Geschäftsführerin eines Pflegedienstes wurde Alleinerbin einer Pflegeperson
Eine Frau wurde seit Jahren bis zu ihrem Tod von einem ambulanten Pflegedienst betreut.
Bei einem früheren Krankenhausaufenthalt hat die Frau die Geschäftsführerin eines Pflegedienstes kennengelernt. Danach besuchte die Geschäftsführerin sie dann regelmäßig, unternahm mit ihr gemeinsame Ausflüge und hat zweimal in der Woche mit ihr zusammen Mittag gegessen.
Der Pflegedienst der Geschäftsführerin übernahm dann später die Betreuung und pflegte die Dame über mehrere Jahre.
Da die Frau ledig und kinderlos war, hat sie ca. ein Jahr vor ihrem Tod mit der Geschäftsführerin des Pflegedienstes einen Erbvertrag geschlossen, in dem die Geschäftsführerin als Alleinerbe eingesetzt wurde.
Nach dem Tod der Frau beantragte die Geschäftsführerin auf Grundlage des Erbvertrages einen Erbschein, der sie auch als Alleinerbe ausweist. Der Erbschein wurde ihr vom Nachlassgericht erteilt. Der Wert des Nachlasses beträgt rund 100.000 Euro.
Nachdem die Aufsichtsbehörde (in Hessen das Regierungspräsidium ) ein Bußgeldverfahren gegen die Geschäftsführerin wegen Verstoßes gegen das Verbot in § 7 HGBP eingeleitet hatte, zog das Nachlassgericht den Erbschein als unrichtig ein.
Gegen diese Entscheidung des Nachlassgerichts legte die Geschäftsführerin Beschwerde ein. Über diese erbrechtliche Beschwerde musste das OLG entscheiden.
OLG Frankfurt: Erbvertrag wegen Verstoßes gegen § 7 Abs. 2 HGBP nichtig
Das OLG hat die Beschwerde der Geschäftsführerin gegen die Einziehung des Erbscheins zurückgewiesen.
Die Erbeinsetzung im Erbvertrag zugunsten der Geschäftsführerin des ambulanten Pflegedienstes ist als Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot gemäß § 134 BGB nichtig.
Die Erbeinsetzung im Erbvertrag war ein Verstoß gegen § 7 Abs. 2 des Hessischen Gesetzes über Betreuungs- und Pflegeleistungen (HGBP).
Im Hessischen Gesetz über Betreuungs- und Pflegeleistungen steht, dass es Leitung, Beschäftigten oder sonstigen Mitarbeitern auch von ambulanten Betreuungs- und Pflegeeinrichtungen untersagt ist, sich von Betreuungsbedürftigen und Pflegebedürftigen neben der Bezahlung der Pflegeleistungen Geld- oder geldwerte Leistungen versprechen oder gewähren zu lassen.
Anders als die frühere Regelung in § 14 HeimG erstreckt sich § 7 HGPB jetzt ausdrücklich auch auf ambulante Betreuungs- und Pflegeeinrichtungen und deren Leitung. Die Regelung soll verhindern, dass die Hilf- oder Arglosigkeit alter und pflegebedürftiger Menschen in finanzieller Hinsicht ausgenutzt wird.
Die Geschäftsführerin ist damit nicht Erbin geworden.
Vermutung für Zusammenhang zwischen Erbeinsetzung und Erfüllung der Pflichten aus Pflegevertrag
Bei einer Erbeinsetzung liegt ein Verstoß nur dann vor, wenn die Erbeinsetzung im Zusammenhang mit der Erfüllung der Pflichten aus dem Pflegevertrag erfolge.
Für eine solche Erbeinsetzung wird aber – so das Gericht – bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, dass sie im Zusammenhang mit der Erfüllung der Pflichten aus einem Pflegevertrag steht.
Diesen Beweis hat die Geschäftsführerin trotz der besonderen Umstände nicht erbracht. Zwar bestand zwischen ihr und der verstorbenen Frau eine über die Geschäftsbeziehung hinausgehende freundschaftliche Beziehung. Allerdings konnte nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass nicht doch ein Zusammenhang zwischen dem Erbvertrag und den Pflegeleistungen bestand, weil eine eindeutige Trennung zwischen dienstlicher und freundschaftlicher Beziehung nicht erkennbar war und – so das Gericht – in solchen Konstellationen praktisch auch nicht möglich ist.
OLG Frankfurt aM Beschluss vom 12.05.2015, Az.: 21 W 67/14
Fazit: Im Zusammenhang mit der professionellen Pflege älterer Menschen sind Testamente und Erbverträge zugunsten von Mitarbeitern des Pflegedienstes immer problematisch. Hier hilft nur eine klare Trennung zwischen Freundschaft und Arbeit. Soll also jemand, der bei einem Pflegdienst arbeitet, testamentarisch bedacht werden, sollte man sich möglichst nicht von diesem Pflegedienst pflegen lassen. Denkbar ist es auch, sich eine Ausnahmegenehmigung von der zuständigen Aufsichtsbehörde zu holen.
Hintergrund: Das frühere Heimgesetz von 2001 (HeimG) galt nur für Heime, in denen ältere oder pflegebedürftige oder behinderte Menschen wohnen.
Nachdem im September 2006 die Gesetzgebungskompetenz für das öffentlich-rechtliche Heimrecht vom Bund auf die Länder übergegangen war, galt das Heimgesetz für die Übergangszeit, solange die Bundesländer noch kein Heimrecht geschaffen hatten, fort. Als letztes Bundesland hat Thüringen im Juni 2014 das „Thüringer Gesetz über betreute Wohnformen und Teilhabe“ verabschiedet. Damit ist das Heimgesetz jetzt deutschlandweit durch Landesrecht ersetzt worden.
In Sachsen gilt das Sächsisches Betreuungs- und Wohnqualitätsgesetz vom 12. Juli 2012 (SächsBeWoG)
Dort ist im § 7 SächsBeWoG – Leistungen an Träger und Beschäftigte – geregelt im
(4) Der Leitung, den Beschäftigten oder sonstigen Mitarbeitern der stationären Einrichtung ist es untersagt, sich von oder zugunsten von Bewohnern neben der vom Träger erbrachten Vergütung Geld oder geldwerte Leistungen für die Erfüllung der Pflichten aus den zwischen dem Träger und den Bewohnern geschlossenen Verträgen versprechen oder gewähren zu lassen. Dies gilt nicht, soweit es sich um geringwertige Aufmerksamkeiten handelt.
Nach dem Wortlaut gilt somit die Unwirksamkeit von Testamenten gegenüber Mitarbeitern ambulanter Pflegedienste nicht. Trotzdem ist bei solchen Erbeinsetzungen Vorsicht geboten.
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