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10. Mai 2018 – Digitaler Nachlass Teil 2 Facebook-Fall beim Landgericht und Kammergericht Berlin

In einer kurzen Artikelserie geht es um den Digitalen Nachlass. Der erste Teil befasste sich mit Grundüberlegungen und den rechtlichen Grundlagen. Heute geht es um den:

3.         Facebook-Fall beim Landgericht und Kammergericht Berlin

Die rechtlichen Probleme des digitalen Nachlasses werden gut sichtbar im Facebook-Fall des Landgerichts Berlin.

Da auch viele „Silver Ager“ Facebook nutzen, dürfte es in den nächsten Jahren auch zu vielen Nachlassfällen mit Facebook-Accounts kommen. Die Todesfälle unter US-amerikanischen Facebook-Nutzern werden für 2018 auf 1,7 Millionen geschätzt. („1.7 Million U.S. Facebook Users Will Pass Away in 2018“ – Evan Carroll von „The Digital Beyond“ http://www.thedigitalbeyond.com/).

Die Rechtsprechung zum Erbrecht an Facebook-Accounts behandelt aber nicht nur spezifische Facebook-Fragen, sondern beispielhaft die rechtlichen Probleme des digitalen Nachlasses.

Sachverhalt: Ein 15-jähriges Mädchen wurde 2012 in einem Berliner U-Bahnhof von einem einfahrenden Zug tödlich verletzt. Die Eltern des Mädchens sind deren gesetzliche Erben. Das Mädchen hatte mit 14 Jahren mit Zustimmung der Eltern einen Facebook-Account eingerichtet. Facebook hat - veranlasst durch einen anderen Nutzer – die Seite des Mädchens in den Gedenkzustand versetzt. Damit war auch kein Zugang mit Passwort zu den Nutzerdaten mehr möglich, auch wenn die Inhalte im Hintergrund bestehen bleiben - Grundlage war eine Gedenkzustandsrichtlinie von Facebook. Facebook gibt keine Profildaten von verstorbenen Nutzern heraus. Die Mutter will Zugriff auf das Facebook-Konto der verstorbenen Tochter, um herauszufinden, ob ihre Tochter Suizid begangen hat. Sie hatte zwar die Zugangsdaten von der Tochter als Voraussetzung dafür, dass die Tochter einen Facebook-Account haben darf, bekommen aber im Gedenkzustand kann man nicht mehr zugreifen. Hintergrund ist wohl auch: Der U-Bahn-Fahrer, der die Verstorbene erfasste, forderte von Eltern als Erben Zahlung von Schmerzensgeld, weil das Mädchen ihren Tod bewusst herbeigeführt und ihn dadurch zumindest fahrlässig geschädigt habe. (Die Haftpflichtversicherung der Mutter hatte  an den U-Bahn-Fahrer ein Schmerzensgeld von 8.000,00 € und einen Verdienstausfall in Höhe von 1.463,11 € gezahlt.)

Digitales Erbe und Facebook

Die Mutter hat die Facebook Ireland Limited verklagt, der Erbengemeinschaft nach der Tochter Zugang zu dem vollständigen Benutzerkonto und den darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalten der verstorbenen Tochter bei dem sozialen Netzwerk Facebook unter dem Nutzerkonto „yyy “ zu gewähren.

Das Landgericht Berlin – Urteil vom 17.12.2015 – 20 O 172/15 – entschied zugunsten der Mutter. Dabei sagte das Landgericht Berlin, dass § 1922 BGB auch für höchstpersönliche Daten gilt.

Weil die Eltern als Erziehungsberechtigte auch das Persönlichkeitsrecht der Minderjährigen ausüben, sei das Verschaffen des Zugangs zum Facebook-Account auch keine Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts der Tochter.

Auch die Gedenkzustandsrichtlinie (Stand bis 2015) verhindert das nicht, da die Regelung von Facebook § 1922 BGB beschränkt und deswegen eine unangemessene Benachteiligung gemäß § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB sei.

Das Kammergericht Berlin – Urteil vom 31.05.2017- 21 U 9/16 – hat die Entscheidung als Berufungsinstanz aufgehoben.

Das Kammergericht Berlin problematisiert vor allem § 88 TKG. Die Vorschrift zum Fernmeldegeheimnis verhindert Zugangsgewährung. Damit scheitert der Anspruch der Mutter.

Darüber hinaus stellt das Kammergericht § 1922 BGB für höchstpersönliche Daten in Frage. Mit der Argumentation des Kammergericht wird die eigentlich in der Literatur schon beantwortete und verneinte Frage: „Muss beim Erbe zwischen vermögensrechtlichen Positionen und höchstpersönlichen Daten unterschieden werden?“ wieder problematisiert.

Inzwischen wurde Revision eingelegt. Der BGH führt das Verfahren unter III ZR 183/17, vorgesehener Verhandlungstermin ist am 21. Juni 2018. Die Entscheidung des BGH wird mit Spannung erwartet, da der Ausgang des Verfahrens auch darüber entscheidet, ob man für den Digitalen Nachlass neue Gesetze braucht.

Update: Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die Erben Zugang zum sozialen Netzwerk erhalten. Damit hat er das Urteil des Kammergerichts verworfen. Nähere Informationen dazu finden Sie hier.

Ihr Ansprechpartner auch zu Fragen des Digitalen Nachlasses

Rechtsanwalt Alexander Grundmann

Grundmann Häntzschel Rechtsanwälte Leipzig

Lesen Sie auch die weiteren Artikel zum Thema Digitaler Nachlass:

Teil 1: Grundüberlegungen

Teil 3: Rechtliche Fragen

Teil 4: Neue Gesetze notwendig?

Teil 5: Digitale Vorsorge

Teil 6: Facebook, Google und die Nachlassplanung



Rechtstipps und Urteile

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