlsruhe – Beschluss vom 01.06.2015 – 11 Wx 29/15
Betroffene Gesetze: §§ §§ 1626, 1629, 1643, 1821 Absatz 1 Nr. 1 bzw. Nr. 5 BGB, 1821, 2206 BGB
Stichworte: Grundstückskauf, Testamentsvollstreckung, Genehmigung Familiengericht, minderjähriger Alleinerbe
Für Ihre Fragen zur sinnvollen Testamentserstellung bei minderjährigen Erben:
Rechtsanwalt Alexander Grundmann in Leipzig
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